Berliner Wirtschaft März 2021

Wirtschaftsverkehr braucht eine Langfriststrategie Weniger Denkverbote und mehr innovative Ansätze gefragt: Auch die dritte Auflage des Mobilitätsgesetzes wird den Erfordernissen des Lieferverkehrs in Berlin nicht gerecht D ie derzeitige Koalition hat noch einiges aufzuholen, will sie ihre Versprechen aus dem Regierungsprogramm vor Ende der Legislatur umsetzen. Beim Thema Mobilität dreht sich gefühlt fast alles ums Fahrrad und bleibt damit weit entfernt von der verkehrsträgeroffenen Mobilitätsvi- sion für die Smart City. In SachenWirtschafts- verkehr hat es kurz vor unserem themenglei- chen Stadtgespräch mit Sebastian Czaja, FDP, und Harald Moritz, Bündnis 90/Die Grü- nen, Ende Januar zumindest ein ent- sprechender allgemeiner Passus in die dritte Auflage des Mobilitätsgesetzes geschafft. Bleibt die Hoffnung, dass er mit dreijähriger Verspätung den Weg durch die parlamentarischen Instanzen nun schafft. Unsere Protagonisten im Stadtgespräch waren sich in der Sache überraschend nah: Zu viel Blech belegt herumstehend den wertvollen städtischen Stra- ßenraum. Bevor jedoch der meist notwendige motorisierte Individualverkehr weiter ver- drängt wird, braucht es Alternativen und Anreize. Einig ist man sich daher beim Streckenausbau und höherer Taktung im öffentlichen Personennahverkehr. Darü- ber hinaus müssenMobilitätsinnovationen auch endlich die Außenbezirke erreichen. Car-Sharing und Rufbussysteme ver- stopfen nach Ansicht unserer Experten die Innenstadt zusätzlich, während sie in den Außenbezirken dringend gebraucht werden. Die Lösungsansätze unserer Gesprächs- partner für den Lieferverkehr gingen nicht über reduzierte Langzeitparkflächen, zusätzli- che Ladezonen durchwegfallende Parkflächen, in die Randzeiten verlagerten Lieferverkehr und die stärkere Sanktionierung von Falsch- parkern hinaus. Die intensivere Nutzung der Wasserstraßen sowie der Hinweis auf die Drei- dimensionalität des Straßenraumes waren da schon die kühnsten Vorschläge. All das wird aber kurzfristig nicht helfen. Der Verstoß gegen die StVO bleibt oft der einzige Weg, insbeson- dere für Paketzusteller. Ein Modellprojekt für Mikrohubs, bei denen alle Pakete für eine bestimmte Region gesammelt und dann per Fahrrad verteilt werden, verzögerte sich nach Auskunft unserer Gäste vor allem, weil jeder Anbieter seinen Namen amHub prangen sehen will und ausschließt, seine Pakete von Dritten zum Endkunden bringen zu lassen. Die Alternative sind anbieterübergreifende Paketstationen für die Selbstabholung. Doch auch hier bestimmt eher Verdrängung statt Kooperation: So warb kürzlich ein Schwerge- wicht aus der Branche sogar mit einem klassi- schen Postmailing um Stellplätze auf privatem Grund gegen Mietzahlung. Hoffentlich fährt niemand mit dem Auto zur Packstation und nutzt die Ladezone zur Paketabholung. Ideolo- giefreie Wirtschaftsverkehrskonzepte fordern Offenheit bei allen Beteiligten. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen. ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments FOTO: CHRISTIAN KIELMANN AGENDA | Mittelstandskolumne

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