Berliner Wirtschaft April 2023

als die Renditeerwartungen der Eigenkapitalinvestoren. Während Fremdkapitalgeber zehn bis 20 Prozent pro Jahr erwarten, sind es bei Wagniskapitalgebern normalerweise über 25 Prozent pro Jahr. Der Grund dafür ist, dass Fremdkapitalgeber weniger Risiko ausgesetzt sind, da sie zum Beispiel im Falle einer Insolvenz vor den Eigenkapitalgebern (Shareholder) ausgezahlt werden. Zweitens kann Fremdkapital die Flexibilität bei einer potenziellen Downround erhöhen – eine Finanzierungsrunde mit Eigenkapital zu einer niedrigeren Unternehmensbewertung als die vorherige Runde. Downrounds gelten als negative Signale an Investoren und sind vor allem bei Bestandsinvestoren unbeliebt, da deren Anteile verwässert werden und an Wert verlieren. Bei der Aufnahme von Fremdkapital werden mit der Ausnahme von Equity Warrants keine Firmenanteile ausgegeben, daher findet in der Regel auch keine Verwässerung statt, was für Bestands- investorenwieGründerteams sehrwertvoll ist. Die Verwässerung durch den Warrant liegt meist im niedrigen einstelligen Prozentbereich, während eine Eigenkapitalfinanzierung Verwässerungen von deutlich über zehn Prozent verursacht. Der zinsbedingte Abschwung des Venture-Capital-Marktes im vergangenen Jahr hat auch zu einer Korrektur der Unternehmensbewertungen von Start-ups geführt. Folglich sind vor allemUnternehmen, die vorher eine Finanzierungsrunde mit einer ambitionierten Bewertung abgeschlossen haben, von potenziellen Downrounds betroffen. Die Aufnahme von Venture Debt kann Gründerteams wertvolle Zeit geben, operative Kennzahlen zu verbessern und somit eine Downround zu vermeiden. Prüfen, welches Fremdkapital geeignet ist Zuerst sollten Gründerinnen und Gründer sich genau überlegen, welche Art von Fremdkapital am besten geeignet ist. Neben Venture Debt, einem klassischen Darlehen, bei dem Kreditgeber häufig einen Anspruch auf alle Vermögenswerte des Unternehmens haben, kann auch das sogenannte Asset-backed Debt interessant sein. Es wird oft bei kapitalintensiven Geschäftsmodellen eingesetzt, um physische Vermögenswerte wie Maschinen zu finanzieren, welche dann als Sicherheit für die Kreditgeber gelten. Zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe kann es hilfreich sein, über Revenue-based Financing nachzudenken. Hier ermöglichen die Kapitalgeber Gründerteams, ihre zukünftigen Einnahmen gegen sofortiges Kapital einzutauschen. Diese Art der Finanzierung ist zwar sehr flexibel, birgt jedoch in der Regel auch recht hohe Zinssätze. Zusätzlich sollten sich Start-ups vor der Aufnahme von Fremdkapital genau über die Geldmenge im Klaren sein. Auch wenn es keine allgemeingültigen Regeln dafür gibt, sollte bei Venture Debt das Fremdkapital nicht höher als 50 Prozent des Eigenkapitals sein. Folglich kann es sinnvoll sein, die Aufnahme von Venture Debt mit einer Eigenkapitalrunde zu kombinieren. Bei Asset-backed Debt kann die Fremdkapitalquote jedoch deutlich höher sein, da das Darlehen durch physische Vermögenswerte abgesichert ist. Gefahr der Verwässerung im Auge behalten Außerdem sollten Gründerinnen und Gründer genau auf die Kreditauflagen sowie auf Instrumente achten, die doch zu einer Verwässerung der eigenen Anteile führen könnten, etwa Aktien-Optionsscheine, auch EquityWarrants genannt. Die Darlehensgeber wollen sich so auch die Möglichkeit offenhalten, durch die Ausgabe von Optionsscheinen, die in der Regel zehn bis 15 Prozent des Darlehensbetrags ausmachen, an der Wertsteigerung des Eigenkapitals zu partizipieren. Oft gibt es auch Up-Front-Gebühren (ein bis zwei Prozent des Darlehens), Back-End-Gebühren (drei bis fünf Prozent) und Vorfälligkeitsentschädigungen. Allerdings hat sich der Anteil der Kredite, die sogar ohne strenge Auflagen („covenant-lite“) vergeben werden, von 15 Prozent 2008 auf 88 Prozent 2022 verfünffacht, was den großen Appetit der Investoren für diese Anlageformunterstreicht. Die Suche nach geeigneten Finanzierungspartnerinnen und -partnern ist ebenso essenziell. Unterschiedliche Fremdkapitalgeber wie Banken, Kreditfonds, Venture-Debt-Fonds oder FintechStart-ups haben unterschiedliche Anforderungen, etwa Mindestumsätze. In jedem Fall sollte man Referenzen über die Fremdkapitalgeber einholen. Schließlich sollten Gründerinnen und Gründer ein Pitchdeck sowie ein detailliertes Finanzmodell vorbereiten. Die Unterlagen für Fremdkapitalgeber unterscheiden sich jedoch deutlich von den Pitchdecks für VC-Investoren. Die Aufnahme von Fremdkapital erfordert mehr Details zu Finanzplanung und Prognose, also etwa die Definition und Einhaltung von Kredit- und Anleihebedingungen, Zinszahlungen und Tilgung. Letztlich bleibt die Aufnahme von Fremd- kapital immer eine individuelle Entscheidung. Die Venture Debt bietet jedoch einige Vorteile, die man auch in einem Umfeld mit steigenden Zinsen nicht unterschätzen sollte. ■ Anna Borodenko, IHK-Fachreferentin Gründung, Start-ups und Nachhaltigkeit Tel.: 030 / 315 10-522 anna.borodenko@ berlin.ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes unter: gruenderszene.de (kostenpflichtig). Die Autoren Raphael Mukomilow ist Partner und Head of Growth bei der Picus Capital GmbH, einer Münchner Risikokapital-­ Gesellschaft, die in Technologieunternehmen im Frühstadium investiert. Pierre Bourdon ist dort Investor. FOTOS: GETTY IMAGES/ERHUI1979, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Berliner Wirtschaft 04 | 2023

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