Berliner Wirtschaft Mai 2024

IHK-Kongress Weltmetropole Berlin Wirtschaft, Politik und Stadtgesellschaft suchen vereint Lösungen Seite 18 CEO von der Elbe Peter Tschentscher, Hamburgs Erster Bürgermeister, über Metropolen-Management Seite 10 Europawahl Warum der Termin wichtig ist und was Unternehmen in Berlin von der EU erwarten Seiten 12 und 15 Wir brauchen Platz! Berlin muss Gewerbeflächen für Produktion und kundennahe Dienstleistungen schaffen. Susann Liepe und Torsten Wiemken von Lokation:S sagen, worauf es bei der Planung ankommt Seite 20, Interview Seite 28 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 05/2024 ihk.de/berlin

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Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Ich bin eigentlich kein Freund von Städtevergleichen als innerdeutscher Challenge, denn wir sind im internationalen Wettbewerb als Wirtschaftsstandort Deutschland nur gemeinsam stark. Aber das heißt nicht, dass wir nicht genau hingucken sollten, wie andere deutsche Städte Herausforderungen wie Digitalisierung, Verwaltungsmodernisierung oder Wohnungsbau angehen. Wir hatten kürzlich Hamburgs Ersten Bürgermeister, Peter Tschentscher, zu Gast beim Wirtschaftspolitischen Frühstück (S. 10). Mein Eindruck: Die Hansestadt zeigt definitionsgemäß, wie man durch aktive Wirtschaftspolitik eine Metropole voranbringt. Und Peter Tschentscher wirkte auf mich eher wie ein CEO als ein Ministerpräsident. Durchgriffsmöglichkeit auf die Bezirke falls nötig? Gibt es. Die elektronische Akte? Natürlich vollständig eingeführt. Dazu eine aktive Industriepolitik mit strategischen Unternehmensbeteiligungen in der Stadt. Und um den Bau von Wohnungen speziell für niedrige und mittlere Einkommen anzukurbeln, vergibt Hamburg Baukredite zu einem Prozent Zinsen und mit 30-jähriger Laufzeit. Ein Blick Richtung Hamburg schadet also nicht. Der Stadtentwicklung widmen wir uns auch in dieser Ausgabe Ihrer Berliner Wirtschaft – ein erster Vorgeschmack auf unseren großen Kongress zur Stadtentwicklung am 10. Juni (s. rechts). Ich hoffe, wir sehen uns dort! Ihr Kongress zur Weltmetropole Berlin Am 10. Juni wird die IHK im Ludwig Erhard Haus mit Akteuren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft über die Herausforderungen der Stadtentwicklung diskutieren. Das Ziel ist ein dauerhaft lebenswertes und erfolgreiches Berlin. Alle Berlinerinnen und Berliner sind eingeladen, sich daran zu beteiligen. Seite 18 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner-­ wirtschaft Ein Blick in Richtung Hamburg schadet nicht ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 05 | 2024 Editorial | 03

AGENDA 10 Wirtschaftspolitisches Frühstück Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister von Hamburg, zu Gast bei der IHK Berlin 12 Europawahl Berliner Wirtschaft formuliert Erwartungen an die EU 14 Ressourcenmanagement IHK-Kongress erarbeitete Maßnahmen zur Sicherung der Wasserversorgung 15 Kolumne Sebastian Stietzel über die Bedeutung der Europawahl 16 Initiative Ein Klavier wirbt im LEH für die Expo 2035 in Berlin 17 IHK-Vollversammlung Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey erläuterte dem Gremium ihre Ziele 18 Weltmetropole IHK-Kongress vereint Kräfte für die Gestaltung Berlins FOKUS 20 Gewerbeflächen Flächenbedarf der Berliner Betriebe muss bei Planungen berücksichtigt werden 24 Unternehmenspraxis Wista, GSG und regioteam stellen ihre Konzepte vor 28 Interview Susann Liepe und Torsten Wiemken entwickeln Wirtschaftsflächenkonzepte und propagieren kleine Betriebe in zentralen Lagen Politikgespräch Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister Hamburgs, beim Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin 10 BRANCHEN 36 Einzelhandel Interview mit Harald Huth, Geschäftsführer von High Gain House Investments 39 Start-up David Neisinger, CEO von HelloProfessor, im Interview 40 Gastronomie Viele setzen auf Ökologie, doch das hat seinen Preis 42 Standort Beraterin Maren Lesche über das Potenzial von Start-ups 44 Logistik Transport- und Handelsfirmen brauchen Lagerhallen, doch die sind knapp und teuer 46 Nachhaltigkeit IHK-Stadtspaziergänge führten zu Unternehmern, die die Umwelt im Blick haben 47 Historie Ludwig Decken Lackfabrik brachte Farbe ins Spiel 20 Gewerbeflächen Planung mit Übersicht ist gefragt, damit es bei knappem Stadtraum genügend Platz für Unternehmen gibt Inhalt | 04 Torsten Wiemken Geschäftsführender Gesellschafter Lokation:S Schwierig ist die Situation für kleinere Unternehmen, die keine so hohen Mieten zahlen können.

03 Editorial | 06 Entdeckt | 45 Impressum | 55 Seminare 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt … FACHKRÄFTE 48 Ausbildung Bei DB Schenker lernen die Azubis auch im Ausland 50 Berufsorientierung Tagespraktika können äußerst produktiv sein 51 Bildung „Netzwerk Kinder forschen“ geht Papier auf den Grund 53 Integration Plattform UBAconnect bietet Vorteile beim internationalen Recruiting 54 Verbundberatung Vietnamesisches Restaurant kooperiert mit der Ständigen Vertretung in Mitte SERVICE 56 E-Mobilität Berliner Unternehmen setzen bei ihren Flotten auch aus Kostengründen auf Strom 58 Beratung Was bei Rechnungen für Photovoltaikanlagen in der EU zu beachten ist 59 Sachverständigenwesen Axel Rickert, DIHK, erläutert die Vorteile des Systems 60 Gewerberecht IHK-Veranstaltung zur Preisangabenverordnung 62 Gründerszene Wie persönliche Haftung bei Insolvenz vermieden wird Europawahl Die Berliner Wirtschaft knüpft an die Wahl am 9. Juni konkrete Erwartungen 12 Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/NAQIEWE; FOTOS: AMIN AKHTAR/IHK, GETTY IMAGES/FRANK HERRMANN Berliner Wirtschaft 05 | 2024 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Die Zukunft liegt im Nebel, zumindest, wenn es nach den Gründern des Start-ups Lite&Fog geht. Martin Peter (Foto) und sein Vater Uwe wollen mit sogenannten Fogponics das Prinzip des Vertical Farmings revolutionieren. Sie lassen Pflanzen auf Textilsäulen wachsen, die sich um die eigene Achse drehen. Ultraschallvernebler geben Wasser und Nährstoffe an das feine Wurzelwerk. Der Einsatz von Ressourcen wird minimiert, der Ertrag vervielfacht. Weil die Hightech-Systeme eine sterile Umgebung bieten, erfüllen sie den GMP-Standard, die „Good Manufacturing Practice“ – auf Deutsch: gute Herstellungspraxis –, der Pharmabranche. So wachsen nicht nur Salat und andere Lebensmittel auf dem Zukunftsstoff, sondern auch Pflanzen, die im Molecular Farming etwa Proteine oder Insulin in sich tragen. Nebel des Grünens Lite&Fog Das 2019 gegründete Start-up hat seinen Sitz in Marzahn. Kunden kommen aus aller Welt, von Katar bis Großbritannien. FOTO: ULRICH SCHUSTER Entdeckt | 07

