UNTERNEHMEN & MÄRKTE
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BERLINER WIRTSCHAFT 06/17
Hüter der Firmengeschichten
In seinem Jahresbericht 2016 gibt das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv (BBWA)
Einblicke in seine Arbeit – und die geht weit über das Aufbewahren hinaus
»
Von Christine Nadler
D
rei Berliner und Bran-
denburger „Industriekul-
turabende“ informierten
im letzten Jahr über den
„Waggonbau in Hennigsdorf“, das „Rei-
seziel Berlin im Wandel der Tourismus-
geschichte“ und über das „Berliner Licht
– Osram historisch“.
Der BBWA-Preis für Berlin-Bran-
denburgische Wirtschaftsgeschich-
te 2016 unter der Schirmherrschaft von
KlausWowereit wurde für Studenten und
Absolventen von Universitäten und Fach-
hochschulen ausgeschrieben. Eine der
eingereichten Arbeiten wird mit einem
Preisgeld von 500 Euro und einer Veröf-
fentlichung prämiert. Die Preisverleihung
findet am 17. November in Berlin statt.
„Kulturverlust droht, wenn nicht ge-
handelt wird, um historische Zeugnisse
und Dokumente zu bewahren“, betont
Prof. Dr. Klaus Dettmer, Vorstandsvorsit-
zender des BBWA. Die Fotos, Briefe und
Pläne von Unternehmen bräuchten einen
Ort, an dem sie systematisch „und nach
den Regeln der Kunst“ bewertet, aufbe-
reitet und für Nutzer zur Verfügung ge-
stellt werden können. „Dieser Ort ist heu-
te das BBWA“, so Dettmer.
Ein Schwerpunkt lag 2016 in der Be-
arbeitung jüngerer Bestände, die nun ab-
geschlossen wurden. Im November letz-
ten Jahres nahm das BBWA Dokumente
der Askania Werke AG in Berlin-Friede-
nau aus den Jahren 1939 bis 1957 entge-
gen. Die Entmetallisierung, Umverpa-
ckung und Erschließung wurden im Be-
richtsjahr durchgeführt, sodass nun die
Findbücher in analoger und digitaler
Form vorhanden sind.
Die Dokumente bieten Informationen
zur komplexen Firmengeschichte, ins-
besondere zur Zeit des Wiederaufbaus.
Nach dem Krieg wurde der ursprüngli-
che Askania-Konzern zerschlagen. Die
2004 neu gegründete Askania AG in Ber-
lin knüpft seit 2006 mit ihren Manufak-
tur-Uhren an die Produkt-Tradition der
alten Askania Werke an.
Fertig aufgearbeitet wurde auch der
Bestand des Lampenherstellers Ehrich &
Graetz, den das HeimatmuseumTreptow
dem BBWA übereignete. Das Unterneh-
men hatte mit zahlreichen Erfindungen
– unter anderem der bis heute bekann-
ten „Petromax“ – großen Erfolg.
Seit 2014wurde der große Dokumen-
tenfundus des Vereins Berliner Kaufleu-
te und Industrieller (VBKI) imBBWA auf-
bereitet. Mit der Übergabe des Findbuchs
an VBKI-Präsident Markus Voigt wurde
diese Arbeit fertiggestellt. Der Aktenbe-
stand zeigt die Geschichte des 1879 ge-
gründeten Vereins von 1948 bis zur Jahr-
tausendwende. Enthalten sind 370 Bü-
cher und Zeitschriften sowie 2.271
Fotografien. Die älteste Archivalie ist ei-
ne Urkunde aus dem Jahre 1331.
Ein Fundus für Forscher und Interessierte
Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv ist Heimat für zahlreiche
Dokumente und Zeitzeugnisse – ein Besuch kann vereinbart werden
INFO
Das BBWA ist eine Forschungseinrichtung
für
die regionale Wirtschaftsgeschichte und In-
dustriekultur und hat die Aufgabe, historische
Quellen von Unternehmen und Verbänden der
beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg
aufzubewahren und für die Öffentlichkeit,
Forschung sowie Kultur- und Bildungszwecke
aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen.
Das BBWA ist ein öffentlich zugängliches
Archiv.
Die Bestände und Sammlungen
privatwirt-
schaftlicher Provenienz können unter Wah-
rung der gesetzlich vorgeschriebenen oder
von den Eigentümern gewünschten Schutz-
fristen eingesehen werden. Es agiert auch als
Rettungsstation für Unterlagen insolventer
oder erloschener Unternehmen. Die bedeu-
tendsten Bestände sind alte Mitgliedsakten
der IHK Berlin, das „Forschungsarchiv Flick“
und das Archiv der Berliner Stadtgüter.
Ein Archivbesuch
kann direkt mit dem BBWA
vereinbart werden. Für die Leistungen des
Archivs über die Grundleistung der Aufbe-
wahrung, Sicherung und Bearbeitung der
Unterlagen hinaus, für die die IHK aufkommt,
werden Entgelte erhoben.
Weitere Informationen unter
www.bb-wa.deBerliner Wirtschaftsschätze lagern im BBWA am Eichborndamm (Foto l.). Wenige kennen sie so
genau wie der Vorsitzende Prof. Dr. Klaus Dettmer (l.) und Geschäftsführer Björn Berghausen
FOTOS: BBWA