BERLINER WIRTSCHAFT 03/17
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TITELTHEMA
händlern. Wahrscheinlich fällt nicht we-
nigen Hauptstädtern dabei ein Wort mit
fünf Buchstaben ein: Späti. Der Spätver-
kauf ist eine Institution. Egal, wie ano-
nym die Welt und wie hart der Alltag ist,
der Späti bietet Tiefkühlpizza, Toiletten-
papier und Trost. Bier natürlich auch. Seit
2011 betreibt Seyfettin Polat einen Spä-
ti an der Schönhauser Allee, Partyshop
Berlin hat er seinen Laden genannt, in
dem er vor allem Drehtabak samt Zube-
hör und Getränke verkauft, mehr mit als
ohne Alkohol. Am größten ist die Nach-
frage zwischen 21 und 23 Uhr, amvollsten
ist es freitags und sonnabends, 70 Prozent
der Käufer sind Stammkunden.
Insgesamt gibt es in Berlin ungefähr
1.000 dieser kleinen Läden, die alles ha-
ben, was der Kiez-Bewohner braucht,
wobei das Angebot schwankt. Selbst Spä-
tis mit Bioware gibt es inzwischen, und
wie viele Spätis ein Bezirk beherbergt,
ist für manchen (Neu-)Berliner ein Aus-
wahlkriteriumbei derWohnungssuche –
die Späti-Dichte als Standortfaktor.
Gut angekommen im Kiez ist auch
Milena Glimbovski mit ihrem Laden
„Original Unverpackt“ in der Wiener
Straße im tiefsten Kreuzberg. Die klei-
nen Geschäfte dort tauschen sich unter-
einander aus, es gibt Nachbarschaftsra-
batte und viele Stammkunden. Original
Unverpackt ist möglicherweise der be-
kannteste Laden hier, eine Kiezgröße.
In den Medien ist viel berichtet worden,
selbst Touristen kommen und fotografie-
ren. Offenbar hat die Jungunternehmerin,
die 2014 gestartet ist, einen Nerv getrof-
fen: Verpackungsmüll zu vermeiden.
Bewusst essen, bewusst einkaufen,
bewusst leben ist enorm wichtig. Ama-
zon fresh ist hier kein Thema, es geht um
Überzeugung, wie auch in den vielen
SULAF AHMED
Der Kaufmann betreibt einen Rewe-Supermarkt
an der Potsdamer Straße in Schöneberg
Mein Traum: 1.500 Quadratmeter Verkaufsfläche,
Sushi, ein Imbiss und natürlich Online-Angebote.
Bioläden in der Stadt. „Meine erste Priori-
tät ist“, sagt Glimbovski, „das Unverpack-
te, die zweite bio und die dritte lokal.“ Bis
auf die Club-Mate – „auf die kann man
einfach nicht verzichten“ – und Marme-
lade aus demSpreewald sind die mehr als
600 Produkte Bioware.
Angefangen hat die Geschichte von
Original Unverpackt mit dem Wunsch
etwas zu ändern. „Mich hat dieser ganze
Müll geärgert, den ich immer produziert
habe. Ichwollte eineAlternative“, sagt Mi-
lena Glimbovski. Eigentlich hatte die ge-
bürtige Hannoveranerin eine Ausbildung
zur Mediengestalterin absolviert und an-
schließend an der UdK Gesellschafts-
undWirtschaftskommunikation studiert.
Da bastelte sie allerdings schon mit ih-
rer Mitgründerin SaraWolf am Business-
plan. Nachdem die beiden den Business-
planwettbewerb Berlin-Brandenburg
gewonnen hatten, brach Glimbovski das
Studium ab und wurde Unternehmerin.
SaraWolf stieg nach einem Jahr aus, seit-
dem ist Milena Glimbovski alleine Che-
fin. „Warum soll soll ich den Platz da oben
teilen?“, sagt sie selbstbewusst und stolz,
die harte Anfangszeit geschafft zu haben.
Etwa 15 Mitarbeiter sind jetzt bei ihr
tätig, wenngleich nicht alle inVollzeit, das
ständige wirtschaftliche Auf und Ab der
ersten Zeit hat sich beruhigt. Manchmal
kämen Gleichgesinnte aus anderen eu-
ropäischen Ländern vorbei, erzählt Mi-
lena Glimbovski, die Ähnliches versu-
chen wollen und sich Anregungen holen
möchten.
In großen Spendern, sogenannten
Gravity Bins, werden Nüsse, Müsli, Boh-
nen, Reis, Körner angeboten. Obst und
Backwaren gehören zum Sortiment.
Wasch- und andere Reinigungsmittel
gibt es ebenfalls zum Abfüllen, und Sü-
Nahversorger
Spätis gehören in
vielen Berliner Stadtteilen dazu.
Bei Seyfettin Polat läuft das Ge-
schäft mit Tabak und alkoholi-
schen Getränken am besten
Partyshop Berlin
Seyfettin Polat, Inhaber