„Aus Sicht der Wirtschaft ist angesichts der angespannten Haushaltslage mehr Disziplin bei konsumtiven Ausgaben und ein klares Bekenntnis zu Investitionen erforderlich. Stattdessen hält Berlin an teuren Geschenken wie dem 29-Euro-Ticket fest und hofft darauf, dass Mittel für Wohnraumförderung, Schulbau und Mobilität nicht in vollem Umfang benötigt werden. Die Wirtschaft fordert eine Prioritätensetzung, bei der investive Ausgaben Vorfahrt haben.“ Die Sparauflagen aufgrund der schwachen Haushaltslage verunsichern Berliner Firmen Vorfahrt für investive Ausgaben gesagt Äpfel und Birnen lassen sich nicht vergleichen, aber gleichermaßen zu Wein verarbeiten. „Viez“ heißt der im Moselfränkischen – und hat etwas mit Berliner Techno gemeinsam. Beides dröhnt? Nein, seit Kurzem gehören Viez und die Clubkultur der Hauptstadt zum immateriellen Kultur- erbe Deutschlands. Nach insgesamt sechs Neuzugängen zählt die Liste der Deutschen Unesco-Kommission jetzt 150 Einträge. Für Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) gehört die „Subkultur zum kulturellen Reichtum unseres Landes“. Das würden ungezählte Partygänger nach durchtanzten Nächten in Berghain und Co. blind unterschreiben. Oder jedenfalls stark geblendet vom Sonnenlicht des längst angebrochenen Tages. Kein Zweifel: Berlin kann Beats. Und hat auch sonst unvergleichlich viel zu bieten. Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Berlin Beats typisch berlin 12 % weniger Fläche werden bis 2030 in Berlin für Büros benötigt. Das hat eine Studie des Münchner Ifo-Instituts und des Immobiliendienstleisters Colliers ergeben. Als Grund wird die fest etablierte Homeoffice-Nutzung angegeben. Jan Eder, Hauptgeschäftsführer IHK Berlin Kompakt | 08

Medien Logistik Recruitment Veranstaltungstechnik Sport Reise Marketing Immobilien Gesundheit Ernährung Fintech Energie 604 533 393 289 176 171 164 106 103 96 81 72 In Mio. Euro 31,5 % mehr Insolvenzen wurden im vergangenen Jahr in Berlin verzeichnet. Die voraussichtlichen Forderungen stiegen um 129,9 Prozent auf insgesamt 1,7 Mrd. Euro. Energie vor Fintech Die Senatsverwaltung für Wirtschaft hat das Finanzierungsvolumen Berliner Start-ups nach Branchen für das vergangene Jahr erhoben berliner wirtschaft in zahlen Christian Nestler, IHK-Experte für Start-ups Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@berlin.ihk.de Mio. Euro haben Berliner Start-ups aus der Energiebranche im vergangenen Jahr erhalten. 604 Polen erstmals Handelspartner Nr. 1 aussenhandel kopf oder zahl Dr. Sven Deglow Dr. Stephan Brandt ist mit Wirkung zum 1. Juli vom Aufsichtsrat der Deutschen Kreditbank AG zum Vorstandsvorsitzenden ernannt worden. Vorgänger Stefan Unterlandstättner geht in den Ruhestand. Deglow ist noch Co-CEO der BNP Paribas Personal Investors Deutschland, zu der unter anderem die Consorsbank und DAB BNP Paribas gehören. ist neben Dr. Hinrich Holm (Vorsitz) und Angeliki Krisilion zusätzlich in den Vorstand der Investitionsbank Berlin (IBB) berufen worden. Er ist bereits seit 2012 für die IBB tätig, zuletzt als Bereichsleiter für Finanzen, Con- trolling und Risikocontrolling. Im Vorstand wird Stephan Brandt für Finanzen und Risikomanagement zuständig sein. Im vergangenen Jahr sind die Berliner Exporte nach Polen um 9,2 Prozent auf 1,18 Mrd. Euro gestiegen. Die Importe aus Polen haben um 925 Mio. Euro auf 2,93 Mrd. Euro zugelegt. Damit betrug der Berliner Außenhandel mit dem Nachbarland laut Zahlen der Investitionsbank Berlin 4,11 Mrd. Euro. Das Handelsvolumen mit China betrug 4,0 Mrd. Euro. So ist Polen in der Statistik erstmals wichtigster Außenhandels- partner von Berlin. Der Grund sind die stark gestiegenen Importe von Rohtabak und Tabakerzeugnissen (plus 954 Mio. Euro). Am 6. Juni gibt es einen AHK-Ländersprechtag Polen, mehr Infos auf Seite 64. bw FOTOS: GETTY IMAGES/FRANCESCO CARTA FOTOGRAFO, RAINER KURZEDER, IBB, DKB, ISTOCK/BRIAN A. JACKSON Grafiken: BW Quelle: Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Zu Gast im Ludwig Erhard Haus: Dr. Peter Tschentscher, Hamburgs Erster Bürgermeister, hätte für die Berliner Politik einige Tipps parat von Holger Lunau „Ein Austausch wäre mal interessant“ agenda

