Berliner Wirtschaft Juni 2023

Aufenthaltsqualität und smarten Mobilitätsangeboten weiterentwickelt werden. Sowohl die Umfrage als auch die Beispiele aus der City West zeigen: Städtische Zentren haben eine Zukunft, vorausgesetzt, Erreichbarkeit, Angebotsmix und Erlebnisse sind gegeben. Für die Berliner Kieze mit ihren eigenen und unverwechselbaren Charakteren bedeutet dies, ihre Besonderheiten herauszuarbeiten, bekannter zu machen und für Bewohner wie auch für Gäste weiterzuentwickeln. „Bei dieser aktiven Umgestaltung unserer Zentren fällt den privaten Akteurinnen und Akteuren eine maßgebliche Rolle zu, und zwar aus allen Branchen, also sowohl Handel, Gastronomie und Immobilienwirtschaft als auch Tourismus und Kreativwirtschaft“, betont Robert Rückel. „BIDs können hier ein gutes Instrument sein, um privates Engagement zielgerichtet in jene Projekte zu lenken, die den Standort aus Sicht der lokalen Wirtschaft voranbringen“, ist der Vizepräsident der IHK Berlin überzeugt. Allerdings ist hierfür in Zukunft wesentlich mehr Unterstützung in Form von Beratung und Anschubfinanzierung nötig, als es bisher in Berlin der Fall war. „Da erhoffe ich mir vom neuen Berliner Senat mehr Engagement, zum Beispiel in Form einer Senats-BID-Direktion, die mit Know-how und Personal erste Hürden überwinden hilft“, so Robert Rückel. Dies ist nicht der einzige Vorschlag der IHK Berlin, mit dem sich die Attraktivität der Zentren in der Hauptstadt erhalten oder sogar verbessern lässt. Viele weitere konstruktive Ideen finden Interessierte im Businessplan „Pragmatische Stadt- entwicklung“ der IHK Berlin. Dieser im vergangenen Jahr veröffentlichte Katalog eines Expertenteams benennt Produkte, messbare Ziele, die nötigen Ressourcen sowie die relevanten Stakeholder, mit denen die Stadtgesellschaft die Verbesserung des Zusammenlebens und der Entwicklung Berlins zu einer nachhaltigen Weltmetropole vorantreiben kann. Einer der weiteren Lösungsansätze beschäftigt sich mit der Frage, welche Perspektiven es mit dem Umgang von Leerständen gibt. „Leerstände sind per se nicht schlecht oder schädlich“, sagt Susann Liepe. „Eine gewisse, aber geringe Leerstandsquote in Geschäftszentren ermöglicht erforderliche Modernisierungen der Gewerbeflächen und bietet Spielräume für die Ansiedlung neuer und innovativer Geschäftsmodelle“, ergänzt die Geschäftsführerin der Lokation:s Gesellschaft für Standortentwicklung mbH. Gefährlich wird es nach Überzeugung der Expertin für Standortentwicklung aber, wenn die Leerstände in einem Zentrum zunehmen und zu einer nachlassenden Attraktivität und abnehmenden Passantenfrequenzen führen. Dies gelte es etwa mithilfe einer sinnvollen Zwischennutzung zu vermeiden. „Grundsätzlich ist dabei aus Sicht der Zentrensicherung eine attraktive Zwischennutzung eine Nutzung, die für den Standort Frequenz erzeugt, unabhängig davon, ob es sich um eine kommerzielle Handels- oder Gastronomienutzung, ein kulturelles oder Bildungsangebot handelt beziehungsweise eine soziale Nutzung beinhaltet“, erklärt Susann Liepe. „So eine Zwischennutzung sollte aber inhaltliche, räumliche und zeitliche Kopplungseffekte zu anderen Nutzungen aufweisen.“ Kulturelle Zwischennutzung Wie praktikable Lösungen im Sinne einer pragmatischen Stadtentwicklung aussehen können, zeigt das Beispiel des Vereins Transiträume Berlin. Dessen zentrales Anliegen ist es, temporären Leerstand von Berliner Gewerbeimmobilien als Chance zu sehen und diese zugunsten der Stadtgesellschaft sowie der Immobilienobjekte zu nutzen. „Unser Verein dient einerseits dem Erfahrungsaustausch mit Immobilienunternehmen, die auf der Suche nach temporären Zwischennutzungskonzepten sind“, erklärt Michael Hapka, Vorstandsvorsitzender von Transiträume Berlin. „Dabei geben wir die Erfahrungen von bereits realisierten temporären Zwischennutzungskonzepten weiter.“ Andererseits unterbreite der Verein den Eigentümern Vorschläge zur kulturellen Zwischennutzung und berate Kulturschaffende beim Finden passender Locations für ihre Projekte. „Die Stadt Berlin sollte sich als Ziel setzen, die im Grunde frappierend einfache Möglichkeit, mit Leerstand positive Effekte zu erzielen, zu einem Standard zu machen“, schlägt Hapka vor. Auch IHK-Vizepräsident Rückel möchte die sich durch sinnvolle Zwischennutzungen ergebenden Chancen mehr in den Fokus rücken. „Eine zentrale Zwischennutzungsagentur kann hier helfen, Leerstände und Nutzungen zu matchen, aber auch Fragen zur Projektfinanzierung zu beantworten.“ Es gibt viele Ideen und Vorschläge, wie Zentren attraktiv und selbstbestimmt bleiben können, etwa durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Gastronomie und Bezirken. So hat etwa der Bezirk Mitte die Möglichkeit verstetigt, dass Parkbuchten im öffentlichen Straßenland entweder für Schankvorgärten von anliegenden Gaststätten oder für Parklets als Orte der Begegnung genutzt werden können. ■ Christof Deitmar, IHK-Public-Affairs- Manager Stadtentwicklungspolitik Tel.: 030 / 315 10-411 christof.deitmar@berlin. ihk.de 35 % der Teilnehmer einer Umfrage der IHK Berlin und weiterer Partner bescheinigen Ku’damm und Tauentzien gesteigerte Attraktivität. Romy Schubert BID Ku’damm-Tauentzien Durch unsere Aktivitäten wurde ein Qualitätsniveau erreicht, das sich mit großen internationalen Metropolen messen kann. FOTOS: AMIN AKHTAR, PRIVAT Berliner Wirtschaft 06 | 2023

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