Berliner Wirtschaft Mai 2021

D er Ausbruch der Corona-Pandemie stellt die Weltwirtschaft und das gesamte gesellschaftliche Leben auf den Kopf. Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts hat Berlin im vergangenen Jahr 3,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt (s. auch S. 13). Umwieder auf denWachstumspfad zurückzufinden und das Wirtschaften trotz Pan- demie sicherzustellen, fehlt es allerdings aktuell immer noch an innovativen Ideen aus der Politik. Ein Jahr nach Ausbruch und viele Monate seit dem ersten Lockdown, der die gesamte Welt in den Stand-by-Modus versetzt, herrscht weiter Unklarheit über die politische Richtschnur der Landespolitik. In einer IHK-Befragung im März, an der sich mehr als 300 Berliner Unternehmen beteiligt haben, bewertete dieWirtschaft die Per- formance der Senatsarbeit bei der Corona-Krisen- bewältigung eher mittelmäßig. In einer Skala von 1 für sehr gut bis 5 für schlecht erreichte die Poli- tik 3,5 Punkte. Dabei ist jedoch zu berücksichti- gen, dass die Bewertung der Gesamtperformance über Themen wie Verkehrspolitik etc. hinweg bei gerade einmal 3,8 Punkten im Durchschnitt lag. In ihrer Kritik an der Senatsarbeit zur Krisen- bewältigung formulieren die Betriebe drei große Schwerpunkte: die unzureichenden Kompensati- onsleistungen zu den verordneten Betriebsschlie- ßungen, die fehlende Richtschnur bei der Politik hinsichtlich Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie und der Impfstrategie und das Digita- lisierungsdefizit in den Berliner Verwaltungen. Corona-Hilfsleistungen sind ein Ärgernis Vor allem die Corona-Hilfsleistungen sind für die Betriebe, die die Auswirkungen der Pande- mie aufgrund von Betriebsschließungen beson- ders deutlich spüren, ein Ärgernis. Die Unter- nehmen empfinden die Praxis zur Beantragung und Auszahlung als zu bürokratisch und lang- sam. Unverständnis besteht darüber hinaus auch über die Richtlinien der einzelnen Hilfsleistun- gen. So haben beispielsweise Handelsunterneh- men keinen Anspruch auf die November- und Dezemberhilfen (bei denen es sich um umsatz- abhängige Zahlungen handelte), wohingegen Gas- tronomen auf diese Hilfen zugreifen konnten. In der aktuellen Förderkulisse um die Überbrü- ckungshilfe III bleibt den Gastronomen die hun- dertprozentige Sonderabschreibung auf Waren hingegen verwehrt, während Großhändler ihre Waren, die sie nicht mehr an die Gastronomen vermittelt bekommen, großzügig über die hun- dertprozentige Sonderabschreibung anrechnen lassen können. Viele dieser Ungleichbehandlun- gen und sogenannter Förderlücken hat die IHK identifiziert und gemeinsam über den Dachver- band der IHK-Organisation, den DIHK, gegenüber Bund und Land adressiert. Auch die stockenden Auszahlungen aufgrund von technischen Pannen oder Überarbeitungen von Richtlinien trieben die Betriebe weiter in die betriebliche Defensive. Das ist verheerend vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen in den vergangenen Monaten immer schneller auf geänderte Verordnungen reagieren mussten und Optionen wie „Click and Collect“ oder auch „Click and Test“ betriebliche Investitionsausga- ben erforderten. Unplanbarkeit durch ständige Änderungen Doch nicht nur die Corona-Hilfen führen in der Wirtschaft zu Unverständnis. Die Unplanbarkeit durch neue Corona-Verordnungen und Pflichten hängt wie ein Damoklesschwert über den Betrie- ben. Neue Verordnungen sind in den vergangenen Monaten kurzfristig in Kraft getreten und ließen viele Unternehmen oftmals ratlos zurück. Nicht nur in Bezug auf die Frage, ob ihr Betrieb nun von Schließungen betroffen ist oder nicht, auch die Pflichten zu Homeoffice und Testungen stellen die Unternehmen vor bürokratische Hürden. So wurde mit der Verordnung zur Testpflicht nicht sichergestellt, dass den Betrieben geschultes Per- sonal zur Seite steht, um Schnelltests rechtssicher und fachgerecht durchzuführen. Viele Unternehmen in Berlin haben mit dem Ausbruch der Pandemie Hygienekonzepte erstellt, die Homeoffice-Infrastruktur aufgebaut und beteiligen sich bereits freiwillig an den Testun- gen. In einem gemeinsamen Aufruf forderte die Berliner Wirtschaft, vertreten durch IHK Berlin, Verband der Familienunternehmer Berlin, VBKI, Dehoga Berlin, Handelsverband Berlin-Branden- burg, Fachgemeinschaft Bau, Junge Unternehmen, Intoura undWirtschaftsjunioren Berlin, imApril von der Landespolitik einen neuen Kurs imCoro- na-Krisenmanagement. Dafür hat sie Vorschläge für die bessere Einbindung von Know-how, Ideen und technologischen wie logistischen Ressour- cen privater Unternehmen und Institutionen in der Pandemiebekämpfung formuliert. Dabei geht es unter anderem konkret darum, dass Werks- und Betriebsärzte stärker in die Infrastruktur zur Verteilung des Impfstoffs eingebunden und die Gesundheitsämter besser vernetzt werden. ■ Aufruf der Wirtschaft Appell an die Landespolitik imWortlaut unter: ihk-berlin.de/aufruf-krisen- management Katharina Zalewski, Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-244 katharina.zalewski@ berlin.ihk.de Zu viele Menschen müssen zu lange auf das Impfen warten. Eine Einbindung von Werks- und Betriebs- ärzten würde im Kampf gegen die Pan- demie weiterhelfen FOTOS: GETTY IMAGES/ANDRIY ONUFRIYENKO, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 11 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2021 AGENDA | Pandemie-Bewältigung

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