B erlin und Hamburg liegen zwar 255 Kilometer Luftlinie und damit ein Stück weit voneinander entfernt. Doch in der Vergangenheit hat insbesondere die Berliner Politik großes Interesse geäußert, eng mit der Hansestadt kooperieren und von ihr lernen zu wollen. Immerhin bilden beide Städte den Kern einer großen Metropol-Region mit bundesweiter Ausstrahlung, aber auch ähnlichen Problemen. Umso mehr Erstaunen löste die Äußerung von Hamburgs Erstem Bürgermeister, Dr. Peter Tschentscher, bei einem Besuch in der IHK Berlin aus, dass Hamburg mit Wien einen engeren Kontakt pflege als mit der deutschen Hauptstadt. Und dies, obwohl beide Städte dank der ICE-Verbindung nur knapp zwei Stunden Fahrtzeit auseinanderliegen. „Ein Austausch wäre mal interessant“, sagte der Politiker beim Wirtschaftspolitischen Frühstück mit rund 200 Gästen aus Wirtschaft und Politik. Mit den früheren Regierungschefs Michael Müller und Franziska Giffey habe es das gegeben. Der jetzige Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, habe ein „anderes Team“. Erfolgreiche Einführung der E-Akte Nichtsdestotrotz zeigte sich Tschentscher offen, sich in die Karte schauen zu lassen und Wege zum Erfolg zu verraten. So hat Hamburg – im Gegensatz zu Berlin, wo das Projekt gescheitert ist – die E-Akte in der Verwaltung eingeführt. Alle Akten seien digitalisiert und mit Stichworten verlinkt worden. Damit könne gezielt gesucht werden, etwa flächenbezogene Informationen zum Eigentümerstatus, zu möglichen Belastungen der Grundstücke mit Schadstoffen oder Munition bis hin zu umweltrelevanten Daten. Dass dieses System bezeichnenderweise den Namen „Eldorado“ trägt, quittierten die Gäste mit Gelächter, wohl in der Hoffnung, dass auch die Berliner Verwaltung irgendwann solche komplexen Daten auf Knopfdruck in ihren Systemen findet. Auf Nachfrage von Christina Aue, Geschäftsführerin der Stern und Kreisschiffahrt GmbH, wie Hamburg solche Verwaltungsprozesse besser managt als Berlin, sagte Tschentscher: „Wir haben die Bezirke besser im Griff.“ Bei aller Autonomie der Bezirke habe der Senat in der Hansestadt klar geregelte Durchgriffsrechte. Aber auch beim Neubau und der Verwaltung von Wohnungen hat Hamburg durchaus vorzeigbare Ergebnisse erzielt, über die sich in der Vergangenheit bereits Franziska Giffey informiert hatte. Angesichts der schwierigen Lage bei Wohnungsneubauten ist in der Hansestadt eine Senatskommission ins Leben gerufen worden, die kontinuierlich eine „Konfliktliste“ zur sofortigen Entscheidung abarbeitet. Auf diese gelangen alle stockenden Bauprojekte – sei es wegen Umweltproblemen oder ausufernder Bauvorschriften. Tschentscher mit Augenzwinkern: „Merkwürdigerweise fallen die meisten Entscheidungen jeweils eine Woche vor der Kommissionssitzung.“ Dabei gehe es aber nicht darum, alle Investorenwünsche zu erfüllen, sondern schnell eine endgültige Entscheidung zu treffen. Zudem stelle die Hansestadt für den geförderten Wohnungsbau Kredite mit einer Zinsrate von einem Prozent für eine Laufzeit von 30 Jahren zur Verfügung, um so den Wohnungsbau anzukurbeln. Kein Mietenstopp an der Elbe Und dann geht Hamburg trotz steigender Wohnungsmieten bei diesem Thema einen etwas anderen Weg als Berlin. „Wir haben keinen Mietenstopp“, betonte Tschentscher und begründete dies mit den sonst nicht zur Verfügung stehenden Mitteln für die Sanierung und den Unterhalt des Bestands. Ein Mietenbündnis mit den Wohnungsunternehmen – das Berlin inzwischen kopiert hat – und ein realistischer Mietpreisspiegel seien die Instrumente der Regulierung. Dabei sei eine Mietpreissteigerung von 3,3 Prozent pro Jahr eingerechnet worden. Allerdings, so räumte der Regierungschef ein, müsse angesichts der Inflation jetzt neu gerechnet werden. Beim Thema Wirtschaftswachstum, das derzeit in Berlin stärker ausfällt als in Hamburg, wies der Regierungschef darauf hin, dass Hamburg auch stärker vom internationalen Handel abhängig sei. Bei allem Lokalpatriotismus für seine Stadt und den Überseehafen – über den 85 Prozent der Im- und Exporte Berlins abgewickelt werden – zollte Tschentscher auch der Hauptstadt Respekt. Die Wissenschafts- und Forschungslandschaft oder die Start-up-Szene würden in Hamburg genau beobachtet. ■ Aufmerksame Zuhörer, aufschlussreiche Antworten: Dr. Peter Tschentscher im Ludwig Erhard Haus. IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder moderierte das Gespräch Dr. Peter Tschentscher Erster Bürgermeister von Hamburg Wir haben die Bezirke besser im Griff. Bei aller Autonomie der Bezirke hat der Senat in der Hansestadt klar geregelte Durchgriffsrechte. FOTOS: AMIN AKHTAR Wirtschaftspolitisches Frühstück | 11 Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Am 9. Juni findet in Deutschland die Wahl für das Europäische Parlament statt. Mit Blick darauf richten die Berliner Unternehmen konkrete Wünsche an die EU. Das IHK-Unternehmensbarometer zur Europawahl zeigt deutlich, welche Themen aus Sicht der Wirtschaft auf EU-Ebene prioritär angegangen werden sollten: Für neun von zehn Unternehmen ist der Bürokratieabbau das wichtigste Thema. Mehr als die Hälfte der Unternehmen benennen zudem Fachkräftesicherung und die Sicherung der Energieversorgung als Prioritäten für die nächste Legislaturperiode. Insgesamt ist Europa für die Berliner Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Laut Umfrage ziehen die Unternehmen den höchsten Nutzen aus der politischen Stabilität, dem gemeinsamen Währungsraum, einheitlichen EU-Normen und Standards (etwa Industriestandards) sowie dem Zugang zu europäischen Märkten. Das machen auch die Außenhandelszahlen deutlich. So wurden 2023 Berliner Waren im Wert von 16,7 Mrd. Euro weltweit in 207 Länder verkauft. Mit einem Anteil von 60 Prozent (9,5 Mrd. Euro) wurde dabei der größte Teil der Waren innerhalb Europas abgesetzt. Vom EU-27-Exportvolumen in Höhe von acht Mrd. Euro waren Güter im Wert IHK-Unternehmensbarometer zeigt: Bürokratieabbau ist das wichtigste Thema. Insgesamt sieben Wahlprüfsteine hat die IHK zur Europawahl formuliert von Katja Wiesner und Atina Aliyeva Klare Wünsche an Europa 78 % der Betriebe in Berlin verzeichneten 2023 höhere Energiepreise. Eine sichere Energieversorgung hat Priorität. Wahlprüfsteine Europapolitische Positionen der IHK Berlin unter: ihk.de/berlin/ europawahl-bw Auch Berlin knüpft an die Wahl des Europaparlaments Anfang Juni konkrete Erwartungen

Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin 28 40 33 16 45 39 12 40 47 15 38 47 13 22 65 12 12 26 62 5 24 71 8 12 80 23 44 33 Zugang zu europaweiten Finanzierungsmöglichkeiten Zugang zu EU-Förderprogrammen Fachkräftegewinnung aus anderen EU-Mitgliedstaaten Gemeinsame Handelspolitik: Marktzugang zu Drittländern, EU-Freihandelsabkommen, Zollunion Weniger Wettbewerbsverzerrungen durch Angleichungen der nationalen Rechtsrahmen Einheitliche EU-Normen und Standards (z.B. Industriestandards) Zugang zu europäischen Märkten Gemeinsamer Währungsraum, Wegfall von Wechselkursrisiken Politische Stabilität großer Nutzen geringer Nutzen kein Nutzen von rund fünf Mrd. Euro für die 19 Länder der Eurozone bestimmt. Angesichts der Bedeutung der Europawahl für die Berliner Wirtschaft hat die IHK Berlin ihre Positionen zur Europawahl anhand von sieben thematischen Wahlprüfsteinen geschärft und durch die Vollversammlung verabschiedet. Ein zentrales Thema ist eine bessere Rechtsetzung durch weniger Bürokratie. Die Berliner Wirtschaft setzt sich vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammen. Zwar gelten für KMU in europäischen Gesetzgebungen Ausnahmeregelungen, gleichwohl haben die Gesetze häufig mittelbar Einfluss auf die Betriebe, wenn beispielsweise über das Lieferkettengesetz größere Betriebe Nachweispflichten an kleinere Zulieferbetriebe weitergeben. Um einer solchen übermäßigen Belastung entgegenzuwirken, sollten KMU-Tests standardmäßig in europäischen Gesetzgebungsverfahren eingesetzt werden. Zudem sollte die „One in, one out“-Regel auf europäischer Ebene systematisch umgesetzt werden. Diese Regelung gilt zwar bereits, die Praxis zeigt jedoch, dass im Jahr 2022 für über 2.000 neue Rechtsakte, die verabschiedet wurden, nur 534 bestehende wieder aufgehoben wurden. Handlungsbedarf besteht für die EU auch beim Thema Fachkräftesicherung. Schon heute fehlen in Berlin 90.000 Fachkräfte, bis 2035 könnten es mehr als 400.000 sein. Neben der Aktivierung der vorhandenen sogenannten „Stillen Reserven“ am Arbeitsmarkt bedarf es daher einer arbeitsmarktorientierten Zuwanderung aus Drittstaaten. Vor diesem Hintergrund sollte der EU-Talentpool, eine Plattform, die Unternehmen und potenzielle Fachkräfte aus Drittstaaten miteinander vernetzt, rasch umgesetzt und etwa über die Liste der Mangelberufe hinaus ausgeweitet werden. Insgesamt sollte die Politik Europa stärker als Arbeits-, Ausbildungs- und Studienort bewerben. Auch innerhalb Europas ist eine stärkere Mobilität zu begrüßen. Berliner Unternehmen profitieren von der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU. Jedoch gibt es hier immer noch potenzielle Rechtsunsicherheiten, beispielsweise bei Fragestellungen um die mobile Arbeit. Ein weiterer Punkt ist die Stärkung des europäischen Energiebinnenmarktes, die zu einer Entlastung Berliner Betriebe beitragen könnte. So sahen sich im vergangenen Jahr 78 Prozent der Berliner Unternehmen mit höheren Energiepreisen konfrontiert, 83 Prozent beklagten höhere Strompreise. Eine Strategie zum Ausbau der erneuerbaren Energien sollte daher auf europäischer Ebene entschieden vorangebracht werden, jedoch gleichzeitig den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit im Blick behalten. Aus Sicht der Berliner Wirtschaft ist die Wahl am 9. Juni für alle Unternehmerinnen und Unternehmer der Hauptstadtregion wegweisend. Um ihrer Stimme eine eigene Bühne zu bieten, findet am 27. Mai in der IHK Berlin eine Wahlarena mit Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien statt. Dabei geht es vor allem um die drängendsten Themen: Bürokratieabbau, Fachkräftesicherung und Energieversorgung. ■ Unternehmensbarometer: Nutzen der EU für Betriebe Aus welchen Aspekten der europäischen Integration Unternehmen Nutzen ziehen (Angaben in Prozent, Abweichungen von 100 durch Rundungen) Unternehmensbarometer: Wirtschaftspolitische Erwartungen Welche wirtschaftspolitischen Themen auf EU-Ebene nach der Wahl prioritär angegangen werden sollten (Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich) Katja Wiesner, IHK-Junior-Public- Affairs-Managerin Tel.: 030 / 315 10-452 katja.wiesner@ berlin.ihk.de Hürden im Handel mit Drittstaaten abbauen Europäischen Kapitalmarkt vollenden Hürden im Binnenmarkt abbauen Rechtsrahmen für Zukunftstechn. verbessern Zukunftsindustrien strategisch aufbauen Wettbewerbsfähigkeit stärken Schutz vor digitalen und analogen Angrien Fachkräftesicherung Energieversorgung sicherstellen Bürokratie abbauen 30 24 21 19 31 36 39 47 49 53 56 90 EU-Klimaschutzgesetzgebung voranbringen Klimaschutz international voranbringen FOTOS: GETTY IMAGES/FRANK HERRMANN, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Europawahl | 13 Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Sinkende Pegel in der Spree: Auf der Suche nach Lösungen trafen sich die IHKs aus Berlin und Brandenburg zum Kongress in Cottbus von Larissa Scheu Standortfaktor Wasser Die Berlin-Brandenburger IHKs haben sich zum Ziel gesetzt, Lösungen für die Herausforderungen der Wasserwirtschaft zu finden. Gemeinsam mit der Landesgruppe des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) sowie dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller organisierten sie deswegen Mitte April in Cottbus einen zweitägigen Wasserkongress, an dem knapp 180 Akteure teilnahmen. Nach einer Exkursion mit der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbh ins Lausitzer Seenland am ersten Tag des Kongresses stand an Tag zwei die zunehmende Wasserknappheit durch Klimawandel und Kohleausstieg im Zentrum der Diskussionen. In Impulsvorträgen wurden die Herausforderungen beim Wassermanagement in der Metropolregion hervorgehoben, Unternehmenspitches skizzierten mögliche Lösungsansätze. Bereits zum Weltwassertag im März hatten die Berlin-Brandenburger IHKs und der VKU ein Handlungspapier an Politik und Verwaltung adressiert, in dem sie eine schnellere Umsetzung von Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Ressource Wasser für die Trinkwasserversorgung und die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes einforderten. Beim Wasserkongress ging man den Handlungsfeldern in vier Foren tiefgründiger nach. Unternehmen, Institutionen, Verwaltungen und wissenschaftliche Einrichtungen beschäftigten sich mit zukunftsfesten Industrie- und Gewerbestandorten, Wasserinfrastruktur, Nutzungskonkurrenzen und Wasserkraft. Eine der Hauptbotschaften der Foren lautete, dass es sich oft um bürokratische Wasserknappheit und nicht um physische handele, die Projekte verhindert. Daher braucht es schnellere Genehmigungsverfahren und für diese Verfahren hoch qualifizierte Fachkräfte in den Behörden. In der finalen Podiumsdiskussion, an der unter anderem Frauke Bathe, Referatsleiterin für Wasserwirtschaft der Berliner Senatsumweltverwaltung, und Klaus Freytag, Beauftragter des Ministerpräsidenten Brandenburg für die Lausitz, teilnahmen, wurde klar, dass die 14 Jahre bis zum Kohleausstieg gut genutzt werden müssen, um die drohende Wassernot in der Spree zu verhindern. Robert Rückel, Vizepräsident der IHK Berlin, betonte, dass eine länderübergreifende Zusammenarbeit unerlässlich sei. Wie er sagte, stehen nun die Fragen zur länderübergreifenden Finanzierung und Planung von Infrastrukturmaßnahmen sowie die Berücksichtigung von Wasserver- und Abwasserentsorgung in der Regionalplanung sowie bei Ansiedlungsprozessen im Fokus. Für die Schwarze Elster, Spree und Havel werden die nächsten drei Jahre entscheidend werden, um ein gemeinsames Zielbild aufzustellen und die länderübergreifende Zusammenarbeit auf ein neues Niveau zu heben. Beim nächsten Wasserkongress könnte Bilanz gezogen werden. ■ Länderübergreifende Zusammenarbeit unerlässlich: Robert Rückel, Vizepräsident der IHK Berlin, beim Wasserkongress in Cottbus Larissa Scheu, IHK-Public-Affairs- Managerin Energie- und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-686 larissa.scheu@berlin.ihk.de Positionen Das Handlungspapier „Sicherung der Trinkwasserversorgung“ unter dem QR-Code: FOTO: THIERBACH/FOTO GOETHE AGENDA | Ressourcenmanagement | 14 Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Europa hat Relevanz – besonders für Berliner Unternehmen Warum wir am 9. Juni unser Recht nutzen und an der Wahl zum Europaparlament teilnehmen sollten Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2024 beschäftigt uns schon seit Jahren. Es geht um die Eignung der Kandidaten, deren geistige Fitness, die Auswirkungen der Wahl auf die NATO und die Ukraine – die Themen sind vielfältig und omnipräsent. Dagegen scheint die am 9. Juni stattfindende Europawahl fast niemanden zu interessieren. Klar ist aber: völlig zu Unrecht, denn die EU spielt eine wesentliche Rolle in unserem täglichen Leben. Dank der EU können wir in 27 Ländern ohne Passkontrollen reisen und Waren und Dienstleistungen ohne Zollbeschränkungen austauschen. Gleichzeitig erlaubt sie Arbeitskräften, in jedem EU-Mitgliedsstaat zu arbeiten. Für Berliner Unternehmen bedeutet dies einen Zugang zu europäischen Märkten sowie politische Stabilität – Faktoren, die essenziell für ihr Geschäft sind. Viele Unternehmen beklagen jedoch eine nachlassende Attraktivität der EU in den letzten Jahren und sehen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft in Gefahr. Wie können wir diesem Trend entgegenwirken? Die IHKs haben Hemmnisse für den Wirtschaftsstandort analysiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet. An erster Stelle steht der Abbau von Bürokratie – eine Forderung, die von 90 Prozent der Berliner Unternehmen unterstützt wird. Die „One in, one out“-Regel, bei der für jede neue Verordnung eine vorhandene gestrichen werden muss, sowie Erleichterungen für KMU müssen daher konsequent umgesetzt werden. Entscheidend ist zudem die sichere und bezahlbare Energieversorgung. Hohe Energiepreise belasten rund 80 Prozent der Berliner Unternehmen. Um internationale Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, brauchen wir einen starken Energiebinnenmarkt und den Ausbau erneuerbarer Energien. Auch digitale Innovationen sind essenziell. Berlin ist ein Zentrum für KI-Start-ups, doch Europa hinkt in diesem Bereich hinterher. Es braucht europäische Rahmenbedingungen, die Innovationen unterstützen und „made in Europe“ stärken. Nicht zuletzt spielt die Attraktivität Europas auch für die Fachkräftesicherung im internationalen Wettbewerb eine entscheidende Rolle. Bis 2035 werden allein in Berlin über 400.000 Fachkräfte fehlen. Die EU muss ihre Aktivitäten verstärken und die Arbeitsmigration aus Drittstaaten sowie die Integration von Geflüchteten fördern. Diese Beispiele zeigen: Europa ist nicht abstrakt, sondern beeinflusst unseren unternehmerischen Alltag ganz konkret. Das neu zu wählende EU-Parlament wird das Leben von 450 Millionen Menschen prägen – und damit auch das Leben von fast vier Millionen Berlinerinnen und Berlinern sowie aller Unternehmen der Hauptstadt. Nutzen wir also unser Wahlrecht am 9. Juni, denn Europa-Politik ist Berlin-Politik. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Sebastian Stietzel ist Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments sowie Präsident der IHK Berlin FOTO: AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 15

