IHK AKTUELL & SERVICE
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BERLINER WIRTSCHAFT 01/17
I
n unserem Land wird
häufig davon gespro-
chen, dass der Mittel-
stand das Rückgrat der Wirt-
schaft ist. Das dürfte auf
kaum eine Stadt so stark zu-
treffen, wie auf Berlin. Fast
90 Prozent der Mitgliedsun-
ternehmen der IHK beschäf-
tigen weniger als 100 Mitar-
beiter. Dazu gehören auch
die vielen schon in Berlin an-
gesiedelten Start-ups und
solche, die noch kommen
sollen. Aber steht für Berlin der Mittelstand wirklich im
Mittelpunkt, so wie es die Zahlen erfordern?
Die vordringlichsten Herausforderungen gerade der
vielen kleinen Mittelständler lassen sich schnell ausma-
chen. Es scheint kaum möglich zu sein, die offenen Stellen
zu besetzen. Dabei fehlt es nicht nur an Fachkräften, auch
Lehrstellen bleiben unbesetzt. Um imWettkampf mit den
Großen mitzuhalten oder sich dem internationalenWett-
bewerb zu stellen, zählt vor allem Geschwindigkeit. Hier-
für sind gerade die kleinen Unternehmen auf eine effi-
ziente Verwaltung und unkomplizierte Finanzierungs-
möglichkeiten angewiesen. Für die Innovationskraft des
Berliner Mittelstandes sind außerdem der Zugang zur viel-
fältigenWissenschafts- und Forschungslandschaft sowie
überwindbare Hürden für öffentliche Aufträge notwendig.
Der neuen Berliner Regierungskoalition kann man eine
gewisse Mittelstands-Orientierung nun nicht im Grund-
satz absprechen. Der Koalitionsvertrag enthält jede Menge
Versprechungen auch zu den oben angesprochenen The-
men. Die Digitalisierung der Verwaltung und das Bekennt-
nis zum E-Government-Gesetz inklusive einer schnellen
Umsetzung des Service-Kon-
tos lassen auf die baldige Ef-
fizienzsteigerung der Verwal-
tung hoffen. Eine Stärkung
der dualen Berufsausbil-
dung und die Förderung
eines Austausches zwischen
Wirtschaft und Wissenschaft
klingen ebenfalls besser, als
die leider ebenfalls angekün-
digte Prüfung einer – zu-
nächst branchenbezogenen –
Ausbildungsplatzabgabe. Ei-
ner innovationsfreundlichen
Vergabe mit entsprechenden Experimentierklauseln
könnten verschärfte ökologische und soziale Vergabekrite-
rien entgegenstehen. Allein also die ungewisse Umsetzung
lässt uns daran zweifeln, wie mittelstandsfreundlich unse-
re neue Regierung sein wird.
Das Kompetenzteamwird sich daher auch im Jahr 2017
für die dringenden Themen des Berliner Mittelstandes ein-
setzen und im Dialog mit Politik und Verwaltung auf die
richtigen Prioritäten drängen. Im Arbeitsprogramm stehen
darum zuallererst die „Karriere im Mittelstand“, die kon-
sequente Ausrichtung Berlins auf eine „Smart-City“ so-
wie eine mittelstandsfreundliche Wirtschafts- und Förder-
politik. Wer im Rahmen des Kompetenzteams Mittelstand
mitdiskutieren und sich einbringen möchte, ist herzlich
eingeladen. Kontakt:
www.ihk-berlin.de/kompetenzteamMITTELSTANDSKOLUMNE
SEBASTIAN STIETZEL
Vorsitzender des Kompetenzteams Mittelstand der
IHK Berlin und Managing Partner der Marktflagge
GmbH Management & Investments
werbegebieten und zur Bewältigung der
stetig wachsenden Pendlerströme wer-
den keine Lösungen angeboten. Beim
Wirtschaftsverkehr soll erst einmal ein
Konzept erarbeitet werden. Radverkehr
und auch Lastenradverkehr spielen da-
bei eine zentrale Rolle.
Stadtentwicklung
Auch hierwerden vomneuen Senat Kon-
zepte geschrieben: Flächenentwicklung,
Standortmanagement sowie ein Stadtent-
wicklungsplan für Industrie und Gewer-
be stehen auf seiner Agenda. Die landes-
eigenen Gesellschaften sollen 6.000 neue
Wohnungen bauen. Erleichterungen für
den privaten Wohnungsbau sind hinge-
gen laut Koalitionsvertrag nicht geplant:
Von einemunbürokratischen Bauneben-
recht oder der Anrechnung von Baukos-
ten auf Mietpreis- und Belegungsbindun-
gen ist nicht die Rede.
Energie und Umwelt
Ein „Steuerungskreis Energiewende“
soll eingesetzt, das „Energie- und Kli-
maschutzprogramm“ fortgeführt wer-
den. Der Energiemarkt wird durch ein
landeseigenes Stadtwerk ergänzt. In der
Kreislaufwirtschaft bleiben etablierte öf-
fentlich-privatwirtschaftliche Lösungen
unberücksichtigt, während auf Bundes-
ebene die Einführung der Blauen Plaket-
te vorangebracht werden soll.
FOTO: AMIN AKHTAR
Der Koalitionsvertrag des neuen Senats
bietet gute Ansätze – das Kompetenzteam
wird sich für die Umsetzung stark machen
Mittelstand im
Mittelpunkt?