UNTERNEHMEN & MÄRKTE
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BERLINER WIRTSCHAFT 12/16
Florian Niedermeier schien zunächst von
der Frage überrascht. Was die Markthal-
le Neun mit einem Marktplatz zu tun
hat, hatte sich ihr Geschäftsführer nie
gefragt. Dann antwortete Niedermeier:
„Die Markthalle Neun ist ein Ort, der den
kleinteiligen Lebensmittelhandel zurück
in den Kiez holt, und somit die traditio-
nelle Funktion der Marktplätze erfüllt.“
Dass es ganz unterschiedliche Kon-
zepte von Marktplätzen gibt, kam im 15.
Geschäftsstraßenforum der IHK Berlin
deutlich zur Sprache. Besonders viele
Rückfragen gab es zumVortrag ausWies-
baden – Nanna Beyer vomProjekt „Kiez-
kaufhaus“ zeigte, wie mit Hilfe eines On-
line-Marktplatzes lokale Händler für die
Läden der Innenstadt werben, über eine
gemeinsame Plattformverkaufen und so-
gar per Lastenrad ausliefern lassen.
Ganz so einfach, wie es sich anhört,
ist es aber nicht. Schwierigkeiten lauern
beim Abrechnungsverfahren, der feh-
lenden Bereitschaft der Kunden, für den
Lieferservice zu bezahlen, aber auch bei
der Provisionshöhe für die teilnehmen-
den Händler.
GESCHÄFTSSTRASSENFORUM
Moderne
Marktplätze
Mit welchen Hürden man es zu tun hat,
wenn man als kreatives Netzwerk einen
stationären Laden sucht, berichteten Da-
niela Fleig und Sabine Hülsebus vomBer-
liner Netzwerk für Mode und Nähen Ne-
mona. In Neukölln seien fast 150 Designer
und Produzenten vertreten, die nun un-
ter einemDach agieren. Der Pop-up-Sto-
re in den Neukölln Arcaden, in dem das
Geschäftsstraßenforum auch stattfand,
bringe den Kreativunternehmern Vor-
teile, wie vorhandene Infrastruktur und
Eine Gruppe britischer Einzelhändler hat
im November die deutsche Hauptstadt
besucht. Die Studienreise organisierte die
Association of Convenience Stores (ACS),
die Interessenvertretung von etwa 50.000
kleinen Läden in Großbritannien. Die 30
Teilnehmer besichtigten Supermärkte,
Kaufhäuser und Tankstellenshops sowie
Shops mit neuen Konzepten, wie etwa
Kochhaus und Veganz.
„In Berlin kann man viele der globa-
len Megatrends wie Wellness oder Kauf-
ASSOCIATION OF CONVENIENCE STORES
Die Hauptstadt inspiriert britische Einzelhändler
Christian Wiesenhütter, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, Julia Claren,
Geschäftsführerin Kulturkaufhaus Dussmann, Dr. Franziska Giffey, Bezirksbürgermeisterin von
Neukölln, und die Referenten Sabine Hülsebus, Daniela Fleig, Nanna Beyer, Florian Niedermeier (v. l.)
FOTO: MICHAEL BRUNNER
hohe Kundenfrequenzen. Das Einkaufs-
zentrum profitiert wiederum von neu-
en Zielgruppen, die das Netzwerk mit-
bringt, wie die Centermanagerin Fran-
ziska Krause betonte.
Am regen Austausch beim Get-to-
gether im Klunkerkranich merkte man,
dass das Thema Marktplätze mit der Ver-
anstaltung lange nicht abgeschlossen ist.
EinMarktplatz ist und bleibt eben der Ort,
an dem Menschen zusammenkommen
und gemeinsam handeln.
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HART
verhalten der Millenials gut beobachten“,
sagte dazu Paul Chamberlain, Commer-
cial Director der ACS. Interessant ist für
die britischen Unternehmen, dass gerade
im Food-Bereich die Berliner Konzepte
oft auf eine klare Zielgruppe zugeschnit-
ten sind – eine Inspiration für die Briten.
Die Convenience Stores spielen in
Großbritannien nicht nur eine große Rol-
le in der Nahversorgung, sondern bieten
viele Services, die in Deutschland tradi-
tionell nicht im Laden um die Ecke zu
finden sind. Dazu zählen Bankgeschäfte,
Post- und Versanddienstleistungen, aber
auch Schlüsseldienste.
Ähnlich wie bei den sogenannten
Spätis handelt es sich bei den Conveni-
ence Stores oft umFamilienunternehmen
migrantischer Herkunft und zu 74 Pro-
zent um Existenzgründer.
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