BERLINER WIRTSCHAFT 11/16
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TITELTHEMA
„Diese Autos reagieren
besser als der Mensch“
INTERVIEW
Rings umden Ernst-Reuter-Platz entsteht
ein Testfeld für autonomes Fahren. Wer-
den da bald fahrerlose Autos durch Ber-
lin rollen?
Ilja Radusch:
Fahrerlos werden die
Autos noch nicht sein. Zumindest zur
Sicherheit sitzt bei unseren Tests in
den kommenden Jahren immer noch
ein Mensch im Wagen. Er kann ein-
greifen, wenn das Fahr-
zeug falsch reagiert oder
nicht weiter weiß. Aber
grundsätzlich sollen
die Autos im Testgebiet
selbstständig durch den
Verkehr rollen und auch
anspruchsvolle Aufgaben
wie das dichte Fahren in
einer Kolonne üben.
Was braucht es dafür?
Damit das Kolonnefah-
ren reibungslos funktio-
niert und die Autos auch
bei solch einem gerin-
gen Abstand rechtzei-
tig reagieren, müssen al-
le relevanten Informationen innerhalb
von Millisekunden von einem Fahr-
zeug zum nächsten übertragen wer-
den. Und das klappt nur mit der de-
dizierten Fahrzeug-zu-X Kommuni-
kation oder dem schnellen 5G-Netz,
das rund um den Ernst-Reuter-Platz
als Basistestfeld entsteht. Hier können
Berliner Unternehmen aus allen Bran-
chen neue Anwendungen im öffentli-
chen Raum erforschen.
In 15 Jahren gehören autonom fahrende Autos in Berlin
zum Stadtbild, meint Dr. Ilja Radusch vom Fraunhofer-
Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus)
Die Autos kommunizieren also mitein-
ander?
Genau. Während bei den teilautoma-
tisierten Fahrzeugen die Sensoren le-
diglich zum Beispiel die Abstände zu
den neben- oder vorausfahrendenAu-
tos messen und reagieren, wenn ein
bestimmter Abstand unterschritten
wird, stehen unsere hoch- und voll-
automatisierten Fahrzeu-
ge ständig miteinander in
Kontakt. Zudem stehen
sie auch mit der Infra-
struktur in Kontakt – al-
so zum Beispiel mit den
Ampeln.
Damit sie rechtzeitig bei
Rot anhalten.
Ja, aber auch, damit sie
keine Vollbremsung ma-
chen müssen. Wenn die
Ampel dem Wagen mit-
teilt, wie lange sie noch
grün ist, kann er besser
entscheiden, ob er Gas
geben oder lieber ver-
langsamen soll. Schließlich sollen die
selbstfahrendenAutos die Fahrt ange-
nehmer machen, ohne dabei zumVer-
kehrshindernis zu werden.
Wannwerden die ersten selbstfahrenden
Autos regulär bei uns unterwegs sein?
Das wird gar nicht mehr lange dauern.
Ab 2020 werden die ersten hochauto-
matisierten Fahrzeuge über die Auto-
bahn rollen. Hier ist der Verkehr zwar
sehr schnell unterwegs, aber dafür ist
die Umgebung sehr einfach struk-
turiert. Die Fahrzeuge müssen nicht
abbiegen oder mit unvorhersehbaren
Bewegungen von Fußgängern oder
Radfahrern rechnen. Ab 2030 sollten
die hochautomatisierten Fahrzeuge
auch für den Stadtverkehr gerüstet
sein – anfangs sicher noch mit Un-
terstützung durch denMenschen, der
bei einer Meldung eingreifen muss.
Später werden sie aber alle Situati-
onen selbst meistern. Dann fahren
zum Beispiel Carsharing-Fahrzeuge
nachts selbstständig dorthin, wo wir
sie morgens erfahrungsgemäß am
meisten brauchen und suchen sich
eigenständig Parkplätze.
Und wenn Unvorhersehbares passiert?
Die Fahrzeuge werden dank ih-
rer ausgefeilten Sensorik genau-
so gut, wenn nicht sogar besser auf
sämtliche Situationen reagieren als
die Menschen. Im Gegensatz zu uns
werden sie aber niemals müde oder
abgelenkt sein. Und bei schlechten
Sichtverhältnissen oder schwer ein-
sehbaren Situationen wird das Fahr-
zeug entsprechend vorsichtiger un-
terwegs sein. Die Situationsanalyse
ist gerade ein heißes Forschungsfeld
– da gelingen riesige Fortschritte.
Wie können die Autos vor Cyberangrif-
fen geschützt werden?
Für die Absicherung gibt es be-
reits eine Vielzahl validierter Tech-
niken wie Verschlüsselung oder die
zusätzliche Plausibilisierung durch
die Sensoren im Fahrzeug. Hier ha-
ben die autonomen Fahrzeuge die-
selben Herausforderungen wie zum
Beispiel die Industrie-4.0-Fabriken.
Wir sind bei der Bewältigung der Si-
cherheitsanforderungen also nicht
auf uns allein gestellt. Und gerade bei
der Kommunikation über 5G können
natürlich auch die Mobilfunkbetrei-
ber ihren Beitrag zur Sicherung der
Mobilnetze leisten.
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LEH
DR. ILJA
RADUSCH
Leiter des
Geschäftsbereichs
Automotive Services
and Communication
Technologies (ASCT)
des Fraunhofer-
Instituts Fokus
FOTO: PRIVAT




