Berliner Wirtschaft Juni 2023

nicht mehr genügend Frequenz. Der Handel allein bietet heute nicht mehr die Attraktivität, ein Zentrum zu füllen. Ein Viertel muss auch aus sich selbst heraus attraktiv sein, durch Gastronomie und kommerzfreie Orte – zum Beispiel Spielorte für Jung und Alt oder Sitzgelegenheiten an Springbrunnen. Es darf nicht zu laut sein, keinen Smog geben. Der Handel braucht mehr Aufenthaltsqualität. Macht sich darin der Wettbewerb durch den Onlinehandel bemerkbar? Genau. Das ist der große Treiber in dem Prozess. Vor 20 Jahren musste man ins Stadtzentrum gehen, wenn man etwas Spezielles haben wollte. Heute finde ich alles auch in Onlineshops. Der klassische Einzelhandel hat diese Alleinstellung für den Kauf der Waren verloren. Ist es Ihrer Ansicht nach für ein Viertel ein Problem, wenn angestammte Kundenmagnete wie Warenhäuser verschwinden? Nein, das wird überschätzt. Die Warenhäuser, die verschwinden, haben ja ihre Funktion als Kunden- attraktion weitgehend verloren. Ein Grund ist, dass sie vom Betreiber als Assetklasse betrachtet werden, als eine Immobilie, die mit möglichst breiten und tiefen Sortimenten betrieben wird. Aber das bietet das Internet auch. Es gibt Warenhäuser, oftmals familiengeführt, die sich dagegen als wichtiger funktionaler Bestandteil der Innenstadt betrachten. Sie vernetzen sich zum Beispiel durch Events mit dem Stadtleben, integrieren kleine Cafés und Boutiquen. Diese Formate funktionieren noch heute gut. Inwiefern ist die Politik gefordert, damit Zentren attraktiver werden? Oder ist das allein Sache der Wirtschaft? Die Politik muss mehr machen, weil derzeit viel an den Bebauungsplänen scheitert. Das betrifft zum Beispiel die Umnutzung eines Warenhauses. Zukunftsweisende Projekte setzen auf eine Mischung von Wohnen, Arbeiten und Einzelhandel. Investoren können aber nicht zehn Jahre auf die Genehmigung der Nutzungsänderung warten. Also machen sie ein reines Bürogebäude daraus, weil sie für das Wohnen keine Genehmigung haben. So entsteht aufgrund veralteter Bebauungspläne wieder Monotonie. Es gibt auch Beispiele, die zeigen, dass die Politik für die Resilienz der Innenstädte und den Klimaschutz handeln muss. Nämlich? Genügend Studien zeigen, wie wichtig die Begrünung der Innenstädte ist, um Überhitzung zu vermeiden und die Aufenthaltsqualität aufrechtzuerhalten. Heute gibt es klare Regeln, wie viele Parkplätze im Rahmen eines Neubauprojekts entstehen müssen, aber nicht, wie viel Grün angelegt werden muss. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Was kann die Wirtschaft selbst für attraktive Zentren unternehmen? Es wird schon einiges gemacht. Ein gutes Beispiel ist der gesamte Kurfürstendamm. Die AG City als Zusammenschluss der dortigen Anrainer ergreift viele Maßnahmen, um ein lebendiges Quartier zu erhalten – zum Beispiel, indem der Leerstand zusammen mit den Immobilieneigentümern gut gemanagt wird. Ich bin auch gespannt, was am Potsdamer Platz passiert. Dort wird sehr viel in den Umbau investiert. Und sehr interessant finde ich die Ansätze, über Kunst und Kultur die Kieze zu beleben – zum Beispiel im Quartier rund um die Bülow- straße durch das Netzwerk von Urban Nation und das Urban Nation Museum. Es gibt aber nicht in jedem Stadtzentrum eine Organisation wie die AG City. Was raten Sie kleineren Händlern, die selbst etwas für die Attraktivität ihres Das Agentur- maskottchen Gertie hat seinen festen Platz bei Dan Pearl- man. Auch Nicole Srock.Stanley hat es Glück gebracht. Ihre Firma hat mittlerweile 120 Mitarbeitende Gut vernetzt Kontakt zu Nicole Srock.Stanley auf LinkedIn über den QR-Code: FOTOS: AMIN AKHTAR, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Berliner Wirtschaft 06 | 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy MTk5NjE0NA==