Berliner Wirtschaft April 2024

Ingenieure und Meister in der Maschinenbaufabrik des Aufzugherstellers Carl Flohr (1904) Das Unternehmen konstruierte und baute Aufzugtechnik, aber auch die hölzernen Fahrkammern. Hier eine Aufnahme der Werkstatt von 1904 Vor 145 Jahren erwarb der Ingenieur Carl Flohr (1859–1927) eine marode Mühlenbaufabrik in der Großen Frankfurterstraße, setzte ganz auf den Ausbau der Abteilung Sackwinden und Apparatebau und legte den Grundstein für den bedeutenden Berliner Aufzughersteller Flohr. Aufzug- und Hebezeugbau waren in der rasanten Entwicklung der Industrien am Ende des 19. Jahrhunderts ein Wachstumssektor: Produkte in ungeahnten Mengen und Größen wurden aus Kähnen und Wagen geladen – nicht zuletzt massenweise Ziegel zum Bau der wachsenden Hauptstadt. Diese wuchs auch in die Höhe: Mit dem Siegeszug der Stahlskelettbauweise wurden senkrechte Fahranlagen interessant – nicht nur für Lasten, sondern auch für Personen. Im Stadtschloss des Kaisers befand sich genauso eine Fahrstuhlanlage wie im 1926 errichteten Funkturm und auch in den noblen Kaufhäusern Berlins. Zunächst in die Chausseestraße expandiert, zog Carl Flohrs Maschinenbaufabrik im Zuge der industriellen Randwanderung 1905/06 nach Tegel „auf die Grüne Wiese“. Zwischen Flohr- und Otisstraße werden bis heute Technologien für den Fahrstuhlbau entwickelt. Technologien waren auch vonnöten: dampfgetriebene, hydraulische und elektrische Fahranlagen, sogar handgetriebene Lastenaufzüge; hölzerne und geschmiedete Fahrkammern mit elektrischem Licht und Plüschsofas für die gehobene Etage – und nicht zuletzt: Entwicklungen für die Sicherheit, Türschließmechanismen und ausgeklügelte Fangvorrichtungen etwa, die ein Abstürzen des Fahrstuhls verhinderten. Von Oberingenieuren geleitete technische Abteilungen berechneten individuelle Lösungen für alle Fragen: Aufzug für Lasten oder auch Personen? Welche Traglast? Förderhöhe, Größe des Fahrkorbs, Ausmaße des Schachtes? Welche Antriebskraft? Wechsel-, Gleich- oder Drehstrom? Die Ausgestaltung der Aus- und Einstiege wurde dabei auch der Umgebung und dem Geschmack des Auftraggebers angepasst. In den 1930er-Jahren investierte das Unternehmen noch einmal am Tegeler Standort und produzierte elektrisch betriebene Fahrtreppen, Fahr- und Lastenaufzüge sowie Kräne. Nach dem Krieg wurde der Ostteil enteignet und zum VEB Fahrstuhlbau umfirmiert, während im Westteil die amerikanische Konkurrenz in Gestalt der Otis Elevator Company das Unternehmen übernahm, an dem sie sich schon seit den 1920er-Jahren zu beteiligen versucht hatte. Bei der Reinickendorfer Flohr-Otis, heute nur noch Otis, befinden sich im globalen Verbund die Herstellung mikroprozessorischer Steuerungselemente, ein Reparatur- und Wartungsdienst und ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. ■ Zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Geschäftsidee: Ingenieur Carl Flohr (1859-1927) Berlin wuchs Ende des 19. Jahrhunderts in jeder Hinsicht – auch nach oben. Der Unternehmer Carl Flohr trug mit innovativen Aufzügen dazu bei von Björn Berghausen (BBWA) Hoch hinaus Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de FOTOS: BBWA Historie | 39

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