Berliner Wirtschaft April 2024

den vergangenen Jahren zum absoluten Hotspot der Fintechs in Deutschland und darüber hinaus entwickelt“, sagt Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin. Von den deutschlandweit 1.000 Fintechs sitzen rund 40 Prozent in Berlin, die in der Hauptstadt mehr als 13.000 Mitarbeitende beschäftigen. Tendenz steigend. Nicht nur die Fintechs lassen den Finanzstandort, an dem immerhin 1870 die Deutsche Bank in der Französischen Straße ihre Geschäftstätigkeit aufnahm und die Allianz 1890 gegründet wurde, in neuem Glanz erstrahlen. Die innovationstarke Szene zieht neben deutschen Banken auch ausländische Institute an, wie die amerikanische J.P. Morgan, die in der Hauptstadt die Digitalbank Chase starten will. Doch nach der langen Wachstumsphase kam die Ernüchterung. Zuletzt hatten die gestiegene Skepsis gegenüber hoch bewerteten Tech-Aktien, Hyperinflation, steigende Zinsen nach rund zehnjähriger Nullzinsära und der Ukraine-Krieg dafür gesorgt, dass nicht nur Tech-Papiere an den Börsen abgestraft wurden. Auch die Bewertungen von Fintechs zog es zum Teil deutlich nach unten. Einst spendable Venture-Capital-Investoren schauten plötzlich sehr viel genauer auf die potenzielle Ertragskraft der Geschäftsmodelle. Einige Finanz-Start-ups wie Elinvar (Investment) oder Nuri (Krypto) entpuppten sich in der Folge als substanzschwach und mussten Insolvenz anmelden. N26 und Solaris leiden derweil unter dem schnellen Kundenwachstum der Boom-Jahre. Regelmäßig sind die Finanzaufseher der BaFin zu Gast, um das Abwickeln ordnungsgemäßer Geschäfte sicherzustellen. Zu einer der großen Herausforderungen zählt Achim Oelgarth deshalb auch, dass die jungen Finanztechnologie- unternehmen in dem stark regulierten Umfeld entsprechend den BaFin-Vorgaben agieren. Auch da könne das House of Finance and Technology Berlin unterstützen. Aus Sicht von „Finanz-Szene“, einem der führenden Newsletter für die deutsche Banken- und Fintech-Branche, „ist die Fintech-Branche als Ganzes durch die nicht enden wollende Funding-Krise sicherlich um 12 bis 24 Monate zurückgeworfen worden“. Verkehrt sei aber, deswegen zu glauben, das sei es jetzt gewesen mit Fintech. Stattdessen hätten gerade die vergangenen Wochen gezeigt, dass sogar das Gegenteil der Fall sein könnte. Da seien zum einen die weiterhin stark steigenden Kundenzahlen. Zum anderen schöben sich Player, die man bislang in der Peripherie verortete, plötzlich mitten auf die Bildfläche, etwa die KMU-Bank Finom. Und trotz des schwierigeren Umfeldes gelang es diversen Fintechs, erfolgreich stattliche Finanzierungsrunden abzuschließen, darunter Scalable Capital, Banxware, Upvest und Solaris. Der Zinsmarktplatz Raisin etwa sammelte im vergangenen Jahr noch einmal 60 Mio. Euro ein, sodass insgesamt seit der Gründung 400 Mio. Euro in das Unternehmen flossen. Und Trade Republic bekam jüngst die begehrte Banklizenz und damit einen deutlich größeren Handlungsspielraum. Anbieter im Blockchain-Bereich legen zu Für Florian Heinemann, Mitgründer und Partner des 2012 gestarteten Berliner Frühphaseninvestors Project A Ventures, spüren die meisten Fintechs zwar nicht gerade massiven Rückenwind, aber „es gibt immer noch viel Disruptionspotenzial, weil der Markt in vielen Bereichen immer noch verkrustet ist“. Gute Chancen hätten deshalb Unternehmen wie Mambu oder Lemon Markets, die die technologische Infrastruktur für Banken und Finanzdienstleister bereitstellen. Und nach dem vorübergehenden Einbruch läuft es mit der Erholung der Kurse der Kryptowährungen jetzt auch für Anbieter im Bereich Blockchain beziehungsweise Krypto wieder deutlich besser. Die Fintech-Branche zeigt sich also resilient und sendet wieder Lebenszeichen. Dafür kann sie auch eine neue Messe nutzen. Am 24. und 25. April 2024 wird in der Kongressarena CityCube zum ersten Mal das Fintech-Festival FIBE (steht für Fintech Berlin) stattfinden. Die Messe Berlin hatte angekündigt, die FIBE zum Signature-Event für das Fintech-Ökosystem in Europa machen zu wollen. Für IHK-Präsident Stietzel kommt es aber jetzt auch darauf an, „diesen innovativen Unternehmen der Finanzwirtschaft Rahmenbedingungen und Infrastruktur zu bieten, unter denen sie am Standort optimal operieren und wachsen können“. Miriam Wohlfarth, Fintech-Seriengründerin und Geschäftsführerin von Banxware, ergänzt: „Ich appelliere inständig an Wagniskapitalgeber und Family Offices, weiter Geld in Innovation zu stecken. Der Fachkräftemangel und fehlende Finanzierungsgelder werden weder vor Berlin noch vor anderen unterschätzten Tech-Innovationshubs wie Heilbronn, Frankfurt oder München haltmachen.“ Fintechs bräuchten neben staatlicher Förderung schnell verfügbares Wagniskapital, das sie handlungsfähig mache, um zukunftsfähig zu sein. „Innovation wird genau jetzt, in der Krise, gebraucht.“ ■ Tobias Rühmann, IHK-Key-Account- Manager Finanz- und Versicherungswirtschaft Tel.: 030 / 315 10-621 tobias.ruehmann@ berlin.ihk.de 25 Mrd. Euro Gesamtwert erreichten die Berliner Fintechs und InsureTechs in der zurückliegenden Dekade. 13.000 Beschäftigte haben die in der Hauptstadt ansässigen Fintechs insgesamt. Tendenz steigend. 40 % der Fintechs, von denen es in ganz Deutschland etwa 1.000 gibt, haben ihren Sitz in Berlin. Miriam Wohlfahrt Geschäftsführerin Banxware Ich appelliere an Wagnis- kapitalgeber und Family Offices, weiter Geld in Innovationen zu stecken. Berliner Wirtschaft 04 | 2024

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