Berliner Wirtschaft März 2022

Fitnessprogramm für die Berliner Hochschulverträge Wenn Forschungsergebnisse den Standort voranbringen sollen, muss der Berliner Mittelstand bei der Neuverhandlung eingebunden werden D as Land Berlin verhandelt regelmä- ßig mit den staatlichen Hochschulen am Standort das Vertragswerk, das die Höhe der Landeszuschüsse sowie die im Gegenzug zu erbringenden Leistun- gen festschreibt. Die Verträge umfassen eine Laufzeit von fünf Jahren und enden aktuell im Dezember 2022. Da die Vereinbarungen zwischen Land und Hochschulen den par- lamentarischen Prozess durchlaufen müssen, um über einen Senatsbe- schluss wirksam zu werden, wird es höchste Zeit, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Zeichen für die vertrag- liche Basis ab 2023 stehen nicht günstig. Als problematisch erweist sich, dass mehrere Hochschulleitungen vakant sind oder erst kürzlich neu besetzt wurden. Gleiches gilt für Wissenschaftssenato- rin Ulrike Gote, die qua Amt die neue Verhandlungsführe- rin des Landes Berlin ist. Das Metier der Hochschulpolitik ist ihr zwar ver- traut, aber eben nicht die Voraussetzun- gen und Rahmenbedingungen, die den Wirtschafts- undWissenschaftsstandort Berlin prägen. Um sie mal eben durch- zuwinken, sind die Hochschulverträge aber gänzlich ungeeignet – zumal das Instrument bei einer aktuellen Evaluierung nicht gut weggekommen ist: zu bürokratisch, überkomplex, schlecht handhabbar. Insgesamt drängt sich die Frage auf, ob es nicht besser wäre, die aktuellen Hochschul- verträge einfach ein Jahr länger laufen zu las- sen. Die gewonnene Zeit können nicht nur „die Neuen“ amVerhandlungstisch für ihre Vorbe- reitung nutzen. Es braucht auch eine Runder- neuerung – ein Diät- und Fitnessprogramm – für die Vertragsgestaltung zwischen Land und Wissenschaft. Aus Sicht der Wirtschaft muss der Transfer von Forschungswissen in die zügige Anwendung ein festgelegtes Ziel sein, das – anders als bisher – konkret gefasst und mit (wahlweisen) Indikatoren hochschulin- dividuell evaluierbar ist. Auch die Lehrerbil- dung steht unter demAspekt der Fachkräftesi- cherung imFokus der Wirtschaft. Nicht nur die Zahl der Lehramtsanwärter, sondern auch die Qualität des Studiums muss sich neuen Zielen stellen und budgetiert sein. Eine Entscheidung zur Gestaltung der Hochschulverträge sollte eher von Qualität als von Geschwindigkeit geprägt sein. Der Innovationsstandort Berlin wird nur von den neuen Hochschulverträgen profitieren, wenn diese der Wissenschaft auch mit Blick auf den Innovationspartner Wirtschaft ambitionierte und erreichbare Ziele setzen. Dafür braucht es finanzielle Anreize, Flexibilität in der Umset- zung, klare Indikatoren und kontinuierliche Verbindungen in die Wirtschaft. ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, erfahren Sie hier mehr: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel Vizepräsident der IHK Berlin, Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Geschäfts- führer der Marktflagge GmbH, Management & Investments FOTO: CHRISTIAN KIELMANN AGENDA | Mittelstandskolumne

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