BERLINER WIRTSCHAFT 05/17
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UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Hand in Hand in die Zukunft –
Berlin und sein Umland
Die Hauptstadt ist Magnet für Menschen wie Unternehmen – eine Insel ist sie nicht. Es wird Zeit,
dass die Politik im Sinne der Region länderübergreifend denkt und handelt
»
Von Christian Nestler
T
äglich pendeln 287.000 Be-
schäftigte – die Einwohner-
zahl Augsburgs – zwischen
Berlin und Brandenburg.
Rund 16 Prozent der in Berlin sozialversi-
cherungspflichtig Beschäftigten wohnen
im Nachbarland, die meisten davon im
unmittelbar die Metropole umschließen-
den Berliner Umland. Mit anderen Wor-
ten: Berlin ist keine Insel, sondern eng mit
Brandenburg vernetzt.
Insbesondere das Umland spielt für
Berlin die Rolle eines 13. Bezirks. Hier be-
finden sich die Logistikzentren, vonwel-
chen aus Berliner Hotels und Gaststätten,
Händler und Haushalte beliefert werden;
flächenintensive Unternehmen finden
Platz für Ansiedlungen und Erweiterun-
gen – die wiederum auch Berliner in Be-
schäftigung bringen. Und im Speckgür-
tel weisen KommunenWohnflächen aus,
die einen Teil des Berliner Bevölkerungs-
wachstums aufnehmen und damit den
Druck am BerlinerWohnungsmarkt ver-
ringern. Was im Umland geschieht, be-
einflusst also unmittelbar die Metropole.
Die Entwicklung Berlins drückt wieder-
um dem Umland den Stempel auf.
Oft ist es der Stempel desWachstums
und Wohlstandes. Die Zahlen sprechen
dafür: So stiegen die Gewerbesteuerein-
nahmen in ganz Brandenburg von 2005
bis 2015 um rund 60 Prozent – im Ber-
liner Umland waren es 91 Prozent. Wäh-
rend sich die Einwohnerzahl in Branden-
burg in der Dekade nach 2004 um fünf
Prozent verringerte, wuchs sie im Speck-
gürtel der Metropole umetwa sieben Pro-
zent. Vor allem die weiter von Berlin ent-
fernten Regionen straucheln wirtschaft-
lich und demografisch. Daranwird sich in
Zukunft wenig ändern. Der weitere Met-
ropolenraumwirdmit einer fortgesetzten
Abnahme des Erwerbspersonenpotenzi-
als kämpfen müssen, während das Um-
land in dieser Hinsicht stabile, wenn nicht
sogar expansive Entwicklungen erwarten
lässt. Für Ansiedlungen ein wichtiges Ar-
gument. Das Umland boomt also; undmit
einer Arbeitslosenquote von 5,0 Prozent
herrscht inzwischen Vollbeschäftigung.
So groß der Erfolg ist, bleibt doch die
Hauptstadt der wichtigste Attraktivitäts-
garant für die Kommunen im Speckgür-
tel – ohne Metropole kein Metropolen-
umland. Doch wie schon angesprochen,
besteht die Abhängigkeit in beide Rich-
tungen. Insbesondere die seit fünf Jah-
ren wachsende Wirtschaft und Bevöl-
kerung der Hauptstadt stellt diese nun
vor Herausforderungen, die sinnvoll nur
durch Einbezug des Umlandes angegan-
gen werden können.
Wer den Pkw-Verkehr reduzieren
will, sollte Pendler auf die Schiene brin-
gen – oder aufs Rad. Wer über inner-
städtische Flächenknappheit nachdenkt,
kommt früher oder später zu dem Punkt,
an dem die Potenziale der Umlandge-
meinden mitgedacht werden müssen.
Wer Konzepte zur Entwicklung der ur-
banen Ökonomie entwirft, kommt an
länderverknüpfenden Wertschöpfungs-
und Lieferketten nicht vorbei. Wer den
Wissenschaftsstandort Berlin entwickeln
Barnim
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Elster
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Oderland
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Ober-
spree-
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Potsdam-
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an der Havel
Potsdam
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(Oder)
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Berlin
Ballungsgebiet
Berlin
weiterer Metropolenraum
Berlin