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BERLINER WIRTSCHAFT 03/17

Mausklick zum

Marktplatz

Lebensmitteleinzelhandel

Erlebnisshopping mit Wohlfühlfaktor,

Online-Anbieter und Lieferdienste direkt ab Supermarkt: Gerade in

Berlin probiert die Branche vieles aus. Die Händler in der Hauptstadt

punkten mit maßgeschneiderten Services

»

Von Birgit Warnhold

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Kiezgröße

2014 startete Milena

Glimbovski mit einer Partnerin

das Konzept des Lebensmittel-

marktes ohne Verpackungen

– heute ist der kleine Laden in

Kreuzberg eine Institution

600 Produkte

Das meiste in den

Behältern bei Original Unver-

packt ist Bioware. Neben Nudeln,

Linsen und Müsli gibt es auch

Nonfood-Artikel wie Wasch- und

Reinigungsmittel

Original Unverpackt

GmbH

Milena Glimbovski, Gründerin

und Geschäftsführerin

FOTO: CHRISTIAN KIELMANN

D

er Mensch wird immer essen.

Insofern ist die Lebensmittel-

branche auf der sicheren Seite.

Fragt sich nur, wie die Waren in

Zukunft zum Verbraucher kommen? Hat der

stationäre Handel Bestand, oder wird in zehn

Jahren alles online verkauft? Der erwartete

Deutschlandstart von Amazon fresh hat vie-

le in der Branche aufgeschreckt. Wie eine la-

tente Bedrohung geistert er durch die Medien,

als hätte Amazon das Patentrezept für den rei-

bungslosen Online-Handel mit Produkten, die

prinzipiell ein Frischeproblem haben.

„Die waren im Herbst bei uns“, erzählt

Dietmar Rogacki und dass man ihm einen

48-seitigenVertrag auf Englisch vorgelegt hät-

te. Eine deutsche Fassung gab es auch, aber die

warwesentlich dünner und nicht so detailiert,

was den Inhaber des traditionsreichen Spe-

zialitätengeschäfts Rogacki in der Wilmers-

dorfer Straße skeptisch gemacht hat. Im Kern

sieht das Angebot so aus: Amazon fresh richtet

demHändler gegen entsprechende Zahlungen

auf derWebsite einen Shop ein. Der Kunde or-

dert darüber seine Waren. Der Händler wird

zweimal amTag informiert und packt die an-

geforderten Produkte ein, die Amazon dann

wiederum abholen lässt.

Das Familienunternehmen Rogacki, 1928

gegründet, ist bekannt für seinen Fisch. Da-

mit, ist der Chef sicher, kann das Ama-

zon-fresh-Prinzip schon mal nicht funkti-

onieren. „Für Frischprodukte ist das nicht

machbar. Ich sehe darin keine Zukunft.“ Der

Unternehmer macht keinen Hehl daraus, dass

er den Online-Lebensmittelhandel auch un-

ter ökologischen Gesichtspunkten für prob-

lematisch hält. „Da wird noch mehr Benzin

verschleudert, die Straßen werden noch vol-

ler.“ Von Rogacki hat Amazon fresh einen Korb

bekommen, auch andere Lebensmitteleinzel-

händler in Berlin haben abgelehnt. Kommen

die Amerikaner also vielleicht doch nicht?

Bereits da ist „Gegessenwird immer“, auch

ein Online-Portal für Lebensmittel, nur viel

kleiner und persönlicher als der Riese aus

Seattle. Im Gespräch mit Beatrice von Wre-

de, einer der Gründerinnen, fällt eine Voka-

bel besonders häufig: Vertrauen. Der Han-

del mit Lebensmittel, da waren sie und ihre

Mitgründer Friederike Tschacksch und Phi-

lipp von Sahr sich einig, erfordert eine per-

sönliche Note. Und die ist über das Inter-

net schwer herzustellen. „Deswegen haben

wir uns ganz stark aufs Branding konzen-

triert, es ging darum, Identität zu erzeu-

gen“, erzählt Beatrice von Wrede. Auch müs-

se man sich etwas einfallen lassen, wenn

man sich gegen Konkurrenten wie Rewe und

Allyouneed fresh positionieren wolle. Ein re-

gelmäßig gepflegter Blog vermittelt Tipps und

Zusatzinfos, die Berliner Telefonnummer auf

derWebsite verdeutlicht, dass der Kunde hier

wirklich jemanden anrufen kann und nicht »