BERLINER WIRTSCHAFT 06/17
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NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE
WERAN EINEM
EXITVERDIENT
W
enn ein Gründer sein
Start-up verkauft, wird
das Geld nicht nur nach
den prozentualen Anteilen verteilt –
wichtig sind die Liquidation Preferen-
ces. Nur was sind faire Regeln?
Die Gründer von einem venture-ca-
pital-finanzierten Start-up können sich
schnell als Papiermillionär bezeichnen.
Nach einer Finanzierungsrunde mit ei-
ner Post-Money-Bewertung von zehn
Mio. Euro rechnet sich der Unterneh-
mer vor: „Ich halte 60 Prozent an einem
Unternehmen, das insgesamt zehn Milli-
onen wert ist – also bin ich sechsfacher
Millionär!“ Dabei vergisst er eine ganze
Reihe von Faktoren, darunter die Liqui-
dation Preferences. Denn haben die Geld-
geber in dem Beispielfall etwa vier Mio.
Euro investiert und eine 1,5-fache, nicht
anrechenbare Liquidationspräferenz ver-
einbart, heißt das:
• bei einem Exit von zehn Mio. erhalten
die Investoren ihr Investment in 1,5-fa-
cher Form zurück (sechs Mio.)
• von den verbleibenden vier Mio erhal-
ten die Investoren weitere 40 Prozent
• der Gründer bekommt demnach 2,4
Mio. Euro – und keine sechs Mio.
Der Sinn von Liquidation Preferences
Im Grunde regeln Liquidation Preferen-
ces, wie und in welcher Reihenfolge sich
die Erlöse im Liquidationsfall des Unter-
nehmens verteilen, das heißt: wennmehr
als 50 Prozent der Unternehmensanteile
verkauft werden. Die Regeln legen fest,
welchen Anteil die Investoren aus den
verschiedenen Finanzierungsrunden er-
halten, und sie kommen dabei zum Tra-
Gründer eines Start-ups, das mit Venture Capital finanziert wurde,
können sich schnell als Papiermillionär bezeichnen. Was wirklich
übrigt bleibt, regeln die Liquidation Preferences
»
Von Nikolas Samios
Jeder Investor, der in derVerhandlung mit
Gründern behauptet, dass etwas anderes
marktüblich sei, sollte sich Gedanken da-
rüber machen, ob er so letztlich nur Deals
mit unerfahrenen Gründern abschließt –
oder mit jenen ohne Alternative.
Unausgeglichene Vereinbarungen
Selbst erfahrene Unternehmer lassen
sich hin und wieder auf höhere Liquida-
tionspräferenzen ein. Dabei sind höhere-
Präferenzen etwa mit einem Faktor grö-
ßer als 1 oder der Nicht-Anrechenbarkeit
meist eine Gegenreaktion von Investo-
ren auf überzogene Bewertungsvorstel-
lungen der Gründer oder Altgesellschaf-
ter. In diesen Situationen ist die Motivati-
on des Investors nachvollziehbar: Er sieht
bei einem Deal nur eine Bewertung von
pre-Money 20 Mio. Euro, der Gründer be-
steht aber auf 30 Mio. Ist eine Einigung
nicht möglich, kann eine nicht anrechen-
bare Liquidationspräferenz eine Brücke
darstellen. In diesem Fall sind sich also
beide Seiten bewusst, was sie eingehen.
gen, egal, ob es sich um einen Notverkauf
oder einen Traum-Exit im dreistelligen
Millionenbereich handelt.
Faire Form der Liquidation Preferences
Einfache Präferenzen mit Anrechnung
sind in aller Regel eine faire Form der Li-
quidation Preference und Standard bei
Venture-Capital-Finanzierungen. Denn
sie dienen ausschließlich dem Schutz der
Investoren in Verkaufssituationen unter
dem Firmenwert, den der Gründer ih-
nen verkauft hat, haben jedoch bei hö-
heren Exits keinen weiteren wirtschaft-
lichen Effekt, da unterm Strich für al-
le Gesellschafter ihr prozentualer Anteil
am Exit-Erlös wieder ihrem prozentua-
len Anteil am Stammkapital entspricht.
Bei dem Einstiegsbeispiel von ei-
nem Zehn-Millionen-Exit würde der
Gründer entsprechend mehr vom Ku-
chen abbekommen: Der Investor er-
hält seine vier Millionen zurück (ein-
fache Form) und bekommt im zweiten
Schritt kein Geld mehr, weil die vier Mil-
lionen mit angerechnet werden. Eben-
falls gängig ist der Aufbau als „Stack“
nach dem Motto „last in, first out“. Das
bedeutet: Der chronologisch letzte In-
vestor bekommt als Erstes sein Invest-
ment zurück, danach der vorletzte usw.
Dies basiert auf der Annahme, dass die
neu hinzukommenden Investoren einen
Informationsnachteil gegenüber denAlt-
gesellschaftern haben und daher beson-
deren Schutzes bedürfen. Hält das Start-
up-Team also sein Versprechen von gro-
ßemWachstum und lukrativem Exit, hat
die einfache Liquidation Preference mit
Anrechnung keine Nachteile für sie.
Vor einem Exit rechnet
sich jeder Gründer aus,
wie viel vom Kuchen
übrig bleibt
FOTO: ULLSTEIN BILD - WESTEND61 / TOM CHANCE