Berliner Wirtschaft Dezember 2023

Report erstellen und per E-Mail abschicken. Aber das darf ich nicht, weil es sich um Gesundheitsdaten handelt. Ich muss alles per Fax schicken. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Dabei gibt es von der Gematik die KIM, die „Kommunikation im Medizinwesen“. Das könnte man ausbauen. Aber? Aber das Verfahren wird nicht genutzt. Ich kann in diesem gesicherten Netzwerk einem Arzt schreiben und um eine Verordnung für die Erbringung von medizinischen Leistungen bitten. Das haben wir auch probiert. Was ist dann passiert? Der Arzt schickt mir daraufhin per Post einen Brief. Diesen Brief schicke ich dann zum rechtlichen Betreuer und bitte um eine Unterschrift und Bestätigung, dass außer uns keiner da ist, der den Pflegebedürftigen versorgen kann. Und dann? Wenn wir diesen Brief zurückerhalten haben, scannen wir ihn ein und schicken ihn an die AOK und erbitten die Genehmigung. Ich muss aber immer auch zusätzlich das Original an die AOK schicken. Das Hin- und Herschicken von Papier ist heutzutage Irrsinn. Viele dieser Prozesse sind bundesweit in der sogenannten Hauskrankenpflege-Richtlinie geregelt, die immer noch in Papier „denkt“. Diese Richtlinie ist für die Krankenkasse ausschlaggebend. Hier muss angesetzt werden, um die überbordende, teils sinnfreie Bürokratie zu entschlacken. Haben Sie noch mehr solcher Anekdoten? Aber ja, jede Menge. Auch meine Mitarbeiter lachen oft über das, was wir machen müssen. Das versteht heute niemand mehr. Privat buchen wir alle unsere Reisen im Internet, kaufen in Onlineshops oder vereinbaren Termine über Portale. Aber im Büro muss ständig etwas ausgedruckt oder eingescannt werden. Geht es Ihnen insbesondere um die Verwaltung, oder digitalisieren Sie auch bei den Pflegeleistungen? Wir machen auch die Dokumentation der Pflege digital. Dafür gibt es moderne Dokumentationsmethoden. Für viele Pflegemaßnahmen sind Standards hinterlegt. Wir dokumentieren im besten Fall nur die Abweichung, also wenn zum Beispiel eine Medikamentengabe verweigert wurde. Das geht aber auch nur, weil wir Wohngemeinschaften betreuen. Denn die Akten müssen aus vertragsrechtlichen Gründen beim Kunden liegen. Pflegedienste, die mit dem Auto zum Kunden nach Hause fahren, können das gar nicht anwenden. Sie müssten bei jedem Pflegebedürftigen ein Notebook oder Tablet abstellen. Sind Pflege-WGs die Zukunft? Die Idee ist in Berlin schon sehr weitverbreitet. Das Modell ist für die Altenpflege in der Tat sehr wichtig, weil allein in Berlin bereits etwa 5.000 Pflegeplätze fehlen – und es werden eher mehr, die fehlen. Ein Grund ist, dass keine neuen Pflegeheime mehr gebaut werden, weil es sich für die Investoren nicht mehr rechnet. Ich weiß derzeit nur von einem einzigen Pflegeheim, das in Berlin neu gebaut wird. Dabei wird der Bedarf angesichts des demografischen Wandels stark wachsen. Wie funktionieren die Pflege-Wohngemeinschaften? Jeder hat sein eigenes Zimmer. Küche, Bad und Wohnzimmer werden gemeinsam genutzt. Jeder nimmt nach seinen individuellen Bedürfnissen und Ressourcen am WG-Leben teil. Wir sorgen dafür, dass rund um die Uhr Pflegepersonal anwesend ist. Unser Personalschlüssel ist gut, wir sind – außer nachts – immer mit zwei Pflegekräften vor Ort. Mit der Vermietung haben wir nichts zu tun. Bislang hätten wir auch gar nicht vermieten dürfen. Anett Hüssen kann bei Neueinstellungen oft auswählen. Das erhöht die Qualität des Pflegedienstes. Etwa 95 Prozent der Bewerber sind Empfehlungen von Mitarbeitern 17 Pflege- Wohngemeinschaften versorgt die Dietmar Depner GmbH. In jeder dürfen maximal zwölf Bewohner leben. FOTO: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 12 | 2023

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