Klimaneutralität und Expo 2035: Der Verein Global Goals wirbt jetzt auch in der IHK Berlin mit einem orangen Tasteninstrument für beide Ziele von Holger Lunau Klaviatur der Nachhaltigkeit Was haben die angestrebte Berliner Klimaneutralität und die Weltausstellung Expo 2035 miteinander zu tun? Sehr viel, argumentiert der Verein Global Goals, der die Anstrengungen der Hauptstadt für eine nachhaltige Entwicklung in eine Bewerbung für die Weltausstellung 2035 an der Spree münden lassen will. Ziel ist es, mit dem Thema Nachhaltigkeit gegenüber anderen Expo-Bewerbern zu punkten. Um in der gesamten Stadt auf das Anliegen aufmerksam zu machen, stellt die Initiative unter dem Motto „Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft“ an 17 möglichst prominenten Orten 17 Klaviere auf – in Anspielung auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Eines der Klaviere steht nunmehr auch im Ludwig Erhard Haus der IHK Berlin, weitere unter anderem im U- und S-Bahnhof Potsdamer Platz und in der Amerika-Gedenkbibliothek. UN-Ziele in Projekte umsetzen „Die Stadtrendite einer Expo ist unbestritten“, betonte IHK-Präsident Sebastian Stietzel bei der Übergabe. Dies gelte umso mehr für eine Expo, welche die UN-Nachhaltigkeitsziele in konkrete Transformationsprojekte für die Stadt umsetzt. Die IHK-Vollversammlung habe sich klar für ein solches Projekt ausgesprochen. „Mit dem Expo-Klavier zum UN-Ziel Industrie, Innovation und Infrastruktur wollen wir diese Unterstützung im Haus der Berliner Wirtschaft deutlich sichtbar machen“, so der IHK-Präsident. „Mit unserem Projekt wollen wir ein Zeichen von Miteinander und Füreinander setzen“, sagte Daniel-Jan Girl, Vorsitzender des Vereins Global Goals für Berlin und Ex-IHK-Präsident. „Mit unserer Leidenschaft und unseren Fähigkeiten machen wir gemeinsam ganz Berlin zur Weltausstellung. Dabei sollen alle Nachhaltigkeitsziele der UN umgesetzt werden, nicht gegeneinander, sondern miteinander, wobei Ökologie und Ökonomie keinen Widerspruch bilden sollen.“ Ziel müsse eine Wirtschaft sein, die Wertschöpfung aus Nachhaltigkeit erzielt. Der Verein Global Goals für Berlin wurde im Jahr 2022 gegründet. Er hat das Ziel, Berlin so schnell wie möglich klimaneutral zu machen und bis 2035 möglichst alle 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen zu erreichen. Die Umsetzung und Erfolge sollen in einer ersten nachhaltigen Expo 2035 in der ganzen Stadt an realen Orten gemeinsam mit der Stadtgesellschaft präsentiert werden. Unterstützt wird Global Goals von zahlreichen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft sowie Unternehmen und Institutionen. ■ Sebastian Stietzel Präsident IHK Berlin Die Stadtrendite einer Expo ist unbestritten. Mit dem Expo-Klavier machen wir die Unterstützung sichtbar. Sebastian Stietzel, Stefan Franzke (Berlin Partner) und Daniel-Jan Girl (v. l.) lauschen zur Übergabe Trio-Klängen FOTO: AMIN AKHTAR AGENDA | Initiative | 16 Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey erläuterte in der IHK-Vollversammlung ihren wirtschaftspolitischen Kurs von Holger Lunau Dank an die Unternehmer IHK-Präsident Sebastian Stietzel begrüßte die Mitglieder der IHK-Vollversammlung und die Senatorin Häufiger Gast im Ludwig Erhard Haus: Franziska Giffey, Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey Die gute Wirtschaftslandschaft zu erhalten, ist eine gemeinsame Aufgabe von Politik und Wirtschaft. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey ist ein gern gesehener Gast in der IHK Berlin. Ihre Auftritte sind immer ein Heimspiel, so auch ihr Besuch in der Vollversammlung am 14. März. Dass Berlin so stark geworden sei und im Bundesvergleich ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum aufweise, sei dem großen Engagement der Unternehmer zu danken. Davon profitiere die gesamte Stadt. Allerdings sei die jetzige Situation kein Ruhekissen, betonte sie. Die Hauptstadt müsse sich weiterhin resilient aufstellen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Berlin sei glücklicherweise nicht von einzelnen Branchen abhängig. Die Stadt habe große Strahlkraft, wie auch die in diesem Jahr ausgebuchte Messe eindrucksvoll zeige. Die gute Wirtschaftslandschaft in Berlin zu erhalten, sei eine gemeinsame Aufgabe von Politik und Wirtschaft, erklärte Giffey. So müssten auch die politischen Rahmenbedingungen stimmen, um etwa weitere Start-ups und internationale Fachkräfte nach Berlin zu holen. In ihrer Verwaltung gebe es derzeit 257 Einzelvorhaben, die in vier Richtungen gebündelt werden. Dazu gehörten Maßnahmen für noch mehr Wirtschaftswachstum, für eine klimaneutrale Wirtschaft, für die Gewinnung von Fachkräften sowie Projekte, Berlin zum Innovationsstandort Nummer eins in Europa werden zu lassen. Der Abend hielt dann noch eine Überraschung parat. Seit 2003 im Amt, kündigte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder für Ende 2025 seinen Rückzug an. „Ich halte es für den richtigen Zeitpunkt, das Amt der nächsten Generation zu überlassen und um meinen Abschied zu bitten“, sagte Eder. Die frühzeitige Klärung sei ihm wichtig, damit der Nachfolgeprozess zügig und transparent starten könne. Im Namen des Präsidiums und der Vollversammlung bedauerte IHK-Präsident Sebastian Stietzel die Entscheidung. Eder habe konsequent die Neuaufstellung und Modernisierung der Kammer vorangetrieben und sich bleibende Verdienste erworben, was die Vollversammlung mit lang anhaltendem Applaus bestätigte. Und noch eine Personalie: Siddharth Tiwari, Geschäftsführer der 3DCeram Sinto Tiwari GmbH, hat sein Vollversammlungsmandat aus persönlichen Gründen niedergelegt. Nachrücker in der Wahlgruppe 6 „Investitionsgüterindustrie Untergruppe Elektrotechnik, Mess- und Regeltechnik, Metallbau, Chemie“ ist Jan Trommershausen, Geschäftsführer der AEMtec GmbH. ■ FOTOS: INES HASENAU/IHK BERLIN Vollversammlung | 17

