BERLINER WIRTSCHAFT 12/16
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NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE
E
rstmalig fand im November die
Frontiers Health Conference in
Berlin statt. Rund 350 Besucher
aus allerWelt waren gekommen, umüber
digitale Trends in der Gesundheitsbran-
che zu diskutieren. Matteo Penzo, Grün-
der der Frontiers Conferences, hatte Ber-
lin als neuen Veranstaltungsort gewählt,
weil es „beim internationalen Fron-
tiers-Publikum durch seine attraktive
Start-up-Szene gut ankommt und auch
als Gesundheitsstandort in Europa von
Bedeutung ist“.
Seit Jahren steigt der Umsatz der Ge-
sundheitswirtschaft. Allerdings steht sie
auch vor einem erheblichen Problem:
die nachhaltige Finanzierbarkeit der Ge-
sundheitssysteme in Zeiten des demogra-
fischen Wandels. Weltweit arbeiten vie-
le Start-ups daran, diese Probleme zu lö-
sen und Konzepte zu finden, die auf die
Verknüpfung von Gesundheitswirtschaft
und Digitalisierung setzen.
Mit Apps, digitalen Therapien und
vernetzten Portalen, aber auch mit Sen-
soren und Künstlicher Intelligenz wer-
den Lösungen entwickelt, die Effizienz
und Effektivität der Gesundheitsversor-
gung erhöhen sollen. Dabei spielt der Pa-
tient selbst eine viel größere Rolle als frü-
her, da er sichmit Hilfe vonApps und und
anderen Medien besser informieren und
tracken kann. Hunderttausende Apps
widmen sich dem Erreichen eines ge-
sünderen Lebensstils und Start-ups wie
CardioSecur ermöglichen es Patienten,
Bei der ersten Frontiers Health Conference in Berlin
ging es um essenzielle Fragen nach Lösungen für
die Gesundheitsversorgung der Zukunft
»
Von Julia Lazaro
GESUNDHEIT
DIGITAL
selbstständig EKGs aufzuzeichnen und
auszuwerten. Auf diese Weise könnten
durch Prävention und Früherkennung
chronische Krankheiten, die einen der
größten Kostenblöcke im Gesundheits-
system darstellen, reduziert werden.
Enorme Kostenersparnisse
Guido Hegener, Managing Partner beim
VC Digital Health Ventures, glaubt, dass
selbst kleinste Verhaltensänderungen
durch die Nutzung vonApps in der Masse
zu enormen Kostenersparnissen führen
können. Laut einer Studie des Bundes-
wirtschaftsministeriums über den Digi-
talisierungsgrad in der deutschen Wirt-
schaft ist das Gesundheitswesen bisher
unterdurchschnittlich digitalisiert. Dies
ist zwar eine große Chance für Start-ups,
macht jedoch auch deutlich, dass die
Branche für neue Marktteilnehmer be-
sondere Risiken birgt. Der Gesundheits-
markt ist hoch reguliert und komplex. Si-
cherheitszertifizierungen und Qualitäts-
nachweise stehen an erster Stelle. Und
durch die Krankenkassen gibt es einen
zusätzlicher Stakeholder, der zwar für
die Kostenerstattung gewonnen wer-
den muss, aber nicht der Endverbrau-
cher der Leistungen ist. Um in den Kata-
log der Krankenkassenleistungen aufge-
nommen zu werden, müssen zusätzliche
Studien durchgeführt werden. Einige
Start-ups haben diese Hürde bereits ge-
meistert, zumBeispiel CaternaVision, die
Sehschulung per App.
KONFERENZ
Allerdings besteht auch die Möglichkeit,
denWeg ohne die Krankenkassen zu ge-
hen und sich mit einem Produkt direkt
an den Patienten zu wenden, wie es zum
Beispiel die Zyklus-App Clue tut. Wie mit
solchen Endverbraucher-Produkten Um-
sätze gemacht werden, ist dann von Fall
zu Fall verschieden.
Allianzen mit großen Playern
Die Konferenzteilnehmer waren sich ei-
nig, dass die etablierten Stakeholder wie
Ärzte, Krankenkassen, Pharmaunterneh-
men und Regierungsbehörden Start-ups
den Markteintritt erleichtern und eine
bessere digitale Infrastruktur ermögli-
chen müssen, um Innovation zu fördern
und sich den Anforderungen des demo-
grafischenWandels zu stellen. Panel-Teil-
nehmerin Fee Beyer, Head of Program