Berliner Wirtschaft März 2024

S o richtig scheint es sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass die Inder vor den Toren Delhis mit 160 Kilometern pro Stunde durchs Land fahren können. So schnell fuhr im bevölkerungsreichsten Land der Erde eine Regionalbahn noch nie. Doch der nette Zugbegleiter, den ein Namensschild als Mitarbeiter der Deutschen Bahn ausweist, hat so mehr Zeit, sich um die Gäste zu kümmern. Unter der Woche zu den Stoßzeiten sei es schon deutlich voller, aber für den im November 2023 gestarteten Blitz-Zug müsse man noch etwas mehr werben, sagt Mohit Kamaldas Sharma, dessen Namensschild sogar die Blutgruppe nennt. Fahrkarten kontrollieren muss der junge Mann nicht. Das läuft alles elektronisch, via QR-Code und Scanner an der Schranke. Auftragswert im dreistelligen Millionenbereich Auch sonst lockt der neue Zug, der Millionenstädte mit der Hauptstadt verbinden und die Reisezeit um bis zu 70 Prozent verkürzen soll, mit allem modernen Komfort: Premium Class, Premium Lounge, Standard Class, ein Abteil nur für Frauen, Handyladestationen an jedem Sitz. Die Bahn stellt das von ihr ausgebildete Personal für Züge und Stationen und ist für die Bahninfrastruktur zuständig. Für sie hat der Zwölfjahresvertrag einen Auftragswert im dreistelligen Millionenbereich. „Für uns ist das Projekt auch ein Türöffner, um uns bei weiteren Infrastrukturvorhaben in Position zu bringen“, sagt Niko Warbanoff, CEO der DB E.C.O. Group, deren Tochter DB International Operations den internationalen Betrieb steuert. Befragt man deutsche Unternehmen nach den Schwachstellen des indischen Marktes, sind sich in einem Punkt alle einig: Unter der ma- roden Infrastruktur leiden Unternehmen und Private gleichermaßen. Mehrstündiges Pendeln ist für viele Angestellte nichts Ungewöhnliches. Wer 20 Kilometer in 60 Minuten oder auch mehr zurücklegt, findet das ganz normal. Doch das soll sich ändern. Unter Premier Modi baut die Regierung unter anderem die Bahninfrastruktur massiv aus, wollte allein 2023 rund 29 Mrd. US-Dollar investieren, 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen, etwa Siemens Mobility, bei der die staatliche Eisenbahn des Landes 1.200 Elektrolokomotiven für rund drei Mrd. Euro bestellte, das ist der bislang größte Lokauftrag für das Unternehmen, dessen Mobilitätsexperten in Berlin an Technologien für den hoch automatisierten Schienenverkehr arbeiten. Mehr als 2.000 deutsche Unternehmen sind in Indien aktiv, darunter zahlreiche Berliner. Was das Schwellenland attraktiv macht, weiß Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführer der Indo-German Chamber of Commerce in Mumbai. „Die Firmen müssen im Rahmen des China-Derisking ihre Lieferketten stärker diversifizieren. Indien punktet unter anderem mit der weltgrößten Bevölkerung, noch dazu einer sehr jungen Bevölkerung, relativ niedrigen Lohnkosten, liegt näher an Europa als China, ist politisch stabil, hat die einstige Kolonialmacht Großbritannien bereits als Volkswirtschaft überholt, und auch die erstmalige Ausrichtung des G20-Gipfels hat international für viel Aufmerksamkeit gesorgt.“ Halusa räumt aber auch ein: „Indien gilt traditionell als schwieriger, komplizierter und bürokratischer Markt. Das trifft nach wie vor zu.“ Kleine Unternehmen wagen den Schritt Selbst kleine Unternehmen wagen trotzdem den Sprung in das wachstumsstarke Land. Etwa der Berliner Spezialist für Batterie-Wechselstationen Swobbee, der im vergangenen Jahr an einer Delegationsreise der Berliner Senatsverwaltung teilnahm und eine Niederlassung in Indien gründete. Gemeinsam mit der indischen Elektromobilitätsmarke Motovolt Mobility Pvt. Ltd. wollen die Berliner 200 Batterieladestationen in Indien installieren. Schon seit fast 20 Jahren ist die Berliner Harbauer-Gruppe mit einer Tochter in Indien aktiv. Mit ihren Wasseraufbereitungsanlagen versorgt sie Millionen Inder mit arsenfreiem Wasser. Indische Mitarbeitende in einem der neuen Regionalzüge der Deutsche-Bahn-Tochter DB International Operations Indien-Netzwerke auf einen Blick AsiaBerlin Neben der jährlichen Konferenz bietet die Senatswirtschaftsverwaltung Delegationsreisen nach Asien sowie Events an, um Start-up-Ökosysteme in Berlin und Asien zu vernetzen. asia.berlin Expansion Lab Accelerator für Berliner Startups, KMUs, Investoren und Forschungseinrichtungen. betahausx.com/ expansionlab German-Indian Startup Exchange Program Leistet indischen Startups beim Markteintritt in Deutschland Hilfestellung, aber in geringerem Umfang auch deutschen in Indien. beyondbor- dersinnovation.com German Accelerator Unterstützt deutsche Start-ups beim Einstieg in den indischen Markt. germanaccelerator.com » FOTOS: MATILDA GUDE, DB RRTS Neue Märkte | 29 Berliner Wirtschaft 03 | 2024

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