BERLINER WIRTSCHAFT 01/17
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UNTERNEHMEN & MÄRKTE
FOTO: GASAG
170 Jahre Licht und
Wärme für Berlin
Im Jubiläum der Gasag spiegelt sich mit Höhen und Tiefen
auch die deutsche Geschichte wider – vom Kaiserreich über
Krieg und Teilung bis zur Wiedervereinigung
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Von Christine Nadler
Ost-Berlin, 1975: Ein
Leuchtenwärter der
Gasag prüft die
Straßenbeleuchtung
S
chon 1826 konnten sich abend-
liche Spaziergänger erstmals
an einer „überraschend hellen“
Gasbeleuchtung erfreuen: Zwi-
schen Brandenburger Tor und Schloss-
brücke sorgten 26 Gaslaternen für ei-
nen, so damalige Zeitungen, „wunderba-
ren Anblick“. Aber es dauerte noch über
20 Jahre, bis am 1. Januar 1847 die städti-
sche Gasproduktion begann. Dieses Da-
tum gilt als Gründungstag der Gasag (Ber-
liner Gaswerke Aktiengesellschaft), die in
diesem Jahr ihren 170. Geburtstag feiert.
Heute hat Erdgas das Stadtgas
(Leuchtgas) ersetzt. Es kommt u.a. aus
Russland und Norwegen. Über fünf Auf-
nahmestationen fließt es in ein 7.000 Ki-
lometer langes, verzweigtes Rohrnetz.
In ihrer ersten Blütezeit betrieb die
Gasag 33 Gaswerke und 119 größere Gas-
speicher. Ein erstes schweres Tief brachte
dieWeltwirtschaftskrise 1929. Berlin ver-
suchte die Gasag zu verkaufen, tat es aber
nicht. Nach Beginn des ZweitenWeltkrie-
ges stieg die Gasproduktion dann auf Re-
kordhöhen, denn 93 Prozent der Haushal-
te kochten mit Gas, 86.000 Gasleuchten
waren in Betrieb, und 2.500 Nutzfahr-
zeuge fuhren mit Gas. 1945 schien das
Ende der Gasag gekommen zu sein: Al-
le Werke standen still, das Rohrnetz war
zu 99 Prozent zerstört. Sehr mühsamkam
die Gasag wieder auf die Füße, da gab es
1948/49 den nächsten Schlag: ImZuge der
Währungsreformund der Berlin-Blocka-
de wurde mit der Stadt auch die Gasag in
Ost und West getrennt.
Nach dem Mauerfall fusionierte die
Gasag. Aber die umfangreichen Arbeiten
zur Zusammenführung der rund 40 Jahre
getrennten Betriebe verursachten einen
Schuldenberg. 1998/99 erfolgten die Pri-
vatisierung und Gründung von Tochter-
gesellschaften sowie ein deutlicher Ab-
bau von Personal. Heute hat die schlanke
Gasag noch 1.600 Beschäftigte und muss
sich auf einem umkämpften Gas- und
Energiemarkt bewähren.
Der Konzern ist nach wie vor Gaslie-
ferant Nr. 1 in Berlin, setzt aber auch auf
alternative Energieformen wie etwa Fo-
tovoltaik oder Windenergie. Seit 2013 ist
die Gasag ein „Mehrspartenanbieter“ und
verkauft Gas/Wärme, Stromund Energie-
lösungen für die Wohnungswirtschaft.
Frisch und witzig ist der neue Mar-
kenauftritt, mit dem ein Bogen von der
Imagekommunikation zur vertrieb-
lichen Ebene geschlagen wird. Der sym-
pathische Eisbär geht in Teilzeit undwird
nur noch für Sponsoring-Aktivitäten und
Schulkommunikation eingesetzt.
Das Geschäft wird smar-
ter, grüner und dezentra-
ler. Auch wir ändern uns
und zeigen damit, dass
wir viele gute Ideen für
die Zukunft haben.
VERA GÄDE-BUTZLAFF
Vorstandsvorsitzende
der Gasag




