BERLINER WIRTSCHAFT 02/17
58
NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE
D
ynamisch, experimentierfreu-
dig und agil. Diese Eigenschaf-
ten werden Start-ups schnell
zugeschrieben. Wie soll in so einemUm-
feld noch Zeit bleiben, einen jungenMen-
schen auszubilden?
Was auf den ersten Blick nicht zu-
sammen zu passen scheint, erweist sich
als eine charmante Kombination. Es geht
immerhin um einen derwichtigsten Fak-
toren für den Unternehmenserfolg: Fach-
kräfte. Ein gewisses Maß an Struktu-
ren sollte im Betrieb allerdings vorhan-
den sein, bevor man Azubis an die Hand
nimmt. Ist dies gegeben, bietet ein Start-
up Auszubildenden Zugang zu den neu-
esten Entwicklungen und Technologien.
Contorion zum Beispiel, ein 2014 ge-
gründeter Onlineshop für Werkzeuge.
Seit Herbst 2016 wird dort der 23-jäh-
rige Martin Rösnick zum Kaufmann für
Marketingkommunikation ausgebildet.
Als die Ausbilderin und Kommunika-
tions-Fachfrau Christin Seewöster 2016
bei Contorion startete, erkannte sie, dass
das Start-up im Marketingbereich gut
strukturiert war und neben Online-Mar-
keting auch klassische Instrumente wie
Außen- und Radiowerbung genutzt wur-
den. Eine gute Basis für die Ausbildung.
Schnell war auch die Geschäftsfüh-
rung überzeugt. „Die richtigen und die
besten Mitarbeiter zu finden ist für Start-
ups essenziell“, so Frederick Roehder,
Mitgründer und Geschäftsführer. Aber
Talente sind auf demMarkt heiß begehrt.
Selbst auszubilden ist eine gute Möglichkeit, Fachkräfte zu finden
– auch für Start-ups. Die Berliner Unternehmen Contorion und
Newsletter2Go machen gute Erfahrungen damit
»
Von Julia Lazaro
UNTER
FREUNDEN
Bei uns gibt es bereits
sehr viele junge Mitarbei-
ter, die wir ständig
weiterentwickeln. Da bot
es sich an, noch ein biss-
chen früher anzusetzen
und einen Mitarbeiter
direkt im eigenen Haus
auszubilden.
FREDERICK ROEHDER
Mitgründer und Geschäftsführer
der Contorion GmbH, einem
Onlineshop für Werkzeuge
„Da selbst auszubilden macht also Sinn,
auch ökonomisch betrachtet“, so Roeh-
der. Der Altersdurchschnitt der Conto-
rion-Mitarbeiter liegt bei 29 Jahren. „Bei
uns gibt es bereits sehr viele junge Mitar-
beiter, die wir ständig weiterentwickeln.
Da bot es sich an, noch ein bisschen frü-
her anzusetzen, einen Mitarbeiter direkt
im eigenen Haus auszubilden und mit
den eigenen Schwerpunkten von Anfang
an vertraut zu machen“, so Roehder.
Martin Rösnick hatte gar nicht vor, die
Ausbildung in einemStart-up zumachen.
Inzwischen ist er begeistert: „Bei Start-
ups ist nicht alles so fest durchstruktu-
riert. Ich habe die Freiheit, mir selbst The-
men zu suchen und eigene Interessenge-
biete zu vertiefen.“ Besonders gefällt ihm,
dass er bei Contorion in alles mit einbe-
zogen wird. An den Stand-up-Meetings
nimmt er selbstverständlich teil.
Auch Ahmad Ahmad hatte sich die
Arbeit in einem Unternehmen immer
anders vorgestellt, viel förmlicher. Dass
in seinem Ausbildungsbetrieb alle eher
Freunde als Kollegen sind, gefällt ihm
sehr. Der junge Syrer kam vor zwei Jah-
ren als Flüchtling nach Berlin und hat im
Herbst 2016 seine Ausbildung als Fachin-
formatiker bei Newsletter2Go gestartet.
Das Start-up bietet seit 2011 erfolgreich
E-Mail-Marketing-Software an. Mit-
gründer und Geschäftsführer Christoph
Beuck erzählt, wie das UnternehmenAn-
fang 2016 das erste Mal darüber nachge-
dacht habe auszubilden. „Der Jobmarkt
AUSBILDUNG
Kollegiale Atmosphäre:
Christin Seewöster und
Frederick Roehder (r.) mit
dem Azubi Martin Rösnick