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MEINUNG & MACHER

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BERLINER WIRTSCHAFT 04/17

D

as Gründerteam von Et-

venture will Unternehmen

auf dem Weg in die digi-

tale Transformation un-

terstützen und geht dabei eigene Wege:

Neben der Beratung sind sie selbst eine

Start-up-Schmiede. Ihr Fokus liegt nicht

nur auf größeren Unternehmen, sondern

auch auf demMittelstand. Zwar sind Ber-

liner Kunden noch Mangelware, Philipp

Herrmann ist dennoch der Meinung, dass

die Hauptstadt der ideale Unternehmens-

sitz ist.

BerlinerWirtschaft:

Warumhaben Sie Ihr

Unternehmen in Berlin angesiedelt?

Philipp Herrmann:

Wir haben es zu-

nächst gar nicht in Berlin angesiedelt,

sondern Ende 2010 zunächst in Mün-

chen gegründet. Aber bereits 2011 ha-

ben wir auch den Standort in Berlin er-

öffnet. In den vergangenen Jahren gab es

hier das stärkste Wachstum und es sind

in der Breite die meisten Geschäftsberei-

che der Etventure Holding angesiedelt,

daher ist Berlin ganz natürlich zur Un-

ternehmenszentrale gewachsen.

Welche Gründe haben Sie zum Umzug

bewogen?

Zwei Gründe sind wesentlich. Neben

der Beratung gründen wird auch eige-

ne Start-ups. In Berlin haben wir da-

für den besten Zugang zu Talenten. Das

sind nicht nur Berliner – viele kom-

men auch aus dem Ausland oder ande-

ren deutschen Städten zu uns nach Ber-

lin. Der zweite Grund ist das Image und

die Glaubwürdigkeit, die wir durch den

Standort Berlin erhalten. Viele unserer

Kunden haben ihren Sitz in ländliche-

ren Regionen undwollenmit ihren Digi-

tal-Töchtern oder -Projekten raus aus der

Provinz. Sie haben gern einen Partner,

der aus der Start-up- und Digital-Met-

ropole Berlin kommt.

WarumbauenUnternehmen ihre Digital-Ak-

tivitäten nicht am eigenen Standort auf?

Die Idee ist, dass die neuen digitalen Ge-

schäftsmodelle sich in einem geschütz-

ten Raum besser entwickeln lassen, als

wenn die Nähe zur Konzernzentrale

zu groß ist. Ideal ist eine Digitaleinheit

standortunabhängig auszugründen. Ein

Beispiel ist Klöckner & Co SE, die ihre Di-

gitaltochter Klöckner.i mit unserer Hilfe

in Berlin aufgebaut hat. Es gibt aber auch

Unternehmen, denen die Anbindung an

das Stammhaus und an das Kerngeschäft

wichtiger ist und die lediglich einen an-

deren Stadtteil oder eine Nachbarstadt

als Standort für ein eigenes Start-up

wählen. Letzteres beobachtenwir derzeit

häufiger. Egal, ob nah am Unternehmen

oder als Ausgründung – wichtig ist, dass

diese Einheit unabhängig von bestehen-

den Prozessen und Strukturen der Kern-

organisation ist und nach eigenen Regeln

und Methoden arbeiten kann.

Also sinkt die Attraktivität von Berlin als

Digital-Standort für Unternehmen?

Nein, wir sind nach wie vor der Mei-

nung, dass der Standort Berlin genau

richtig für uns ist. Unsere Kunden kom-

men sehr gern hierher, um Projekte vor-

anzutreiben. Viele arbeiten ein paar Tage

bei uns in unseren Räumen. Aber früher

war tatsächlich etwas häufiger zu hören,

dass die Start-ups und Projekte unbe-

dingt in Berlin angesiedelt werden müs-

sen. Unternehmen gehen heute indivi-

duelle Wege. Die einen wollen ein ganz

neues digitales Business-Modell entwi-

ckeln, die anderen möchten die digitale

Transformation ihrer bestehenden Ge-

schäfte. Letzteres nimmt zu und spiegelt

sich in der Standortwahl wider.

Was raten Sie als Berater, wenn ein neuer

Kunde Sie nach dem bestenWeg in die digi-

tale Transformation fragt?

Zunächst haben wir auch nur ein wei-

ßes Blatt Papier vor uns. Wir müssen zu-

nächst das Unternehmen und seine Ge-

schäftsmodelle kennenlernen. Dafür

bauen wir mit dem Kunden zusammen

ein Team auf, das in der Regel aus drei bis

fünf Beratern von uns und ein bis zwei

Mitarbeiter vom Kunden besteht. Inner-

halb von drei bis sechs Monaten ermittelt

dieses Team alle relevanten Trends und

Technologien und klärt welche Start-

ups es in diesem Geschäftsumfeld be-

reits gibt. Wir loten die Chancen und die

Risiken aus. Wobei: Als klassischer Bera-

ter verstehen wir uns nicht.

Sondern?

Es ist uns klar, dass man uns als Berater

bezeichnen wird, weil wir mit Beratern

verglichen werden und konkurrieren.

Wir haben aber vor allem eine hohe Um-

setzungskompetenz. 75 Prozent unserer

Leute – imBeratungsgeschäft – sind kei-

ne Berater, sondern sind Start-up-Bau-

er, die für Unternehmen Geschäfte ent-

wickeln und umsetzen. Das ist mir ganz

wichtig: Wir produzieren keine Folien

wie klassische Berater, wir setzen Ge-

schäftsmodelle um. Das ist unsere Gene-

tik und unterscheidet uns von anderen.

Sind Ihre Kunden von diesem Vorgehen

schnell überzeugt?

Ja, es gibt ja kaumeineAlternative. ImZu-

ge der Digitalisierung ist es nicht mehr

»

Philipp Herrmann ist einer von drei Gründern und Geschäftsführern

der Unternehmensberatung Etventure. Er berät nicht nur, er baut

mit seinen Kunden auch Start-ups auf

»

Von Michael Gneuss

„Der digitale

Blick auf Kunden

wird wichtig“

INTERVIEW DES MONATS

FOTO: CHRISTIAN KIELMANN