BERLINER WIRTSCHAFT 11/16
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UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Am Drucker: Der
begabte Gisevius
Seine farbigen Landkarten machten Bogdan Gisevius bekannt.
Die 1875 gegründete Lithographische Anstalt und Steindruckerei
konnte aber noch viel mehr
»
Von Björn Berghausen (BBWA)
In der Schöneberger Fach-
druckerei entstanden von
1875 bis 1977 Landkarten,
Kunst, Werbung und Lernspiele
G
eologische und bodenkund-
liche Karten und Pläne der
deutschen Kolonien stam-
men nicht sel-
ten von der Fachdruckerei
Gisevius in Schöneberg: Ob
Deutsch-Südwest oder To-
go – die Karten stuften ihre
Informationen nach einer
internationalen Farbskala
ab, die der Lithograph Bog-
dan Gisevius (1844-1929) ge-
meinsam mit dem Hessi-
schen Landesamt für Boden-
kunde entwickelt hatte.
Die Lithographische Anstalt und
Steindruckerei hatte Gisevius 1875 in der
chen Betrieb und an der Kunstgewerbe-
schule in Barmen. Er trat 1921 in das Un-
ternehmen ein, das er nach dem Tod der
Mutter 1937 allein besaß.
Im Krieg wurde die Druckerei am
Stammsitz in der Bülowstraße sowie auch
im Ausweichquartier in der Köpenicker
Straße ausgebombt und bezog eine pro-
visorischeWerkstatt in der Lützowstraße.
Dort begann nach demKrieg derWieder-
aufbau der Druckerei. Zwar konnte Gi-
sevius auf 15 altgediente Mitarbeiter zu-
rückgreifen, aber über Jahre plagte ihn
der Mangel an Kapital, der durch die mi-
serable Auftragslage des Druckereigewer-
bes bis 1951 noch verstärkt wurde.
Erst der 1954 aus der Sowjetzone
nach West-Berlin geflohene Hans-Josef
Anschütz schob das Geschäft wieder an,
wenn auch stotternd. Bis 1972 aberwuchs
Gisevius auf 100 Mitarbeiter, zwei Ber-
liner Fertigungsstätten und einen Betrieb
in Gifhorn an. Mit Lehrtafeln, Landkarten,
hängender Werbung und Kunststoffleis-
ten positionierte sich das Unternehmen
im Markt, Spezialität war der Druck auf
Plastik und Textilien. Mit dem Spiel Gi-
si-Lernfix sollte der Geschäftsbereich der
Lernmittel ausgebaut werden.
Die 1960er Jahre aber begleitete Ka-
pitalknappheit das Unternehmen: Immer
wieder gingen bei der IHK Beschwerden
über nicht gezahlte Rechnungen und Ge-
bühren ein. Anschütz versucht die Flucht
nach vorn und legt im Jahr des 100. Jubi-
läums 1975 – da war das Konkursverfah-
ren bereist lange eröffnet – einen Expan-
sionsplan vor, der unter maximaler Aus-
nutzung der Berlinförderung Investoren
anlocken sollte. Zwar kamen 9,8 Mio. DM
zusammen, doch schon 1977 betrug allein
die Steuerschuld des Unternehmens fast
2 Mio. DM. Die Bild-Zeitung berichtete
am 7. April: „Eines der ältesten Berliner
Druckhäuser pleite“. Die endgültige Lö-
schung erfolgt dann von Amts wegen am
24. September 1985.
FOTOS: BBWA
Linkstraße gegründet und zu schnel-
lem Erfolg geführt. Als das Unterneh-
men 1903 handelsregisterlich eingetragen
wurde, hatte es bereits über
hundert Mitarbeiter, hielt Pa-
tente auf zahlreiche Verfah-
ren und druckte im Mehr-
fachflachdruck. Kunden des
Kunst-, Plakat- und Karten-
drucks waren etwa Architek-
ten, Institute des Eisenbahn-
und Maschinenbaus. Know-
howerhielt das Unternehmen
durch den Wilmersdorfer
Kartographen und Lithographen Robert
Wenk. Gisevius’ Sohn, der ebenfalls Bog-
dan hieß (1890-1971), lernte im väterli-
Unternehmergeist:
Bogdan Gisevius




