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TITELTHEMA
BERLINER WIRTSCHAFT 12/16
„Chinesen geben in
Berlin ammeisten aus“
INTERVIEW
Berliner Wirtschaft:
Herr Kieker, als
oberster Berlin-Werber kennen Sie den
Markenkern der Stadt wie kein anderer.
Gehört Luxus dazu?
Nein. Der Markenkern von Berlin ist
Freiheit. Aber wenn Sie so wollen, ist
diese Freiheit natürlich auch Luxus:
Dass man hier in einer Atmosphäre gro-
ßer Toleranz leben darf. Luxus im Sin-
ne der glitzernden Rolex
gibt es natürlich ebenso –
wie in anderen internati-
onalen Metropolen auch.
Dieser Luxus ist aber kein
Alleinstellungsmerkmal
Berlins.
Was alles hat die Haupt-
stadt, was anspruchsvolle
und kaufkräftige Touristen
imLuxus-Segment suchen?
Eigentlich alles. Wir ha-
ben nicht nur eine, son-
dern gleich drei hoch-
frequentierte Shopping-Straßen – ne-
ben dem Kurfürstendamm mit Tauent-
zien noch die Friedrichstraße und die
Schlossstraße. Wenn vermögende chi-
nesische Kunden kommen, schließen
Kudamm-Juweliere ihre Läden – natür-
lich mit den Chinesen drin. Gerade chi-
nesische Touristen kommen nach Ber-
lin, um hier die sogenannten Trophäen-
käufe zu machen, ohne die sie gar nicht
nach Hause kommen dürfen: eine teure
Tasche, eine Uhr oder ein schöner Koch-
topf von WMF. Dieses Bedürfnis kön-
nen wir sehr gut bedienen. Dazu kommt
noch die Unterbringung in einer Dich-
te von Fünf- und Fünf-Sterne-plus- Ho-
tels, die ihresgleichen sucht – und das
zu noch bezahlbaren Preisen. Und dann
eben die Stadt mit ihrer unvergleichba-
ren Geschichte und ihrem irrwitzig in-
teressanten Kultur- und Freizeitangebot.
Denken Sie nur an die Clubszene, diewie
ein Magnet auf unsere Besucher wirkt.
Die zieht doch vor allem junge
Easyjetter an.
Nicht nur. Interessant fin-
de ich, dass sich die Zahl der
Berlin-Besucher mit einem
monatlichen Haushaltsnetto-
einkommen von über 5.000
Euro von 2010 bis 2016 – al-
so innerhalb von sechs Jah-
ren – auf 18 Prozent verdop-
pelt hat. Und auch in der Ein-
kommensklasse von 3.000 und
5.000 Euro haben wir einen
Zuwachs von acht Prozent-
punkten, nämlich von 26 auf 34 Prozent.
Das heißt: Über die Hälfte unserer Gäs-
te – nämlich 52 Prozent – verfügt über
ein Haushaltsnettoeinkommenvonmehr
als 3.000 Euro.
Woher kommen die Luxus-Touristen, und
was geben sie in der Stadt aus?
Aus China kommt tatsächlich die größ-
te Gruppe, die allein 27,2 Prozent aller
Tax-Free-Shopping-Ausgaben in Ber-
lin bestreitet. Chinesen geben in Ber-
lin auch am meisten aus, im Schnitt 677
Euro pro Tax-Free-Einkauf. Danach auf
Platz zwei die Russen, von denen wir
VisitBerlin-Chef Burkhard Kieker sieht Berlin als gut
positioniertes Reiseziel für kultivierte Genießer aus aller
Welt. Der größte Luxus der Stadt: Freiheit und Toleranz
hin, wo nicht jeder hingeht.“ Deshalb
werden im hauseigenen Kiez-Guide
außergewöhnliche Lädenwie „Paper
& Tea“ an der Bleibtreustraße oder
die Food-Manufaktur „Stulle“ an
der Carmerstraße empfohlen. „Wir
sind eben Teil der Nachbarschaft
und nicht ein anonymes Hotel“, so
die Direktorin. Im Westen der Stadt
komme Luxus subtiler als im Ostteil
daher, weil er sich in gewachsenen
Strukturen entwickeln könne.
Bodenständig wachsen konnte
auch die Burmester Audiosysteme
GmbH. Weil 1977 seine HiFi-An-
lage ausfiel, baute sich Ingenieur
und Rockmusiker Dieter Burmes-
ter einfach einen neuen Verstärker.
Freunde und Bekannte waren da-
von so begeistert, dass er weitere
herstellte und damit die Fachwelt
auf sich aufmerksam machte. Seine
Schöneberger Firma wuchs und hat
– dank höchster Qualität ohne Kom-
promisse – einen sagenhaften Ruf.
Als Burmester vor einem Jahr
überraschend starb, übernahm sei-
ne Witwe Marianne das Ruder und
führt nun das Unternehmen mit 50
Mitarbeitern. „Manche Menschen
verstehen unter Luxus etwas Mate-
rielles – ein Auto zum Beispiel, ein
Schmuckstück oder eine Uhr“, sagt
Marianne Burmester, „andere defi-
nieren ihn immateriell, etwa als Zeit
für eine Reise, die man sich schon
lange gewünscht hat.“ Auf Burmes-
ter-Produkte bezogen, sei Luxus
nicht das Gerät selbst, sondern das
damit verbundene Hörerlebnis. Die
„Wirtschaftswoche“ listet Burmester
jedenfalls unter den Top 3 der deut-
schen Luxusmarken.
Burmester Audiosysteme hat
drei Produktlinien. Schon die Ein-
stiegspreise liegen zwischen 15.000
und 50.000 Euro, in der nächsten
Kategorie klettern sie auf 50.000 bis
100.000 und in der „Reference Line“
bei den größten Anlagen auf 120.000
bis 200.000 Euro – oder mehr. Auch
Luxusfahrzeuge von Bugatti, Por- »
FOTO: VISITBERLIN/THOMAS KIEROK
BURKHARD
KIEKER
Geschäftsführer
der Touristik-
Marketinggesell-
schaft VisitBerlin