Am 10. Juni bringt die IHK Wirtschaft, Politik und Stadtgesellschaft zusammen, um Lösungen für Berlin zu erarbeiten von Karina Stolte Gemeinsam die Zukunft gestalten AGENDA | Stadtentwicklung | 18

Uhrzeit Thema 9.30 Key-Note (Englisch) 10.00 Begrüßung 10.05 Podium „Berlin: Nachhaltig mobil“ Worauf warten wir noch bei der notwendigen Mobilitätswende? 11.00 Sessions 1. Thema: Car(e)free City: Eine realistische Vision? 2. Thema: Berlin: Nur für ÖPNV? Ausbau & Vorrang für ÖPNV im Vergleich Berlin-Paris 3. Thema: Baustellenkoordinierung modernisieren: Wie können wir unnötige Verkehrseinschränkungen verringern und das Bau- stellenchaos beherrschen? 12.00 Mittagspause und Networking 13.15 Podium Markt, Bauen, Regulieren: Konflikt und Konsens in der Stadtentwicklung 14.00 Sessions 1. Thema: Tempelhofer Feld: Wohnungsbaupotenzial oder Berlins Central Park 2. Thema: Stadt im Wandel: Wie kann eine Internationale Bauausstellung (IBA) das Gesicht Berlins prägen? 3. Thema: Klimagerechtes Bauen: Widerspruch oder Ausweg 15.15 Podium Zwischen Standortprofilierung und -gentrifizierung: Wie viel Raum gibt Berlin seiner Wirtschaft? 16.15 Sessions 1. Thema: Shopping, Kultur oder doch eher Begegnung: Wie sehen unsere Zentren der Zukunft aus? 2. Thema: Nachhaltig, innovativ und gut angebunden: Wie zukunftsfähig sind Berlins Gewerbegebiete? 3. Thema: New Work City: Wie arbeiten wir in Zukunft und was kann Stadtentwicklung dazu beitragen? 17.15 Start-up-Stage 18.00 Get-Together und Networking Der gemeinsame Raum zum Leben, Arbeiten und Bewegen in der wachsenden Metropole ist begrenzt, immer wieder treten hier Konflikte auf. Der Kongress „Weltmetropole.Berlin leben und gestalten“ im Ludwig Erhard Haus nimmt die wichtigsten Herausforderungen der Stadtentwicklung in den Blick: Wie lassen sich Konflikte überwinden? Wie wird Berlin zu einer noch lebenswerteren Stadt? Welche Lösungen von und mit der Wirtschaft bieten sich hierfür an? Gemeinsam mit relevanten Akteuren möchte die IHK im Dialog Lösungsansätze finden, um den Lebensraum für alle zu verbessern: „Berlin hat längst seinen Ruf als ,arm, aber sexy‘ abgelegt. Im Gegenteil, die deutsche Hauptstadt präsentiert sich als dynamische Weltmetropole mit einem enormen Potenzial für Unternehmerinnen und Unternehmer“, stellt IHK-Vizepräsident Robert Rückel fest und appelliert: „Statt sich in Klagen zu verlieren, sollten wir gemeinsam am 10. Juni Lösungen und Ideen für die Stadt von morgen erarbeiten. Dazu laden wir alle Berlinerinnen und Berliner herzlich ein. Seien Sie dabei und gestalten Sie die Zukunft Berlins aktiv mit.“ Vom Tempelhofer Feld über die Berliner Zentren und Einkaufsstraßen bis hin zu innovativen Mobilitätskonzepten werden aktuelle Fragen der Stadtentwicklung beleuchtet. Auf drei Podien mit jeweils drei Session-Blöcken diskutieren Vertreter der IHK unter anderem mit Berliner Senatorinnen und Senatoren, darunter Verkehrssenatorin Manja Schreiner, Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, sowie Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey. Für den internationalen Blick auf die Herausforderungen der Stadt ist im Ludwig Erhard Haus Professor Carlos Moreno zu Gast, Professor an der Universität Paris IAE – Panthéon Sorbonne. Mit seiner Key-Note gestaltet er den Auftakt des Kongresses. Moreno gibt Einblicke in sein Konzept der „15-Minuten-Stadt“, das darauf abzielt, das Leben in urbanen Räumen nachhaltiger, effizienter und lebenswerter zu gestalten. Auf der Berliner Start-up-Stage werden innovative Lösungen „Made in Berlin“ präsentiert, die bereits eingesetzt werden und wichtige Impulse für die Zukunft geben. Von nachhaltigem Zement bis hin zu Servicerobotern – disruptive Player zeigen, wohin die Reise gehen kann. Neben den zahlreichen thematischen Angeboten runden die Möglichkeiten zum Networking und Austausch mit anderen Teilnehmenden den Tag im Ludwig Erhard Haus ab. ■ Karina Stolte, IHK-Public-Affairs- Managerin Stadtentwicklung Tel.: 030 / 315 10-446 karina.stolte@berlin. ihk.de Kongress Detailliertes Programm und Anmeldung unter: ihk.de/berlin/welt- metropole Robert Rückel IHK-Vizepräsident Statt sich in Klagen zu verlieren, sollten wir gemeinsam am 10. Juni Lösungen und Ideen für die Stadt von morgen erarbeiten. Kongress-Programm im Überblick ILLUSTRATION: ISTOCK.COM/VISUAL GENERATION/IHK BERLIN; FOTO: PHILIPP ARNOLDT Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Der Stadtraum ist begrenzt. Damit auch künftig Gewerbe seinen Platz findet, muss mit Übersicht geplant werden fokus

