Berliner Wirtschaft April 2024

Nils Busch-Petersen Hauptgeschäftsführer, Handelsverband Berlin-Brandenburg Die Branche der Lebensmittel- lieferdienste ist keine Tummelwiese für unendlich viele Anbieter. Simone Blömer IHK-Expertin für Einzelhandel Tel.: 030 / 315 10-432 simone.bloemer@ berlin.ihk.de von hier, setzen auf Frische, kurze Wege und lassen uns zu jeder Zeit über die Schulter schauen.“ Etwa 30 Prozent der selbstangebauten und hergestellten Produkte liefert er direkt an die Haustür. Damit erreicht er 2.500 Kunden pro Woche. Die Kunden haben die Auswahl aus 4.000 Artikeln; bestellt wird online oder per Telefon. Jeder Kunde hat einen festen Liefertag pro Woche. Doch das Geschäft mit Lebensmittellieferdiensten ist hart. Zwar bestünde die Nachfrage nach einem Online-Supermarkt schon lange, die meisten Versuche scheiterten aber an der Profitabilität, hat die Beratung Oliver Wyman festgestellt. Und nach Angaben der Marktforscher des GfK Consumer Panel werden nur 2,8 Prozent der Lebensmittel in Deutschland online verkauft. Auch der Trend stimmt nicht sehr optimistisch: Zwar sei der Anteil online verkaufter Lebensmittel hierzulande in den Pandemiejahren leicht angestiegen; für das Jahr 2023 registrierte der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel allerdings einen Rückgang um 6,9 Prozent in der Kategorie Lebensmittel. „Die Branche der Lebensmittellieferdienste ist keine Tummelwiese für unendliche viele Anbieter. Das ist knallhartes Geschäft“, weiß Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. In Zukunft werden ein oder zwei flächendeckende Lieferservices das Hauptgeschäft unter sich aufteilen, glaubt der Handelsexperte. Im Fokus stehen der Rewe-Konzern, der schon 2011 mit einem Lieferservice an den Start gegangen ist, sowie Knuspr und Picnic, die beide in diesem Jahr aktiv werden wollen. Der holländische Dienst Picnic gehört zu 35 Prozent zum Edeka-Verbund. Es herrscht hoher Wettbewerbsdruck, die Margen sind niedrig, so Busch-Petersen: „Von 100 Euro Umsatz bleibt im Schnitt ein Euro Gewinn.“ Für Berliner Firmen heißt das: Sie müssen ihre Nische finden und Kunden ansprechen, denen ihre spezifische Leistung mehr wert ist. Schwierig ist auch das Geschäft mit den On-Demand-Lieferdiensten, die seit 2020 den Markt revolutionieren wollen. Ihr Versprechen: Über die App bestellte Lebensmittel kommen binnen zehn Minuten per Fahrradkurier an die Haustür. Doch das verursacht hohe Kosten bei den Anbietern – sie müssen an ihren Standorten jeweils mehrere kleine Lager, sogenannte Hubs, betreiben. Zudem müssen stets Fahrer verfügbar sein. Während der Pandemie sammelten die Start-ups Millionen Euro an Investorengeldern ein. Auf Euphorie und Expansion folgte aber Ernüchterung. Das Ex-Unicorn Gorillas wurde an den türkischen Mitbewerber Getir verkauft. Der wiederum reduzierte 2023 seine Deutschlandpräsenz von einstmals 23 auf sechs Städte und entließ 2.500 Mitarbeitende. In Berlin liefert Getir noch. Ebenfalls aktiv in der Stadt ist der Berliner Dienst Flink, an dem sich Rewe mit zwölf Prozent beteiligt hat. Rewe sichert Flink günstige Einkaufspreise. In mehr als 40 Städten hat sich das Start-up von der Hauptstadt aus ausgebreitet. Profitabel ist das Geschäft noch nicht. Verbandsgeschäftsführer Busch-Petersen findet lokale Projekte spannend – zum Beispiel auf Kiezbasis: „Die Händler einer Einkaufsstraße könnten sich zum Beispiel zusammentun und einen gemeinsamen Lieferdienst organisieren.“ Rainer Frohloff macht genau das: Mit Webkiez hat er eine Online-Plattform für Gewerbetreibende in Lichterfelde und Lankwitz geschaffen, über die er auch einen Lieferservice anbietet. Der 72-Jährige schwingt sich aufs Lastenrad und kauft in den Geschäften des Kiezes alles ein, was seine Kunden sich wünschen. 15 Euro nimmt er für eine Lieferung, in der Regel ist er eine Stunde unterwegs. Viel Geld verdient Frohloff damit also nicht, aber darum geht es ihm auch nicht. „Mir liegt der Kiez am Herzen. Ich war selbst einmal Einzelhändler, weiß, wie wichtig es ist, den Handel zu stärken und die Einkaufsstraßen lebendig zu halten.“ Eine solche Kooperation lokaler Händler kann sich Frohloff auch in anderen Kiezen vorstellen. Er war auch schon in Pankow aktiv. Dort musste er den Dienst aufgrund von Personalmangel wieder einstellen. Bleibt nur die Frage, wie ein solcher Service auch profitabel werden kann. ■ Ein Flink-Fahrer in Berlin: Der On-Demand-Dienst verspricht schnelle Lieferungen FOTOS: MÄRKISCHE KISTE, IMAGO/JÜRGEN RITTER Lieferdienste | 41

RkJQdWJsaXNoZXIy MTk5NjE0NA==