EDITORIAL
03
BERLINER WIRTSCHAFT 05/17
Auch wenn alle Wirtschaftsindikatoren einen positiven Trend
aufzeigen, ist mit Korrekturen in der Entwicklung zu rechnen –
umso wichtiger ist es, mögliche Hürden zu beseitigen
E
s erscheint wie ein Selbstläu-
fer: Fast alle Wirtschaftsindi-
katoren zeigen einen konstant
positiven Trend auf. Doch der
Blick in die Historie lässt Ernüchterung
einkehren: Denn Korrekturen in der Ent-
wicklung hat es immer gegeben, und sie
werden auch den aktuellen Zyklus früher
oder später einholen. Umso wichtiger ist
es, die Grenzen desWachstums zu beach-
ten – und sie bestenfalls zu beseitigen.
In Berlin ist neben smarten Lösun-
gen für eine wachsende Stadt die grenz-
überschreitende Kooperation mit Bran-
denburg entscheidend – nicht nurwegen
unserer limitierten Flächen. Ob es Pend-
ler- oder Logistikverkehre sind: Die In-
frastruktur ist bereits heute amLimit und
benötigt dringend Entlastung durch Neu-
und Ausbau, um den drohenden Kollaps
zu vermeiden (s. Seite 52). Dass Berlin
mit dieser Herausforderung nicht allein
ist, zeigt im Übrigen das Beispiel Ham-
burg. Dessen Bürgermeister Olaf Scholz
war auf Stippvisite in unserer Kammer
und hat uns kompakt und kenntnisreich
über den Umgang mit der Metropolregi-
on an der Elbe berichtet (s. Seite 18). Mein
Fazit: Hier lohnt sich der Blick über die
Landesgrenze hinaus.
Die größteWachstumsgrenze verläuft
deutschlandweit: Der Fachkräftemangel
bremst schon heute die Konjunktur und
Grenzenloses
Wachstum?
EDITORIAL
bedroht die Entwicklung ganzer Bran-
chen, allen voran bei den Dienstleistun-
gen (s. Seite 56). Es fehlen insbesonde-
re beruflich Qualifizierte. Der grenzen-
lose Karriereweg der dualen Ausbildung
braucht dringend mehr Wahrnehmung
bei Schulabgängern.
Und nicht zuletzt müssen wir uns
einem internationalen Trend stellen, der
Grenzen als Heilmittel betrachtet: Der in
vielen Ländern grassierende Isolationis-
mus wird unserer Exportwirtschaft noch
massive Herausforderungen bescheren.
Die Idee grenzüberschreitenden Wachs-
tums ist derzeit wohl doch nicht so „en
vogue“, wie wir uns das alle wünschen.
Übrigens: Dass wir uns für diese und
viele andere Themen engagieren, geht
auf die Arbeit unserer Vollversamm-
lung zurück, die nun neu gewählt wird
(s. Seite 24). Mein Tipp: Wählen Sie mit
und geben Sie Ihren Branchenkandida-
ten ein Mandat für eine starke Stimme
der Berliner Wirtschaft.
Ihr Jan Eder
JAN EDER
ist seit 2003 Hauptgeschäfts-
führer der IHK Berlin. Bereits seit
1992 ist der Jurist und Politologe
bei der IHK tätig
FOTO: IHK BERLIN/OLIVER LANG