INHALT 24 Räume für Visionen Die Wista Management GmbH bringt Firmen und Forschung zusammen 26 Start-ups den Hof machen Junge Unternehmen mögen GSG-Quartiere 27 Vereint für den Standort Beraten und planen aus einer Hand: regioteam 28 „Es ist ein Kampf um Prioritäten“ Susann Liepe und Torsten Wiemken von Lokation:S im Interview PLATZ SCHAFFEN Weil Gewerbe- zu Wohnungsbauflächen werden, gerät Berlins Wirtschaft ins Hintertreffen. Die IHK Berlin setzt sich dafür ein, die Interessen der Unternehmen in der Planung zu berücksichtigen von Almut Kaspar ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/NAQIEWEI Gewerbeflächen | 21 Berliner Wirtschaft 05 | 2024

blic geplant. Hier sollen bis zu 1.000 Unternehmen urbane Technologien erforschen, entwickeln und produzieren, dazu kommen 5.000 Studierende der Berliner Hochschule für Technik. Auf dem Areal soll außerdem ein neues Stadtviertel entstehen: das Schumacher Quartier mit gut 5.000 Wohnungen. Mit den Planungen für Bau und Infrastruktur sowie der Flächenvermarktung und dem Standortmanagement ist die landeseigene Tegel Projekt GmbH beauftragt worden. Gemeinsamer Appell der Wirtschaft „Berlins Wirtschaft braucht Flächen zum Wachsen!“ Mit diesem Appell machen die lokalen Wirtschaftsverbände mit der IHK Berlin in einer gemeinsamen Erklärung darauf aufmerksam, dass seit 2015 durch die Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnungsbauflächen im Flächennutzungsplan ein Verlust von 170 Hektar an gewerblicher Baufläche entstanden sei. Gleichzeitig werde bis zum Ende des Jahrzehnts ein Flächenbedarf von 210 bis 240 Hektar prognostiziert. „Wir beobachten mit Sorge, dass der zunehmende Verlust an Gewerbeflächen mehr und mehr zu einem Entwicklungshemmnis für ansiedlungs- und expansionswillige Unternehmen wird“, warnt IHK- Vizepräsident Robert Rückel – erkennt aber an, dass die Politik aktiv an Lösungen arbeitet. „Wir begrüßen die derzeitige Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans Wirtschaft 2040 parallel zum Stadtentwicklungsplan Wohnen 2040 unter breiter Beteiligung der Landes- und Bezirksebene sowie von Verbänden und Kammern.“ Die IHK Berlin sei in Rückkoppelung mit ihren Mitgliedsunternehmen aktiv an diesem Prozess beteiligt. „Wir wünschen uns eine Stärkung der bezirklichen Wirtschaftsförderungen, die vor Ort zur Entwicklung neuer Gewerbeflächen beitragen und die Ansiedlung neuer Unternehmen unterstützen“, so Rückel. Zudem fordere die IHK Berlin analog zur Wohnungsbauleitstelle die Schaffung einer Gewerbebauleitstelle, um Potenzialflächen für die Wirtschaft zu identifizieren und zu erschließen. Bestehende Bebauungspläne sollten IHK-Vizepräsident Robert Rückel sieht mit Sorge, dass der Verlust an Gewerbe- flächen in Berlin zum Entwicklungshemmnis für ansiedlungs- oder expansionswillige Unternehmen wird Wo früher bei Reemtsma pro Jahr 20 Mrd. Zigaretten produziert wurden, soll nun an der Mecklenburgischen Straße im Wilmersdorfer Ortsteil Schmargendorf das Gewerbehöfe-Quartier GoWest entstehen: zwölf mehrgeschossige Gebäude mit Backstein-Fassaden. Mehr als eine Mrd. Euro investiert der Projektentwickler Die Wohnkompanie Berlin gemeinsam mit der Gustav Zech Stiftung aus Bremen. In den Höfen sollen Gewerbe, Handwerk, Manufakturen und Büros Platz finden. Damit es auch abends und an den Wochenenden lebendig bleibt, wird es zudem Cafés, Bistros und Läden sowie einen Wochenmarkt geben. Im Zentrum des Lichtenberger Ortsteils Alt-Hohenschönhausen will die Zeitgeist Asset Management GmbH ein 27 Hektar großes marodes und kaum genutztes Gewerbegebiet an der Gärtnerstraße/Ferdinand-Schultze-Straße zu einem gemischten Stadtquartier ausbauen – mit mehrgeschossigen Hallen für produktive Gewerke und 3.500 Wohnungen. Schon seit acht Jahren erwirbt der Bauprojektentwickler Flächen in dem Gebiet, hat aber bislang dort noch nicht gebaut. Auf dem 500 Hektar großen Areal des ehemaligen Flughafens Tegel hat das Land Berlin den Forschungs- und Industriepark Urban Tech RepuFOTOS: PHILIPP ARNOLDT, SENSBW/ANDREAS LABES FOKUS | Gewerbeflächen | 22

