BERLINER WIRTSCHAFT 06/17
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MEINUNG & MACHER
Wir können heute einiges produzieren, das vor
zwei Jahren noch unmöglich war – aus finanzi-
ellen Gründen. Wir haben intern umstrukturiert.
Wir haben Sendungen aufgegeben, Redaktionen
zusammengelegt und Geld aus anderen Bereichen
des Hauses zusammengekehrt. Auf der anderen
Seite haben wir davon profitiert, dass heute die
Haushaltsabgabe und nicht mehr die GEZ-Gebühr
erhoben wird.
Über Ihre Hörfunkprogramme haben Sie noch nicht ge-
sprochen. Ist da nichts zu tun?
Der Berliner Radiomarkt ist knallhart. Aber unse-
re Sender sind sehr gut profiliert. Wir haben mit
Radioeins ein extrem eigenständiges Programm,
ein exzellentes Inforadio und ein sehr gut ange-
nommenes Kulturradio – sogar mit steigendem
Zuspruch. Die Reform beim Fernsehen ist daher
zunächst vorrangig. Danach werden wir uns auch
die Radioprogramme näher ansehen.
Berlin erlebt im Moment einen echten Boom. Schreit
diese Entwicklung nicht geradezu danach, ein spezi-
elles Format dafür zu entwickeln?
Ja, diese Formate sind aber noch in Arbeit. Wobei
wir Brandenburg keinesfalls aus dem Blick ver-
lieren werden. Die Metropole endet auch nicht
an den Grenzen Berlins. Als Metropole begreifen
wir den großen Ballungsraum Berlin/Potsdam
mit dem Umland. Wie stark die Stadt Berlin und
das Umland zusammengehören, erkennenwir an
den steigenden Pendlerzahlen.Wir haben das vor
Kurzem in einem Pendleratlas dargestellt – das
war Datenjournalismus at its best. Den RBB als
Metropolen-Sender zu positionieren, ist wirklich
eine große Aufgabe, die auch Spaß macht.
Sie sind für Ihren neuen Job von Hamburg nach
Berlin umgezogen. Wie erleben Sie die Wirtschaft in
der Hauptstadt?
Ich bin sehr gern hierhergekommen. Die Ber-
liner Wirtschaft brummt, das spürt man sofort.
Und ich bin sehr offen von Unternehmen und
Verbänden empfangen worden. Ich freue mich
jedes Mal über diese Kontakte. Dabei wird im-
mer sehr deutlich, woran es vielen Firmen der-
zeit mangelt – an Nachwuchs. Ich erhalte immer
wieder Anfragen, ob wir bei der Suche nach Aus-
zubildenden helfen oder medial eine Brücke zwi-
schen Universitätsabsolventen und Unternehmen
herstellen können.
Wie schätzen Sie die BedeutungvonMediatheken oder
den sozialen Medien für den RBB ein?
EinMedienunternehmen, das diese Themen nicht
ganz oben anstellt, ist meiner Ansicht nach nicht
zukunftsfähig. Der RBB hat aber auch schon vor
meiner Zeit dieWeichen richtig gestellt. Wir sind
sehr viel weiter als viele andere Sender. Sie kön-
nen davon ausgehen, dass hier nichts mehr pas-
siert, was nicht auch für Online-Kanäle mitge-
dacht wird. Wir stehen zum Beispiel über Twit-
ter und Facebook immer im direkten Kontakt
zu unseren – an dieser Stelle oft jüngeren – Zu-
schauern. Und zu den Mediatheken: Das zeitun-
abhängige Fernsehenwirdwichtiger. ImMoment
ist aber noch nicht festzustellen, dass die Bedeu-
tung des linearen Fernsehens sinkt.
Wenn es um Online-Angebote geht, sind Ihnen aller-
dings Grenzen gesetzt.
Ja, wir dürfen im Netz längst nicht das machen,
was wir wollen und können. Jeder Text, den wir
ins Netz stellen, muss sendungsbezogen sein. Für
uns wäre dazu eine medienpolitische Diskussion
wichtig, und wir wünschen uns einen zeitgemä-
ßen Telemedienauftrag für das Netz von der Po-
litik. Ich sehe außerdem sehr viele Möglichkeiten
für Kooperationen mit Verlagen.
Kooperieren Sie nicht bereits?
Es gibt zahlreiche projektbezogene Kooperatio-
nen. Zwischen vielen privatenVerlegern und dem
RBB-Intendantin Patricia Schlesinger widmet sich zuerst der Reform des Fernsehens,
danach sollen auch die Radioprogramme des Senders unter die Lupe genommen werden
FOTO: CHRISTIAN KIELMANN
Patricia Schlesinger
meint, dass der RBB in
den neuen Medien die
Weichen schon vor
ihrem Eintritt richtig
gestellt hat.
Hier passiert
nichts mehr,
was nicht
auch für
Online-Kanäle
mitgedacht
wird.




