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BERLINER WIRTSCHAFT 02/17

16

TITELTHEMA

„Berührungsängste

gibt es kaum noch“

INTERVIEW

Berliner Wirtschaft:

Herr Oelrich, was

macht die Gesundheitswirtschaft in der

Hauptstadtregion so bedeutsam und so

innovativ?

Stefan Oelrich:

Sie ist allein schon

deshalb von Bedeutung, weil Gesund-

heit der wichtigste Wirtschaftsfaktor

für die gesamte Region Berlin und

Brandenburg ist. Innovationen erge-

ben sich vor allem durch

die einzigartige Wissen-

schaftslandschaft, die

wir in Berlin und auch

in Brandenburg haben –

denken Sie bloß an die

Charité, das Max-Del-

brück-Centrum oder das

Berlin Institute of Health.

Was bringen die neuen Al-

lianzen zwischen Wissen-

schaft, Kliniken und Wirt-

schaft, zu der ja auch die

Pharmaunternehmen ge-

hören? Wären solche Ver-

netzungen schon früher denkbar gewe-

sen?

Ich habe es mir als Sprecher des Clus-

ters Gesundheitswirtschaft zur Aufga-

be gemacht, die Wissenschaft mit der

Wirtschaft auf Augenhöhe zu verbin-

den. Obwohl wir allesamt im Wett-

bewerb stehen, ist doch bei allen Ak-

teuren die Einsicht da, dass wir nur

gemeinsam unser Ziel erreichen, um-

fassend für Public Health, also ein ge-

sundes Leben, zu sorgen. Und Be-

rührungsängste gibt es kaum noch.

Sanofi-Manager und Cluster-Sprecher Stefan Oelrich über

Gesundheit als Top-Wirtschaftsfaktor der Region, die Rolle

von Start-ups und den notwendigen Technologietransfer

Denn gerade pharmazeutische Un-

ternehmen brauchen wissenschaftli-

che Grundlagenforschung, brauchen

Forschungskooperationenmit öffent-

lichen Institutionen wie zum Beispiel

der Charité. Umgekehrt benötigen die

Versorger oder die Krankenkassen

auch Leistungen aus der Privatwirt-

schaft.

Wie entstehen solche Ko-

operationen?

Die ergeben sich immer

häufiger aus der Einsicht,

dass eine solche Zusam-

menarbeit komplemen-

tär ist, dass man sich also

ergänzt. Während früher

fast immer die Kliniken

von der Industrie mit

Forschungsarbeiten be-

auftragt wurden, wird

jetzt translationale For-

schung betrieben. Das

heißt, dass nun interdis-

ziplinäre Teams Hand in Hand daran

arbeiten, beispielsweise ein Krank-

heitsbild in eine medizinische Lösung

zu übersetzen. Da gibt es nicht nur ge-

meinsame Forschungslabore, da er-

folgt auch die spätere Verwertung der

Patente gemeinsam.

Welche Aufgabe hat das Cluster Gesund-

heitswirtschaft Berlin-Brandenburg?

Wer kann sich an Sie wenden?

Wir unterstützen zum Beispiel Un-

ternehmen bei Ansiedlungsvorhaben

oder der Suche nach geeigneten Part-

nern, vermitteln Kontakte zu Behör-

den, Banken oder Verbänden, infor-

mieren über Fördermöglichkeiten

oder helfen bei der Rekrutierung von

Fachkräften.Wir haben für alle Inter-

essierten zwei Hotlines eingerichtet:

Für Berlin ist das die Telefonnum-

mer 46302-463, für Brandenburg die

0331 / 20029-255.

Welche Rolle spielt die junge Start-up-

Szene Berlins gerade für die Gesund-

heitswirtschaft der Region?

Noch spielen Start-ups keine all-

zu große Rolle in Behandlung und

Versorgung oder in der pharmazeu-

tischen Industrie – sie entwickeln

Apps, die Verhalten beeinflussen, an

die Arzneimitteleinnahme erinnern

oder Patienten in der Nachsorge trai-

nieren. Je weiter sie aber in die Ge-

sundheitswirtschaft integriert sind,

desto mehr werden sie dafür leis-

ten können. Andererseits entstehen

neue Start-ups auch nach Techno-

logietransfers – wenn zum Beispiel

Unternehmen ausgegründet werden,

die die neuen Produkte und Patente

vermarkten und verwerten.

Wie wirkt sich die zunehmende Digita-

lisierung auf die Gesundheitswirtschaft

aus? Wie profitieren davon Ärzte und

Patienten, wieWissenschaftler und Un-

ternehmer?

Ich glaube, dass wir imGesundheits-

bereich immer mehr nach demOut-

come schauenwerden und nicht wie

bisher nach dem Input. Damit stel-

len wir den Patienten mehr als bis-

her ins Zentrum unseres Handelns.

Input bedeutet bislang, was ein Pa-

tient in der Notaufnahme kostet, wie

viel einArzneimittel undwie viel ein

medizinisches Hilfsprodukt. Und es

wird nicht unbedingt bewertet, was

am Ende als Resultat herauskommt.

Künftig wird es zunehmend darum

gehen, dieses Resultat zu optimieren,

natürlich auch zumNutzen des Pati-

STEFAN

OELRICH

Sanofi-Manager

und Sprecher des

Clusters Gesund-

heitswirtschaft

FOTO: ELKE A. JUNG-WOLFF