mit Blick auf den hohen Bedarf an zusätzlichen Wohn- und Gewerbeflächen zügig überprüft und angepasst werden, um Flächenkonkurrenzen zu entschärfen und eine intelligente Nutzungsmischung zur Deckung beider Bedarfe sicherzustellen. Beim Kongress „Weltmetropole.Berlin leben und gestalten“, den die IHK Berlin am 10. Juni veranstaltet, wird das Thema Gewerbeflächen eine zentrale Rolle spielen (s. Seite 18). Wie die Politik versucht, die Bedarfe zu decken, machen die drei Bauvorhaben in Wilmersdorf, Lichtenberg und Tegel deutlich. Die Wohnkompanie Berlin, Eigentümerin der 7,4-Hektar-Fläche an der Mecklenburgischen Straße, wollte ursprünglich darauf Wohnungen bauen – das Bezirksamt beharrte allerdings auf einer gewerblichen Nutzung. In Lichtenberg, wo der Investor Zeitgeist ein gemischtes Quartier präferiert, herrscht derzeit noch Stillstand. „Nach dem aktuellen Flächennutzungsplan ist die gesamte Fläche als Gewerbegebiet festgelegt“, erläutert Burhan Cetinkaya, Leiter der Wirtschaftsförderung im dortigen Bezirksamt. Darunter seien auch einzelne Flächen als sogenanntes EpB-Gebiet ausgewiesen – die Abkürzung EpB steht für Entwicklungskonzept für den produktionsgeprägten Bereich. Cetinkaya hofft, dass kein gemischtes Quartier zugelassen wird: „Eine dringend benötigte lärmrobuste Gewerbefläche für Betriebe, die sich nicht in andere Flächenkulissen der Stadt integrieren lassen, ginge dadurch verloren.“ In Tegel dagegen, auf dem landeseigenen Boden des ehemaligen Flughafens, ist die gemischte Nutzung schon lange beschlossen. Dort entsteht mit der Urban Tech Republic einer der elf Zukunftsorte in Berlin. Neben bereits etablierten Zukunftsorten wie Deutschlands größtem Wissenschafts- und Technologiepark in Adlershof oder dem Campus Berlin-Buch mit dem BiotechPark werden andere noch entwickelt oder sind in Planung. Siemensstadt Square etwa, wo auf dem Spandauer Siemens-Areal bis 2030 ein neuer Stadtteil errichtet wird, in dem Spitzentechnologie mit neuen Arbeits- und Lebenswelten verbunden werden soll. Oder das in Oberschöneweide vorgesehene Innovations- und Technologiezentrum Industrie 4.0. Die Berliner Wirtschaft glänzt im Zusammenspiel von Hochtechnologie und Wissenschaft, wächst aber auch im industriellen Sektor mit produzierendem und emittierendem Gewerbe, das nur bedingt in gemischte Quartiere integriert werden kann. „Mit guten städtebaulichen Konzepten können potenzielle Nutzungskonflikte entschärft werden, zum Beispiel mit Blick auf Lärm und andere Emissionen“, sagt Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. „Entscheidend ist dabei immer, die knappen Flächen möglichst effizient auszunutzen, etwa durch Stapelung von Nutzungen oder höhere bauliche Dichten.“ Mietflächen durch Gewerbehof-Projekte Eine weitere Komponente aktiver Wirtschaftspolitik, so Gaebler, sei die laufende Gewerbehof-Initiative, um dem Gewerbe Mietflächen verschaffen zu können. Damit die bezahlbar bleiben, sollen auch landeseigene Grundstücke für private – zum Beispiel genossenschaftliche – Gewerbehof-Projekte bereitgestellt werden. „Schlüsselpartner sowohl für die Gewerbehof-Initiative als auch für die Aktivierung vorhandener Flächen wie im CleanTech Marzahn oder die Entwicklung gesamtstädtisch relevanter Standorte wie etwa Buchholz Nord ist die landeseigene Wista“ (s. S. 24). Buchholz Nord, insgesamt 190 Hektar groß, ist ein gewerblicher Standort mit den größten Flächenpotenzialen in Landeseigentum. Noch bis 2013 hatte das Land Berlin viele seiner Grundstücke an die Meistbietenden verkauft, nun betreibt es eine transparente Liegenschaftspolitik. „Damit stellen wir für die Ansiedlung oder Erweiterung von Unternehmen landeseigene Gewerbegrundstücke zum Verkehrswert bereit“, sagt Dr. Severin Fischer, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Liege ein überzeugendes Nutzungskonzept vor, könne seine Verwaltung die Direktvergabe eines Grundstücks im Rahmen der Wirtschaftsförderung an ein ansiedlungswilliges Unternehmen aktiv unterstützen. Analysiert und kategorisiert werden die Liegenschaften von der landeseigenen BIM Berliner Immobilien Management GmbH, die bisher schon über 5.700 Objekte hinsichtlich ihrer künftigen Nutzung beurteilt hat: etwa nach Wohnen, Gewerbe oder Bildung. „Wir sind in diesem Prozess aktiv beteiligt und bringen uns mit Nachdruck dafür ein, dass die Bedarfe der Berliner Wirtschaft berücksichtigt werden“, so Fischer Bei der Bebauung von Gewerbeflächen spielten zum Beispiel Klimaschutzmaßnahmen eine große Rolle. Wie im Gewerbehöfe-Quartier GoWest in Schmargendorf: Das soll oberirdisch autofrei sein, weil alle Höfe über die Tiefgarage angefahren werden. Und auf den Dächern ist die größte Dachgärtnerei Deutschlands vorgesehen. ■ 240 Hektar Flächenbedarf sind in Berlin für Gewerbe bis zum Ende des Jahrzehnts prognostiziert. Tatsächlich sind seit 2015 durch Umwandlung 170 Hektar gewerblicher Baufläche im Flächennutzungsplan verloren gegangen. Christian Gaebler Stadtentwicklungssenator Entscheidend ist, die knappen Flächen effizient auszunutzen, etwa durch Stapelung von Nutzungen. Peter Rau, IHK-Public-Affairs- Manager Stadtentwicklung Tel.: 030 / 315 10-608 peter.rau@berlin.ihk.de Stefan Borchardt, IHK-Public-Affairs- Manager Stadtentwicklung Tel.: 030 / 315 10-411 stefan.borchardt@ berlin.ihk.de Berliner Wirtschaft 05 | 2024

Als 1991 beschlossen wurde, in Berlin-Adlershof eine „integrierte Landschaft aus Wirtschaft und Wissenschaft“ entstehen zu lassen, gründete das Land Berlin die Entwicklungsgesellschaft Adlershof mbH. Ihr Auftrag: die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit durch Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft im neuen Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof innovative Unternehmen gegründet werden und wachsen können. Im Jahr 1994 firmierte die Gesellschaft in Wista Management GmbH um und ist seitdem für den Betrieb und die Weiterentwicklung des Standorts zuständig. „Die Entscheidung, hier einen Technologiepark aufzubauen, war visionär und konsequent“, sagt Wista- Geschäftsführer Roland Sillmann, „denn in Adlershof befand sich schon 1909 das erste Flugfeld Deutschlands, wo Pioniere wie die Gebrüder Wright Motorflugzeuge bauten.“ Zudem seien 1991 mit den Forschenden der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR bereits viele kluge Köpfe am Standort gewesen – „eine hervorragende Basis für den neuen Park“, so Sillmann. „Heute haben wir auf einer Fläche von 460 Hektar neben mehr als 1.300 Unternehmen – darunter 90 Weltmarktführer – auch 18 Forschungseinrichtungen in Adlershof.“ Seit 2021 vermarktet und entwickelt die Wista Management GmbH auch den CleanTech Business Park Marzahn (CBP), der mit 90 Hektar das größte zusammenhängende Areal für produzierende Unternehmen in Berlin ist. „Im CBP vermarkten wir nicht nur die Flächen und sorgen für eine optimale Infrastruktur, sondern wollen auch hier Wirtschaft und Wissenschaft vernetzen“, erklärt Geschäftsführer Sillmann. Lebhafte Nachbarschaft So wie im Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC), das Teil des Zukunftsortes Berlin Campus Charlottenburg ist. „Auf dem Campus Charlottenburg gibt es mit der TU Berlin und der Universität der Künste sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine lebhafte wissenschaftliche Nachbarschaft.“ Davon profitiert auch das Wista-Centrum CHIC. „Viele der StartAdlershof war der Auftakt, inzwischen schafft die Wista Management GmbH Strukturen für Unternehmen und Forschung von Dahlem bis Marzahn Räume für Visionen Als „visionär“ bezeichnet Wista- Geschäftsführer Roland Sillmann den Adlershofer Technologiepark 90 Weltmarktführer gibt es nach Wista-Angaben unter den insgesamt 1.300 Firmen im Wissenschafts- und Technologiepark. Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Wista-Chef auf LinkedIn: FOTO: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 05 | 2024

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