Berliner Wirtschaft Mai 2021

Einer für alle ... aber nicht in Berlin! So gut Verwaltungsdigitalisierung auf Bundesebene auch klingt: Die Realität in Berlin sieht anders aus und scheitert erneut an den diffusen Zuständigkeiten S tolze 575 Verwaltungsleistungen wur- den im Rahmen des Onlinezugangsge- setzes (OZG) des Bundes identifiziert, die zu digitalisieren sind. 315 davon befinden sich im Reifegrad 2 – das ist eine Stufe über demPDF-Formular zumDownload – oder besser. Der Anteil der bereits höher- wertig digitalisierten Leistungen in diesen 315 ist noch marginal. Aber das bedeutet nur, dass mindestens eine Kommune bundesweit diesen Zustand erreicht hat. Flächendeckend einheit- lich verfügbar sind davon weniger als zehn. Dass dennoch vor allem die erste Zahl kommuniziert wird, folgt einer ein- fachen Logik: Wenn ein Verfahren erfolgreich in einer Kommune umgesetzt wurde, soll es auf die anderen übertragen werden. Die Bundesländer haben dazu unterschiedliche Verantwor- tung bei der Abarbeitung des Gesetzes übernommen. Einer für alle eben! Wir wollten wissen, wie gut das funktioniert und warum wir den Eindruck haben, dass es in Berlin mit Servicekonto & Co. nicht vorangeht. Dafür haben wir den zuständigen Staatssekretär im Bundesinnenmi- nisterium und damit Bundes-CIO, Dr. Markus Richter, und sein Ber- liner Pendant, Sabine Smentek, Ende März in das Stadtgespräch Mittelstand eingeladen. Abseits der oben genannten Zahlen wurden unsere Hoffnungen bedient. Der Bund fokus- siert unternehmensbezogene Verwaltungsvor- gänge aufgrund der höheren Kontaktfrequenz. Er misst Nutzung und Kundenzufriedenheit und veröffentlicht die Ergebnisse. Und er sucht die Kooperation mit der Wirtschaft. Darüber hinaus fordert Richter: Jedes Ministeriummuss ein Digitalministerium sein –mit einer starken zentralen Steuerung und ergänzt um eine Digi- talakademie für den Aufbau digitaler Kompe- tenzen. Balsam für die E-Government-Seele, garniert mit der Ankündigung, noch in dieser Legislaturperiode den Personalausweis aufs Handy zu bringen. Doch was läuft schief? Der in Mecklen- burg-Vorpommern erfolgreich eingeführte digitale Bauantrag ist noch nicht mal dort lan- desweit ausgerollt. Berlin prüft sogar noch, ob die Lösung überhaupt kompatibel zu den Ber- liner Systemen ist. Und dann ist da die Zustän- digkeitsfrage: Wie viel Durchgriffsrecht hat die Berliner CIO Smentek auf Fachverwaltungen und Bezirke? Doch nicht: „Einer für alle“? Der für Verwaltungsmodernisierung zuständige Staatssekretär, Dr. Frank Nägele, fordert hier- für einen rechtlichen Rahmen, der über den Zukunftspakt hinausgeht. Eine Verfassungs- reform ist im Gespräch. Andere Bundesländer beweisen: Eine enge(re) Kooperation der Landes-IT-Dienst- leister über alle Verwaltungseinheiten hin- weg würde schon helfen. Der Status in Ber- lin dagegen: Umsetzung Unternehmenskonto: noch nicht entschieden, Anzahl von digitalen OZG-Leistungen: 120 von 575, Reifegrad: divers. # LegislaturEndspurt ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam Mehr zum aktuellen Thema: onlinezugangsgesetz.de Sebastian Stietzel Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments FOTO: CHRISTIAN KIELMANN AGENDA | Mittelstandskolumne

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