Berliner Wirtschaft Mai 2021

➝ Indirekte Beteiligungen sollten, zum Beispiel für Zwecke des Poolings vonMitarbeiterinnen und Mitarbei- tern, eben- (weniger als 250 Mitarbeiter bei einem Jahresum- satz von höchstens 50 Mio. Euro oder einer Jah- resbilanzsumme vonmaximal 43 Mio. Euro) und nicht älter als zehn Jahre ist und ➝ der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin der Freistellung vom Lohnsteuerabzugsverfahren zustimmt (nur sinnvoll, wenn keine liquiden Mittel bei Gewährung zur Verfügung stehen, da nur ein Steueraufschub vorliegt) und die direkte Beteiligung zusätzlich zum Lohn (und nicht als Entgeltumwandlung) erhält. Die vorgesehenen Regelungen wei- sen, trotz des richtigen Ansatzes, Män- gel auf, die der Gesetzgeber noch vor Erlass des Gesetzes beheben sollte ➝ worauf etwa auch die Bundes- rats-Ausschüsse in ihren Emp- fehlungen hinweisen: ➝ Es fehlen Vorgaben zur Bewertung der ausgegebe- nen Beteiligung, obwohl eine solche bei Ausgabe vorzu- nehmen ist. Mangels histo- rischer Werte und vergleich- barer Marktsegmente dürfte sich das bei vielen Start-ups als schwie- rig erweisen. Ein Standardbewer- tungsverfahren wie etwa in den USA (409A) wäre wünschenswert. ➝ Der Freibetrag von 720 Euro ist zu gering. Im internationalen Vergleich läge Deutschland damit weit hinter der europäischen Konkurrenz (Spa- nien: 12.000 Euro, Österreich: bis zu 4.500 Euro, Großbritannien: 3.600 Pfund, umgerechnet rund 4.170 Euro). Deshalb fordern die Bundesrats-Aus- schüsse zu Recht 5.000 Euro als Freibetrag. ➝ Die Kriterien, die neben der Veräußerung der Anteile zu einer Besteuerung führen (Ablauf von zehn Jahren, Arbeitgeberwechsel), sind unsach- gemäß, weshalb die Bundesrats-Ausschüsse eine Erhöhung des Zeitablaufs auf 15 Jahre und eine Streichung des (die freie Berufswahl ein- schränkenden) Kriteriums des Arbeitgeberwech- sels fordern. ➝ Das Erfordernis der Erfüllung der KMU-Kri- terien bei umsatz-, aber oft nicht gewinnstarken Wachstumsunternehmen sowie die zehnjäh- rige Bestehensgrenze (vor allem bei komplexen Produkten im Bereich Biotech oder Healthtech) erscheinen willkürlich. Die Ausschüsse des Bundesrats verlangen daher die Ausweitung auf Unternehmen mit bis zu 499 Mitarbeitern und eine Verlängerung auf 15 Jahre. falls von den Begünstigun- gen profitieren. Diese Schwä- chen des FOGmüssen Start-ups bei derWahl des Mitarbeiterbeteiligungsmo- dells berücksichtigen. Unter- nehmen, die bereits virtuelle Beteiligungen ausgegeben haben, dürften sich außerdem die Frage stellen, ob und wie ein Wechsel von diesen in direkte Beteiligungsprogramme erfolgen kann. Bei diesemWechsel des Mitarbeiterbeteiligungs- modells sollten Start-ups … ➝ einen Ausschluss oder ein Pooling des Stimm- rechts vornehmen sowie zusätzliche vertragliche Vereinbarungen treffen, um die direkte Beteili- gung einer vorherigen virtuellen Beteiligung wirtschaftlich weitestgehend anzunähern, ➝ eine treuhänderisch vom Start-up gehal- tene direkte Beteiligung für die Mitarbeiter in Betracht ziehen, ➝ im Falle eines kurz bevorstehenden Unter- nehmensverkaufs bei passivierungspflichtigen Rückstellungen oder Verbindlichkeiten aus vir- tuellen Beteiligungen auch an einen Passivtausch in Eigenkapital ohne steuerlichen Realisations- tatbestand denken – ähnlich wie bei der Wand- lung von Darlehen in Geschäftsanteile. Allerdings ist zu diesen Punkten noch keine gesetzliche Regelung im FOG vorgesehen. Auch deswegen besteht nachwie vor erheblicher Nach- holbedarf aufseiten des Gesetzgebers, dem durch eine Überarbeitung des aktuellen FOG-Entwurfs nachgekommen werden sollte. ■ Die Autoren Benedikt Mahr und Alice Niemann-Fritsch sind bei der Kanzlei Weitnauer (Standorte Berlin, München, Ham- burg, Mannheim) tätig, Mahr als Rechtsanwalt und Steuerberater, Niemann-Fritsch als Rechtsanwältin. Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Gründerszene Die Originalversion des Textes liegt auf: gruenderszene.de (kostenpflichtig) 61 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2021

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