BERLINER WIRTSCHAFT 05/17
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NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE
B
ereits 2015 hat Berlin einen
neuen deutschen Rekord auf-
gestellt: Der Berliner Markt für
gewerbliche Immobilieninvestitionen ist
laut einer Studie der TLG Immobilien AG
um 94 Prozent auf einVolumen von rund
8,3 Mrd. Euro gestiegen. Der Berliner Bü-
roimmobilienmarkt übertrifft alle Erwar-
tungen und verdeutlicht die Etablierung
der Stadt als wichtigen europäischen In-
vestitionsstandort. Aber dennoch, die gu-
ten Zahlen reichen nicht aus, denn der
Umsatz an Flächen ist in der gleichen Zeit
um24 Prozent auf 848.000 Quadratmeter
gestiegen. Die Nachfrage ist also größer
als das Angebot – damit droht eine ge-
fährliche Verknappung der Flächen. Mit
einer aktuellen Leerstandsquote von nur
3,1 Prozent ist Berlin faktisch voll vermie-
tet, warnt aktuell der Zentrale Immobili-
en Ausschuss (ZIA).
Dabei ist der Grund für diese Ent-
wicklung natürlich positiv: Die Wirt-
schaft in der Hauptstadt boomt, beson-
ders das Berliner Start-up-Ökosystemhat
mit Abstandweltweit die höchsteWachs-
tumsdynamik. So gibt es in Berlin eine
große Zahl an Gründungen, und teilwei-
se wachsen die Start-ups rasant und mit
ihnen der Zuzug hoch qualifizierter Ar-
beitnehmer. In Berlin ist die Zahl der
Beschäftigten von 2011 bis 2016 um 14,2
Prozent gestiegen. Das hat aber nicht nur
Vorteile – besonders in Bezug auf verfüg-
baren Büroraum leidet die Start-up-Sze-
ne an ihrem eigenen Erfolg:
Berlin ist neben London führende Start-up-Metropole Europas –
und platzt langsam aus allen Nähten. Mit einer Leerstandsquote
von 3,1 Prozent ist die Stadt faktisch voll vermietet
»
Von Tim Brandt
EINE ENGE
KISTE
So verzeichnet eine Studie des Immobi-
liendienstleisters Jones Lang LaSalle (JLL)
seit 2010 einen starken Anstieg der Bü-
roflächenumsätze durch Start-ups. Be-
reits 2015 wurde ein Viertel der Berliner
Büroflächen von ihnen genutzt aufgrund
anhaltender Gründungsintensität, des
verstärkten Zuzugs ausländischer Unter-
nehmen (z. B. Fintechs aus London) sowie
des Erfolgs und Wachstums einiger ehe-
maliger Start-ups.
Laut der Studie entfallen die größten
Büroanmietungen seit 2000 auf die Un-
ternehmen Zalando (196.000 Quadrat-
meter), Rocket Internet (46.000 Quadrat-
meter), Groupon (41.000 Quadratme-
ter), Lieferheld undWimdu (beide 12.000
Quadratmeter). Da auch diese Flächen
dem starken Wachstum und der Mitar-
beiterzahl nicht standhalten, ist Rocket
Internet im letzten Jahr in den sogenann-
ten Rocket Tower in der Charlottenstraße
gezogen, der Platz auf insgesamt 35 Eta-
gen bietet.
Dort ist auch ein Teil des Tech-Teams
von Zalando untergebracht. Weitere Mit-
arbeiter sollen auf dem Cuvry-Areal na-
he der Oberbaumbrücke eine Fläche von
34.000 Quadratmetern beziehen. Zwar ist
für Ende 2018 die Fertigstellung des Cam-
pus rund um die Mercedes-Benz Are-
na geplant, doch die dort vorhandenen
100.000 Quadratmeter reichen für den
ständig wachsenden E-Commerce-Rie-
sen nicht aus. Zurzeit beschäftigt Zalan-
do in Berlin 5.500 Mitarbeiter, 1.000 wei-
IMMOBILIENMARKT
tere sollen in diesem Jahr dazukommen,
der zentrale Campus bietet aber nur Platz
für 5.000. Begonnen hat Zalando 2008mit
100 Quadratmetern auf der Torstraße.
Aber auch kleine und mittlere Start-
ups haben besondere Anforderungen an
Büroflächen, was die Auswahl zusätz-
lich einschränkt: an Design, Gestaltungs-
möglichkeiten und Flexibilität der Räu-
me sowie vor allem an die zentrale Lage.
So wird es für Unternehmen schwieri-
ger, gewünschte Flächen im Innenstadt-
bereich (innerer S-Bahn-Ring) zu finden
und individuell anzumieten. Zentrale Bü-
ros in beliebten Bezirken sind für Start-
ups vor allemwichtig, um für die begehr-
ten Arbeitnehmer, wie Programmierer,
attraktiv zu sein. Ob man einen Stand-
ort in Mitte oder Marzahn hat, ist für vie-
le Unternehmen auch eine Imagefrage.