NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE
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BERLINER WIRTSCHAFT 06/17
LINK ZUR GRÜNDERSZENE
Der ungekürzte Text ist zu
finden unter:
www.gruenderszene.deentsprechend zuerst ausbezahlt werden,
verwässert sich der Seed-Investor mit zu
rigorosen Liquidation-Preference-Forde-
rungen also in Zukunft selbst. Mein Rat
an die Gründer: Bei den Bewertungsfor-
derungen nicht übertreiben, aber im Ge-
genzug auch nur einfache, anrechenbare
Liquidationspräferenzen zulassen.
Die Praxis in Deutschland
Für eine Analyse habenwir einen Blick in
das Portfolio der German Startups Group
geworfen, das mit über 50 durchgeführ-
ten Investments eine gewisse statistische
Aussagekraft besitzt. Elf der Start-ups las-
sen sich der Seed-Phase zuordnen, 22 der
Early-Stage- und 17 der Growth-Phase.
In dem Portfolio befinden sich etwa De-
liveryHero, Onefootball und Scalable Ca-
pital. Dabei könnten die Cap Tables nicht
unterschiedlicher aussehen: Zwei bis 60
Gesellschafter sind pro Unternehmen
beteiligt. Im Durchschnitt sind es 20 An-
teilseigner.
Ein Blick auf die Liquidation Prefe-
rences in den Verträgen zeigt, dass diese
marktüblich sind. In 22 Prozent der Fälle
sind sie allerdings nicht vorhanden. Äu-
ßerst selten, nämlich nur in einem Fall,
weisen Liquidation Preferences einen
Faktor auf, der größer ist als 1. Nur bei je-
der zehnten Regelung kommt eine Verz-
insung zum Einsatz. Tatsächlich über-
wiegt in den meisten Fällen die sanfte
Form der Liquidation Preference. Von al-
len Unternehmen, deren Verträge über-
haupt Liquidationspräferenzen aufwei-
sen, sind 72 Prozent anrechenbar.
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Dieser (hier gekürzte) Beitrag erscheint in der
Reihe Deal Terms auf Gründerszene, in der grund-
legende Begriffe eines Venture Deals erklärt wer-
den. Der Autor Nikolas Samios, CEO der Coope-
rativa Venture Group, schreibt aktuell an einem
Buch mit dem Titel
„Dealterms.VC“, in dem er ver-
sucht, die Hintergründe von Venture-Capital-Fi-
nanzierungen leicht verständlich zu erklären.
Anders gestaltete Liquidationspräfe-
renzen sieht man vor allem in Turn-
around-Situationen, also wenn es Unter-
nehmen schlecht geht. Nach außen soll
dadurch der Eindruck einer Downround
– einer Unternehmensabwertung – ver-
mieden werden. Kurzfristig können sol-
che Maßnahmen in Sonderfällen durch-
aus Sinn ergeben. Langfristig lassen sich
diese Vereinbarungen allerdings nicht
verheimlichen und müssen von Finanz-
investoren in ihren Abschlüssen bei der
Ermittlung des „Fair Value“ einer Beteili-
gung auch berücksichtigt werden.
Unausgeglichenheit schadet allen
Kein Gründer möchte sein unternehme-
risches Baby verkaufen, wenn er Gefahr
läuft, mit einem minimalen Anteil oder
gar keinem Erlös aus einem Exit hervor-
zugehen. Spätestens wenn sich also ein
Exit-Szenario abzeichnet, wird sich ein
Gründer ausrechnen, wie viel vom Ku-
chen er abbekommt, und anschließend
unter Umständenwesentlichweniger be-
reit sein, sein Start-up zu den für ihn be-
scheidenen Konditionen zu verkaufen.
Wichtig ist dabei auch der Umstand,
dass beimExit einer intakten Gesellschaft
der Käufer in aller Regel großenWert auf
denVerbleib des Führungsteams, zumin-
dest für eine gewisse Zeit, legenwird. Das
bedeutet: Egal wie die Stimmrechte ver-
teilt sind, wird es für die Gesellschafter so
gut wie unmöglich sein, einen angemes-
senen Verkaufspreis zu erzielen, wenn
die geschäftsführenden Gründer nicht
gewillt sind, nach dem Exit das Unter-
nehmen für eine gewisse Zeit zu führen.
Weiterhin können Investoren sich
durch Liquidation Preferences auch
selbst in einewirtschaftlich schlechte Po-
sition manövrieren. Besteht ein Investor
in der Seed-Runde auf einer nicht anre-
chenbaren Liquidationspräferenz, kann
er sich sicher sein, dass kein folgender
Investor schlechter dastehen möchte als
der vorherige. Da im Regelfall die Inves-
toren in jeder folgenden Finanzierungs-
runde eine Stufe höher stehen und dem-