BERLINER WIRTSCHAFT 05/17
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UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Vom Kessel bis zur
Eismaschine
Richard Heike stellte in seiner „Eisengiesserei und
Kesselschmiede“ Produkte für die Nahrungsmittelindustrie
her – die Nachfrage war groß
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Von Prof. Klaus Dettmer (BBWA)
Der Briefbogen aus dem Jahr 1926 war mit dem neuen Werksgelände in Hohenschönhausen bedruckt – und mit dem Namenszug in Fabrikrauch-Optik
A
ls sich Richard Heike im
Jahr 1903 entschloss, eine
eigene Firma in der Neuen
Friedrichstraße 37 in Berlin
zu gründen, hatte er bereits zehn Jahre
Erfahrung in der Maschinenbaubranche
in der heimatlichen Braun-
schweiger Karges-Hammer
AG gesammelt. Seine Firma
spezialisierte sich auf Appa-
rate für die Nahrungsmittel-
industrie.
Dabei gab es verschie-
dene Faktoren, die seinen
Entschluss begünstigten,
darunter die Eröffnung ei-
nes städtischen Vieh- und
Schlachthofes 1881 in Lichtenberg. Bis-
her war die Fleischbearbeitung im hand-
werklichen Rahmen erfolgt, für die Ka-
daver- undAbfallbeseitigung sorgtenAb-
decker. Die Tierhäutewaren der Rohstoff
Hall eröffneten dann 1813 die erste Kon-
servenfabrik.
Sowohl für Fleischfabriken als auch
für Fettgewinnung, Margarineherstel-
lung und Verpackungen stellte die Firma
Heike Kessel, Kirne – das sind Misch-
werke –, Druckkühler, Eismaschinen und
Ausrüstungen bereit. Durch das Verzin-
nen wurden Weißbleche gegen Korro-
sion geschützt und für Lebensmittel ver-
wendbar. Lötbarkeit war Voraussetzung
für einen luftdichten Verschluss durch
Bördelungsmaschinen. Ähnliche Prozes-
se der Oberflächenbearbeitung waren
der Überzug von Blechen mit einer Glas-
schicht (Emaillierung) und die Vernicke-
lung, mit der Bleche poliert und für deko-
rative Verzierungen vorbereitet werden
konnten.Wegen der hohen Nachfrage er-
warb Heike die Firma Scheffel & Schiel
und suchte nach einemneuen Firmenge-
lände, das er 1911 in der Freienwalder Str.
17-19 in Hohenschönhausen fand.
Während der Weltkriege war Heike
Lieferant von Heeres-Konservenfabri-
ken für das Deutsche Reich und die Ach-
senmächte. Im so genannten Kohlrü-
benwinter 1916/17 versorgte er die Beleg-
schaft seiner Fabrik von firmeneigenen
landwirtschaftlichenAnbauflächen. Hei-
kes Produkte wurden aber auch in Frie-
denszeiten benötigt. Doch schon 1939
stand der Heeresbedarf wieder im Vor-
dergrund. Am 23. April 1945 starb Richard
Heike. Seine Firma wurde von der Roten
Armee beschlagnahmt und liquidiert.
zur Lederherstellung in Gerbereien. Aus
Knochen wurden Hornmehl als Dünger
und Futtermittel, Knochenfett, Leim und
Knochenasche und -kohle als Adsorpti-
onsmittel gewonnen. Fleisch, das wegen
mangelnder Kühlungsmittel beschränkt
haltbar war, konnte nur zum
unmittelbaren Verzehr ver-
kauft werden. Fleisch- und
Wurstwarenfabriken wende-
teten zur langfristigen Halt-
barkeit traditionelle Konser-
vierungsmethoden an, wie
etwa Räuchern, Pökeln und
Trocknung – bis 1810 von Ni-
colas Appert die Glaseinweck-
flasche erfunden wurde. Die-
ses Verfahren hat sich imhäuslichen Ein-
weckglas bis heute gehalten.
Die Weiterentwicklung zur Konser-
vendose aus Blech nahm der Engländer
Peter Durand vor, Bryan Donkin und John
UNTERNEHMENSHISTORIE
Maschinenbauer:
Richard Heike
FOTOS: BBWA




