Wenn Berliner Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen mit Preisen auszeichnen oder mit Preisermäßigungen und Rabatten werben, müssen sie diese nicht nur vorher sorgfältig kalkuliert haben, sondern für die Auszeichnung und Werbung auch rechtliche Regeln beachten. Diese finden sich im deutschen Recht insbesondere in der Preisangabenverordnung (kurz PAngV). Diese Verordnung ist bereits seit 1985 in Kraft, erfuhr jedoch mit Wirkung ab dem 28. Mai 2022 umfassende Änderungen. Hintergrund war die EU-Richtlinie 2019/2161 (sogenannte „Omnibus“-Richtlinie) zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union. Sie diente dem Ziel, mehr Transparenz für Verbraucher zu ermöglichen, und verpflichtete die EU-Mitgliedsstaaten unter anderem zu Regelungen für mehr Preistransparenz. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung die PAngV insgesamt neu strukturiert. Konkret sollen deren Vorschriften dem Verbraucher vor Abschluss eines Vertrages zu Preisklarheit und Preisvergleichbarkeit verhelfen. Rechtsanwältin Dr. Jeannette Viniol berät bei JBB Rechtsanwälte Berliner Unternehmen zur Umsetzung der PAngV in der Praxis. Nach ihren Erfahrungen sind für Unternehmen „die Regelungen durch die Neustrukturierung übersichtlicher und besser verständlich geworden. Hilfreich sind hier insbesondere die klarere Normierung des Anwendungsbereichs (§ 1 PAngV) sowie der Begriffsbestimmungen (§ 2 PAngV) und die Zusammenfassung der spezifischen Regeln für Fernabsatzverträge (§ 6 PAngV)“. So gilt die PAngV explizit nur für die „Angabe von Preisen für Waren oder Leistungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern“ (§ 1 PAngV). Sie gilt also nicht für B2B und auch nur vor dem Abschluss von Verträgen. Die Rechnungstellung nach Abschluss eines Vertrages fällt also nicht hierunter. Keine Preisanhebung kurz vor Ermäßigung Die wichtigste Regelung ist aber die inhaltlich veränderte Vorschrift des § 11 PAngV. Dieser soll vor allem verhindern, dass Händler die Preise kurz vor der Preisermäßigung anheben, um sodann eine stärkere Preisermäßigung angeben zu können. Daher muss gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden, der innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung angewendet wurde, § 11 Abs. 1 PAngV. Beispiel: Ein Fahrradschloss kostet dauerhaft 90 Euro (niedrigster Gesamtpreis), dieser Preis wird dann für nur 14 Tage auf 100 Euro heraufgesetzt. Nach 14 Tagen wird der Preis auf 80 Euro herabgesetzt. Laut PAngV ist nun bei einer Werbung mit der erfolgten Preisermäßigung auf 80 Euro der Preis von 90 Euro als niedrigster Gesamtpreis anzugeben. „Mondpreise“ sollen verhindert werden Eine Ausnahme ist unter anderem für schrittweise, ohne Unterbrechung ansteigende Preis- ermäßigungen des Gesamtpreises von Waren vorgesehen: Hier kann während der Dauer der Preis- ermäßigung der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden, der vor Beginn der schrittweisen Preisermäßigung angewendet wurde, § 11 Abs. 2 PAngV. Wenn also der Preis für das Fahrradschloss wöchentlich um zehn Euro abgesenkt wird, reicht die Angabe des Ausgangspreises; die Zwischenschritte müssen nicht genannt werden. Diese Regelung stellt Händler in der Praxis vor Probleme, wie die Expertin erläutert: „Die Vorschrift wurde eingeführt, um sogenannte ,Preisschaukeleien‘ oder ,Mondpreise‘ zu verhindern. Der Verbraucher soll die Relevanz einer beworbenen Rabattierung selbst einschätzen können. Den gemäß § 11 PAngV zu benennenden günstigsten Preis der letzten 30 Tage zu bestimmen, ist bei stark schwankenden Preisen oder bei komplexeren Angeboten wie etwa Kombinations-Angeboten, die aus mehreren Produkten bestehen, allerdings nicht immer einfach.“ Die Expertin berichtet aber auch, dass „Berliner Unternehmen mit fairer und transparenter Preiskalkulation die Neuregelung begrüßen, weil stabile und fair kalkulierte Preise zuvor aus Verbrauchersicht oft weniger anziehend wirkten als hohe Rabatte, auch wenn diese auf ,Mondpreisen‘ beruhten“. Zugleich sind aufgrund der Komplexität der Vorgaben Verstöße gegen die PAngV möglich. In diesen Fällen drohen Abmahnungen. Jeannette Viniol gibt in diesen Fällen folgenden Rat: „Geben Sie nicht vorschnell nach, sondern prüfen Sie, ob der geltend gemachte Verstoß tatsächlich vorliegt. Auch kann die Abmahnung aus formalen Gründen zurückzuweisen sein, weil der Abmahnende hier zum Beispiel bezüglich der Forderung von Abmahnkostenerstattung und Vertragsstrafeversprechen besonderen Anforderungen unterliegt.“ Die IHK Berlin informiert am 28. Mai, 10 Uhr, in einer Online-Veranstaltung gemeinsam mit Dr. Jeannette Viniol über das Thema, Anmeldungen sind noch möglich (s. rechts). ■ Dr. Jeannette Viniol Rechtsanwältin Berliner Unternehmen mit fairer und transparenter Preiskalkulation begrüßen die Neuregelung. Dr. Alexandra Fock, IHK-Rechtsreferentin Wettbewerbsrecht Tel.: 030 / 315 10-823 alexandra.fock@berlin. ihk.de Informationen und Veranstaltung Weitere Informationen zum Thema gibt es auf der IHK-Website unter: ihk.de/berlin/pangv Anmeldung für die Veranstaltung mit Dr. Jeannette Viniol am 28. Mai unter folgendem QR-Code: ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/JORG GREUEL; FOTO: JBB RECHTSANWÄLTE Berliner Wirtschaft 05 | 2024
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