TITELTHEMA
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BERLINER WIRTSCHAFT 05/17
Fabrik im
dritten Stock
Urbane Produktion
Die wachsende Stadt Berlin braucht Platz
für Wohnungen – aber auch für Industrie und Gewerbe.
Neue Technologien und innovative Konzepte eröffnen erstaunliche
Chancen für die innerstädtische Fertigung
»
Von Michael Gneuss
TITELTHEMA
Sicherheitstechnik
Das Unterneh-
men entwickelt und produziert in
Friedrichshain Anlagen für den
Öffentlichen Personennahverkehr,
darunter Systeme zur Videoüber-
wachung oder Bildübertragung
Werkstatt im Obergeschoss
Noch sitzen die Mitarbeiter in
einer dritten Etage in der Revaler
Straße, die Firma plant aber einen
Neubau in der Modersohnstraße –
weiterhin in zentraler Lage
LAT Funkanlagen
Service GmbH
Larissa Zeichhardt,
Geschäftsführerin
FOTO: CHRISTIAN KIELMANN
O
lli hat was. Etwas, das Berliner
mögen. Er ist knuffig, modern
und irgendwie urban. Olli ist
kein neues Tierbaby im Zoo,
sondern ein Minibus. Einer, der aus der Reihe
fällt. Er fährt ohne Fahrer, gesteuert von Soft-
ware und Sensoren, braucht weniger Energie,
soll sicherer sein – und kann auf relativ klei-
ner Fläche produziert werden. Letzteres ist für
Berlin besonderswichtig, denn die Hauptstadt
braucht Industrie, ohne mit großen, günstigen
Flächen locken zu können. Doch das US-Un-
ternehmen Local Motors aus Arizona hat da-
mit keine Probleme. Es hat sich vor zweiein-
halb Jahren hier angesiedelt, vor einem halben
Jahrwurden Räume in der Nähe des Treptower
Parks bezogen. Dort wird Olli produziert – mit
modernsten Methoden. Viele Teile des Klein-
busses kommen aus dem 3D-Drucker.
Berlin ist der erste europäische Standort
von Local Motors. „Wir haben uns für Berlin
entschieden, weil Deutschland die stärkste
Wirtschaft in Europa ist und weil Berlin sich
schon vor drei Jahren als der führende Stand-
ort für Mobilitätstechnologien herauskristalli-
sierte“, erklärt Marketing Director Carlo Iaco-
vini. Die innerstädtischen Flächenwurden be-
wusst gewählt. „Wir brauchen nicht viel Platz
für unsere Produktion“, sagt Iacovini. In der
Bouchéstraße wurden 2.000 Quadratmeter
für die „Micro Factory“ angemietet. Die reich-
ten für die Produktion, zudem dient die Micro
Factory als Showroom für denVerkauf – schon
deshalb ist die Lagewichtig. Einkäufer aus Un-
ternehmen können sich in Treptow den auto-
nom fahrenden Minibus präsentieren lassen.
In der Stadt werden solche Trends auf-
merksam beobachtet. „Es steht die Frage im
Raum, wie sich die wachsende Stadt Ber-
lin weiterentwickelt, wenn die zur Verfügung
stehenden Flächen immer härter umkämpft
werden“, sagt Anne-Caroline Erbstößer von
der Technologiestiftung Berlin. Derzeit wird
vor allem über den immensenWohnraumbe-
darf diskutiert. Aber: „Nur Wohnungen? Das
kann nicht sein“, erklärt die Wissenschaftli-
che Mitarbeiterin und Expertin für den The-
menbereich „Technologie und Stadt“. In der
Vergangenheit sei in vielen Städten sehr viel
falsch gemacht worden. Monostrukturen und
Funktionstrennungen haben sich dabei als der
falsche Weg erwiesen. Wenn Wohnen, Arbei-
ten und Shopping jeweils in separaten Vier-
teln untergebracht werden, entstehen Quar-
tiere, die zu bestimmten Zeiten menschenleer
sind und Kriminalität begünstigen. Unnötiger
Verkehrwird provoziert. Einzelhändler verlie-
ren Umsätze, weil Berufstätige undAnwohner
als Laufkundschaft ausscheiden.
Ziel moderner urbaner Konzepte muss ei-
ne gesunde Mischung aus Wohnen, Gewerbe,
Handel, Gastronomie und Kultur sein. Doch
wo kann die Industrie in einer Stadt wie Ber-
lin dauerhaft ihren Platz finden? Die Techno-
logiestiftung hat dazu imvergangenen Jahr die
Studie „Produktion in der Stadt“ vorgelegt. »