BERLINER WIRTSCHAFT 02/17
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TITELTHEMA
„Berührungsängste
gibt es kaum noch“
INTERVIEW
Berliner Wirtschaft:
Herr Oelrich, was
macht die Gesundheitswirtschaft in der
Hauptstadtregion so bedeutsam und so
innovativ?
Stefan Oelrich:
Sie ist allein schon
deshalb von Bedeutung, weil Gesund-
heit der wichtigste Wirtschaftsfaktor
für die gesamte Region Berlin und
Brandenburg ist. Innovationen erge-
ben sich vor allem durch
die einzigartige Wissen-
schaftslandschaft, die
wir in Berlin und auch
in Brandenburg haben –
denken Sie bloß an die
Charité, das Max-Del-
brück-Centrum oder das
Berlin Institute of Health.
Was bringen die neuen Al-
lianzen zwischen Wissen-
schaft, Kliniken und Wirt-
schaft, zu der ja auch die
Pharmaunternehmen ge-
hören? Wären solche Ver-
netzungen schon früher denkbar gewe-
sen?
Ich habe es mir als Sprecher des Clus-
ters Gesundheitswirtschaft zur Aufga-
be gemacht, die Wissenschaft mit der
Wirtschaft auf Augenhöhe zu verbin-
den. Obwohl wir allesamt im Wett-
bewerb stehen, ist doch bei allen Ak-
teuren die Einsicht da, dass wir nur
gemeinsam unser Ziel erreichen, um-
fassend für Public Health, also ein ge-
sundes Leben, zu sorgen. Und Be-
rührungsängste gibt es kaum noch.
Sanofi-Manager und Cluster-Sprecher Stefan Oelrich über
Gesundheit als Top-Wirtschaftsfaktor der Region, die Rolle
von Start-ups und den notwendigen Technologietransfer
Denn gerade pharmazeutische Un-
ternehmen brauchen wissenschaftli-
che Grundlagenforschung, brauchen
Forschungskooperationenmit öffent-
lichen Institutionen wie zum Beispiel
der Charité. Umgekehrt benötigen die
Versorger oder die Krankenkassen
auch Leistungen aus der Privatwirt-
schaft.
Wie entstehen solche Ko-
operationen?
Die ergeben sich immer
häufiger aus der Einsicht,
dass eine solche Zusam-
menarbeit komplemen-
tär ist, dass man sich also
ergänzt. Während früher
fast immer die Kliniken
von der Industrie mit
Forschungsarbeiten be-
auftragt wurden, wird
jetzt translationale For-
schung betrieben. Das
heißt, dass nun interdis-
ziplinäre Teams Hand in Hand daran
arbeiten, beispielsweise ein Krank-
heitsbild in eine medizinische Lösung
zu übersetzen. Da gibt es nicht nur ge-
meinsame Forschungslabore, da er-
folgt auch die spätere Verwertung der
Patente gemeinsam.
Welche Aufgabe hat das Cluster Gesund-
heitswirtschaft Berlin-Brandenburg?
Wer kann sich an Sie wenden?
Wir unterstützen zum Beispiel Un-
ternehmen bei Ansiedlungsvorhaben
oder der Suche nach geeigneten Part-
nern, vermitteln Kontakte zu Behör-
den, Banken oder Verbänden, infor-
mieren über Fördermöglichkeiten
oder helfen bei der Rekrutierung von
Fachkräften.Wir haben für alle Inter-
essierten zwei Hotlines eingerichtet:
Für Berlin ist das die Telefonnum-
mer 46302-463, für Brandenburg die
0331 / 20029-255.
Welche Rolle spielt die junge Start-up-
Szene Berlins gerade für die Gesund-
heitswirtschaft der Region?
Noch spielen Start-ups keine all-
zu große Rolle in Behandlung und
Versorgung oder in der pharmazeu-
tischen Industrie – sie entwickeln
Apps, die Verhalten beeinflussen, an
die Arzneimitteleinnahme erinnern
oder Patienten in der Nachsorge trai-
nieren. Je weiter sie aber in die Ge-
sundheitswirtschaft integriert sind,
desto mehr werden sie dafür leis-
ten können. Andererseits entstehen
neue Start-ups auch nach Techno-
logietransfers – wenn zum Beispiel
Unternehmen ausgegründet werden,
die die neuen Produkte und Patente
vermarkten und verwerten.
Wie wirkt sich die zunehmende Digita-
lisierung auf die Gesundheitswirtschaft
aus? Wie profitieren davon Ärzte und
Patienten, wieWissenschaftler und Un-
ternehmer?
Ich glaube, dass wir imGesundheits-
bereich immer mehr nach demOut-
come schauenwerden und nicht wie
bisher nach dem Input. Damit stel-
len wir den Patienten mehr als bis-
her ins Zentrum unseres Handelns.
Input bedeutet bislang, was ein Pa-
tient in der Notaufnahme kostet, wie
viel einArzneimittel undwie viel ein
medizinisches Hilfsprodukt. Und es
wird nicht unbedingt bewertet, was
am Ende als Resultat herauskommt.
Künftig wird es zunehmend darum
gehen, dieses Resultat zu optimieren,
natürlich auch zumNutzen des Pati-
STEFAN
OELRICH
Sanofi-Manager
und Sprecher des
Clusters Gesund-
heitswirtschaft
FOTO: ELKE A. JUNG-WOLFF