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BERLINER WIRTSCHAFT 06/17

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UNTERNEHMEN & MÄRKTE

Mit Rückenwind in

ruhigem Fahrwasser

Die gute Konjunktur in Berlin setzt sich im Frühsommer fort: Das Vertrauen in die Stabilität

globaler Wirtschaftsbedinungen ist wieder gewachsen – Unternehmer sehen die Risiken zurzeit

vor allem am Arbeitsmarkt, dem die Fachkräfte ausgehen

»

Von Christian Nestler

W

er trockene Themen

verkauft, bemüht

gern saftige Meta-

phern. Kein Wunder

also, dass Nachrichten aus der eher sprö-

den Welt der Konjunkturanalyse reich-

lich mit satten Bildern illustriert werden.

Vor allem der Rückgriff auf den mariti-

men Kanon ist beliebt. Da bekommt die

Wirtschaft Rückenwind, eine frische Bri-

se fährt in den Export, die Unternehmen

halten Kurs oderweichen in kühnemMa-

növer Sandbänken aus. Manchmal braut

sich amHorizont auch ein Taifun zusam-

men, Blitze zucken, und Donner grollt.

„All Hands on Deck!“ heißt es dann. So

sinnig solche Panoramen seinmögen, sie

sagen wenig darüber, was in der Wirt-

schaft, in den Unternehmen geschieht.

Interne und externe Nachfrage steigt

Im Frühsommer 2017 setzt sich die gu-

te Konjunktur in Berlin fort. Es ist dies

aber keine „ruhige See“, und kein Unter-

nehmen „fährt unter vollen Segeln“. Und

die 481 in der Konjunkturumfrage befrag-

ten Unternehmen sorgen sich auch nicht

wegen möglicher „Untiefen“. Vielmehr

wächst die interne und externe Nachfra-

ge – wie seit Jahren schon – auch in den

ersten Monaten des laufenden Jahres.

Und sie wird, aller Voraussicht nach,

auch in den kommenden Monaten ex-

pandieren. Daraus resultieren sehr gu-

te Einschätzungen zu den aktuellen

und prognostizierten Geschäften. Dafür

zeichnen zwei wesentliche Faktoren-

bündel verantwortlich: einerseits intrin-

sische Faktoren – also Berlins Struktur

und Dynamik. Andererseits externe, un-

abhängige Einflussgrößen, unter denen

die Geldpolitik im internationalen Um-

feld nur eine, wenn auch die aktuell viel-

leicht wichtigste ist.

Noch zu Jahresbeginn waren vie-

le Unternehmen weniger zuversichtlich

gestimmt. Damals – die Befragung fand

im Dezember und Januar statt – deute-

te sich eine deutliche Verschlechterung

der globalenWirtschaftsbedingungen an.

Der Ölpreis machte einen Satz nach oben,

Trumps Wahl schien eine rasche Beein-

trächtigung desWelthandels zur Folge zu

haben. Die daraus erwachsenen Sorgen

haben sich jedoch nicht oder nurwesent-

lich schwächer als befürchtet realisiert.

Aktuell scheinen die meisten der be-

fragten Unternehmen solche externen

Schocks als wesentlich unwahrschein-

licher einzustufen. Risiken werden eher

amdeutschen und Berliner Arbeitsmarkt

gesehen: Das Risiko, geeignete Fachkräfte

in Zukunft nicht oder nur zu sehr hohen

Kosten zu gewinnen, treibt 58 Prozent der

Unternehmen um. Und die allgemeine

wirtschaftspolitische Agenda bereitet 54

Prozent der am Standort Berlin befragten

Unternehmen Kopfzerbrechen.

Jedoch vermögen diese Sorgen es

nicht, den branchenübergreifenden Op-

timismus zu gefährden. In der Industrie

ist man wesentlich zuversichtlicher ge-

stimmt als zu Jahresbeginn; dergleichen

im Bau- und im Handelsgewerbe. Al-

lein die Dienstleister leisten sich ein Mi-

nimum an zusätzlicher Skepsis – doch

vor dem Hintergrund des seit Jahren in

der Branche ausgeprägten Optimismus

ist dieser kleine Einschnitt nicht als Pro-

gnose für bremsende Geschäfte in den

kommendenMonaten zuwerten. Für sol-

che übervorsichtigen Erwartungen gibt es

aktuell auch keinen soliden Grund: Die

Lohn- und generelle Arbeitsmarktent-

wicklung amStandort ist gut; die dadurch

gesteigerte Nachfrage ist eine Hauptstüt-

ze für das Berliner Wachstum.

Personalplanungen optimistisch

Entsprechend fallen auch die Perso-

nalplanungen optimistisch aus. Der In-

dikator gewinnt elf Zähler hinzu und

steigt damit auf 31 Punkte. Das ist einer

der höchsten Werte der gesamten Zeit-

reihe. Einen kräftigen Impuls dafür lie-

fert die Berliner Industrie, die nach aus-

geprägter Zurückhaltung zu Beginn des

Jahres nun wieder Personal aufbauen

möchte.

Weiterhin expansiv sind die Planun-

gen in allen Dienstleistungsbranchen,

wenn auch unterschiedlich stark ausge-

prägt. So planen 31 Prozent der Händler,

zusätzliche Stellen zu schaffen. Im Gast-

gewerbe sind es nur elf Prozent, wäh-

rend es vor einigen Jahren bis zu 40 Pro-

zent waren. Dies mag ein Hinweis darauf

sein, dass das Expansionstempo im Ber-

lin-Tourismus abnimmt. Insgesamt aber

läuft der Jobgenerator an der Spree hoch-

tourig – wie seit Jahren schon. Die Be-

dingungen für die Schaffung vonArbeits-

75%

der Befragten

planen zu investieren. Das sind

vier Prozentpunkte mehr als noch zu Beginn

dieses Jahres und deutlich mehr als vor zwei

oder drei Jahren. Dabei ist weiterhin mehr als

die Hälfte der Investitionsplanungen expansiv