TITELTHEMA
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BERLINER WIRTSCHAFT 05/17
lin keine zusammenhängenden Flächen
mehr, auf denen sie wachsen können.“
In Tegel soll es in der „Urban Tech
Republic“ 221 Hektar für Gewerbe und In-
dustrie geben. Bis zu eine Mio. Quadrat-
meter Bruttogeschossfläche können rea-
lisiert werden, 17.500 Arbeitsplätze sollen
entstehen, etwa genauso viele Menschen
können dort wohnen. „Bis 2030 wird der
Anstieg der Bevölkerungszahl aber auf
vier Millionen Menschen prognostiziert.
Wir müssen uns die Frage stellen, wo all
die neuen Berliner arbeiten können“, sagt
Bouteiller. Schließlich sei Berlin auch eine
Stadt zum Arbeiten. Schon heute wächst
die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse
schneller als die der Einwohner.
Derzeit besteht für wachsende Un-
ternehmen noch Aussicht auf ein grö-
ßeres Areal, beispielsweise in Tegel, im
Cleantech Business Park Marzahn oder
in Adlershof. Aber was passiert, wenn
die Hauptstadt diese Flächen eines Tages
nicht mehr bieten kann? „Einige erfolg-
reiche Unternehmen müssen dann unter
Umständen abwandern“, fürchtet Bouteil-
ler. Eine Ansiedlung ins Umlandwäre das
geringere Übel, doch Bouteiller sorgt sich,
dass diese Firmen für den gesamtenWirt-
schaftsraum Berlin-Brandenburg verlo-
ren gehen könnten.
Bouteiller möchte in Tegel einen
Standort für Technologien aufbauen, die
den hoch verdichteten Metropolen welt-
weit bei ihrenWachstumsproblemen hel-
fen. Dort sollen sich auchThinkTanks an-
siedeln, die nach Konzepten suchen, mit
denen die urbanen Herausforderungen
bewältigt werden. „Im Vergleich zu Ber-
lin sind die Probleme in vielen asiati-
schen Metropolen noch sehr viel größer“,
sagt Bouteiller. „Andererseits lässt sich
von Singapur, Hongkong oder Seoul auch
einiges lernen, zum Beispiel wie man mit
schnellemWachstum umgeht.“
Visionen von vertikalen Fabriken
müssen seiner Ansicht nach keine Visio-
nen bleiben. Gewerbe-Neubauten in der
City hält Bouteiller für realistisch. Für die
Logistikmüssten ganz neue Konzepte ent-
worfenwerden – so könnten etwaWaren-
transporte auf U-Bahn-Gleise verlagert
werden, wenn diese nachts für die Perso-
nenbeförderung nicht gebraucht werden.
Vorstellungen von der urbanen Produk-
tion der Zukunft hat auch Stephan Kühr.
Der Gründer und Geschäftsführer der
3Yourmind GmbH hat eine Plattform
entwickelt, auf der produzierende Un-
ternehmen mit 3D-Druck-Dienstleistern
zusammenfinden können. Er weiß, dass
Kunden über die Plattform nach Dienst-
leistern suchen, die in der Nähe ihrer
Produktion ansässig sind. Die Produk-
tion wird immer stärker dezentralisiert.
Für Berlin sieht er hier vielfältigste An-
wendungsbereiche. So muss die immer
größer werdende Start-up-Industrie mit
vielfältigsten Prototypen versorgt wer-
den, während im Kreativ- und Design-
bereich oft filigrane Anschauungsmodel-
le benötigt werden. Doch auch die Pro-
duktion von Ersatzteilen und komplexen
Hightech-Geräten wird durch 3D-Druck
im urbanen Raum wirtschaftlich. Die
3D-Drucker für den professionellen Ein-
satz haben Maße von etwa drei mal drei
mal zwei Metern undwiegen ungefähr 1,2
Tonnen. „Klassische Industriehöfe, wie es
sie in Berlin häufig gibt, sind ideale Stand-
orte“, sagt Kühr.
FOTOS: 3YOURMIND, TECHNOLOGIESTIFTUNG BERLIN/DOBRINDT
Gesunde Mischung
Moderne
Stadtplanung soll Funktions-
trennungen vermeiden
Technologiestiftung
Berlin
Anne-Caroline Erbstößer,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin