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MEINUNG & MACHER

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BERLINER WIRTSCHAFT 06/17

demokratischen Wirtschaftsgeschichte

unter Nennung wichtiger Ökonomen

der Vergangenheit wie u. a. Karl Schiller

bis hin zur Neuzeit mit Gerhard Schröder,

der sein Verständnis von Sozialer Markt-

wirtschaft, so Schulz, deutlichmitgeprägt

hätte. „Zur deutschen Erfolgsgeschichte

gehörte auch immer das gute Miteinan-

der in der Sozialpartnerschaft“, erklärte

Schulz weiter, und ebenso die „sozialen

Netze für die, die nicht immer mithal-

ten können“. Das gelte heute zum Bei-

spiel für Arbeitnehmer, deren Arbeits-

plätze eventuell durch die fortschreiten-

de Digitalisierungwegfallenwerden. Hier

müsse eine weitere Qualifizierung erfol-

gen – sowohl privat wie in den Unter-

nehmen direkt.

Parität bei der Krankenversicherung

Gerechtigkeit sei eine Voraussetzung für

den Erfolg, meinte Schulz. Ungerechtig-

keit verhindere letztlich den Fortschritt.

„Ich habe denVorschlag gemacht, die Pa-

rität bei der Krankenversicherung wie-

derherzustellen, auch wenn ich hier bei

Ihnen sicher keinen Beifall dafür bekom-

me“, sagte Schulz wörtlich. Und erklärte

Ludwig Erhard Haus als Kulisse

für die erste wirtschaftspoliti-

sche Grundsatzrede des Kanz-

lerkandidaten Martin Schulz. In

der ersten Reihe dabei waren

SPD-Fraktionsvize Hubertus

Heil, IHK-Hauptgeschäftsführer

Jan Eder und IHK-Präsidiums-

mitglied Dr. Eric Schweitzer (v. l.)

dann, wie wichtig es sei, heute schon da-

für zu sorgen, dass Leben undArbeiten in

Deutschland auch in 20 und mehr Jahren

noch sicher und gerecht sein können. Er

zitierte dazu Willy Brandt: „Wer morgen

sicher leben will, muss heute für Refor-

men kämpfen!“

In diesem Sinne appellierte Schulz

dafür, dass unternehmerische Begeis-

terung und Politik sich finden müssen.

Und dass „Deutschland nur eine Zukunft

mit einem starken verarbeitenden Sek-

tor“ haben werde. Ein zentrales Anliegen

seien dabei die Investitionen: Wenn es,

so Schulz, einen Investitionsrückstau von

rund 140 Mrd. Euro in den Kommunen

gebe, dann hieße das im Klartext, „wir

leben von der Substanz“. Schulz weiter:

„Wir verlieren Zeit und Geld im Stau oder

auch durch schlechte Schulen. Wir müs-

sen gerade in Infrastruktur und Bildung

vor allem anderen investieren.“ Der In-

vestitionsstau bei Schulen betrage nach

denWorten von Schulz rund 34 Mrd. Eu-

ro – und dem entgegenzuwirken, sei ei-

ne gesamtstaatliche Aufgabe, die nicht an

„Klein-Klein“ scheitern dürfe. Hier gab

es spontanen Beifall im Foyer des LEH.

Den Ausgang der Wahl in Frankreich

am Vortag nutzte Schulz für ein Plädo-

yer für Europa. „Auch wenn wir im Aus-

land oft wegen unserer hohen Handels-

bilanzüberschüsse kritisiert werden, sage

ich, das ist falsch. Wir müssen uns nicht

für unsere Erfolge schämen. Wir müssen

sogar noch besser werden – und dann

den enormen Investitionsstau überwin-

den. Davon können dann sowohl inlän-

dischewie ausländische Firmen profitie-

ren, die hier wieder investieren können.“

Wie Schulz deutlich machte, sei eine

Stärkung des EU-Binnenmarktes im In-

teresse aller, und so setze seine Strategie

auf „Vorfahrt für Investitionen“.

Digitalisierung soll Chefsache werden

Wie Schulz außerdem in seiner Rede be-

tonte, gehöre die Entbürokratisierung Eu-

ropas zu seinen wichtigen Vorhaben,

auch solle esweniger Repressalien für die

Wirtschaft geben. „Wenn es um die effi-

ziente Verwaltung geht, liegen wir in

Deutschland noch weit hinten“, formu-

lierte Schulz. Daher will der Kanzlerkan-

didat die Digitalisierung zur Chefsache im

Bundeskanzleramt machen. „Wir wollen

Unternehmen unterstützen, die ein

schlüssiges Digitalkonzept vorlegen“, er-

klärte Schulz. Dies solle für kleine und

mittelständische Unternehmen gelten

und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaf-

fen. Natürlich werde die Unterstützung

„wettbewerbskonform“ ausgearbeitet

werden. „Unter meiner Leitung wird es

eine Europa zugewandte Politik geben“,

erklärte Schulz zum Abschluss. Er wolle

ein amDialog mit derWirtschaft interes-

sierter Partner für die Unternehmen sein

und gute Rahmenbedingungen für die

Wirtschaft schaffen.