BERLINER WIRTSCHAFT 03/17
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AUS- & WEITERBILDUNG
Das Ziel: Kein Azubi darf
verloren gehen!
Unternehmen wollen ausbilden. Damit keine Plätze unbesetzt bleiben, fordert die IHK Berlin vom
Senat konkrete Schritte. Die sechs Punkte der bildungspolitischen Agenda
»
Von Sandra Trommsdorf
B
ei der Verkündung der IHK-
Ausbildungsbilanz 2016 En-
de Januar resümierte IHK-
Hauptgeschäftsführer Jan
Eder: „Unternehmen wollen ausbilden,
sie benötigen dringend beruflich qualifi-
zierte Fachkräfte. Das spiegelt sich deut-
lich in den 14.804 von der Berliner Wirt-
schaft angebotenen Ausbildungsplätzen
wider – ein Rekordniveau.“
Aber trotz Allzeithoch bei den Plät-
zen ging die Zahl der abgeschlossenen
Ausbildungsverträge bei der IHK Ber-
lin 2016 um 2,4 Prozent zurück. „Es ist
höchste Zeit zu handeln“, so Eder weiter
und nahm damit den neuen Berliner Se-
nat in die Pflicht.
Die IHK fordert vom Berliner Senat
eine klare Bildungspolitische Agenda. Die
Punkte auf einen Blick:
1. Duale Ausbildung stärken
Die Leitidee muss sein: Mehr Fokus auf
die duale Berufsbildung im Land Berlin.
Dies gelingt nur, wenn die Steuerung der
beruflichen Bildung insgesamt deutlich
verbessert wird. Der neue Senat lässt je-
doch bisher keine Bereitschaft erkennen,
die auf zwei Senatsverwaltungen verteil-
ten Zuständigkeiten für berufliche Bil-
dung in der Hand einer Senatsverwal-
tung zu bündeln. Dies würde die Steue-
rung der dualen Ausbildung verbessern.
Die IHK Berlin regt darüber hinaus
an, die Gründung einer Landeseinrich-
tung bzw. eines Landesinstituts für be-
rufliche Bildung erneut auf die politische
Agenda zu setzen. Gute Vorbilder aus an-
deren Bundesländernwie Hamburg kön-
nen hier zur Orientierung dienen.
In den Gremien eines neuen Landesins-
tituts würden Schul- und Arbeitsverwal-
tung und die dualen Partner in allen Be-
langen der beruflichen Bildung zusam-
menwirken.
2. Konsens statt Griff zur „Ausbildungs-
platzabgabe“
Die Leitidee muss sein: Die positive Ent-
wicklung auf dem Berliner Ausbildungs-
markt stärken. Das Angebot an Ausbil-
dungsplätzen lag Ende September 2016
mit 14.804 Plätzen auf Rekordniveau.
Zur gleichen Zeit hat die Zahl der unbe-
setztenAusbildungsplätze mit 1.211 einen
neuen Höchstwert erreicht.
Wer diese Entwicklung auf demAus-
bildungsmarkt missachtet und Betriebe
mit einer Sonderabgabe belastet, schafft
keine neuen Ausbildungsplätze, sondern
befeuert einen Kulturkampf der Wirt-
schafts- und Sozialpartner. Die neue
Landesregierung sollte daher nicht in die
politische Mottenkiste greifen, sondern
einen Ausbildungskonsens der Berliner
Ausbildungsmarktakteure anstreben so-
wie ihre Hausaufgaben in der Bildungs-
politik angehen.
Dazu zählen: eine Qualitätsoffensi-
ve für die Schulen anpacken und in die
aufsuchende Beratung von unversorgten
Jugendlichen investieren. Die Jugendbe-
rufsagentur mit den erforderlichen Fi-
nanzen hierfür auszustatten, wäre der
richtige Weg.
3. Jugendberufsagentur durch weitere
Reformen stärken
Die Leitidee muss sein: Kein Jugendlicher
darf „verloren gehen“, kein Ausbildungs-
platz unbesetzt bleiben. Mit der Grün-
dung einer Jugendberufsagentur sowie
der Einrichtung von Berufs- und Studi-
enorientierungsteams an Berliner Schu-
len hat sich Berlin auf einen guten Weg
gemacht, um Jugendliche am Übergang
in die Ausbildung besser zu erreichen.
Anders als Hamburg hat Berlin noch
keinen Überblick darüber, wie vie-
le Schulabgänger mit Vermittlungsvor-
schlägen nicht erreicht werden. Ber-
lin muss daher die Verbleibe der Schul-
abgänger systematisch erfassen. An der
Einführung eines 11. Berufsschulpflicht-
jahres sollte festgehaltenwerden. Die Ju-
Berlin braucht Aus-
zubildende! Die IHK
Berlin setzt sich für
ein klares Vorgehen
der Politik ein




