Berliner Wirtschaft 6/2019

Anders als entlegene, strukturschwache Regio- nen profitiert Berlin aufgrund des für Leben und Arbeiten vergleichsweise attraktiven Standortes von starkem Bevölkerungswachstum. Das Ber- lin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung prognostizierte in einer im April 2019 vorgeleg- ten Studie bis 2035 ein Plus von 10,9 Prozent auf dann gut vier Millionen Einwohner. Vom seit eini- gen Jahren überdurchschnittlichenWachstumdes Berliner Bruttoinlandsprodukts profitierte auch der Arbeitsmarkt. Allein zwischen 2017 und 2018 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um knapp 51.000 gestiegen und damit stärker als in allen übrigen Bundesländern. Um die künftige Nachfrage zu decken, müssen viele Unternehmenweiterhin imAusland suchen. Über Mangel an Interesse kann Pia Rathor bei Wooga zumindest nicht klagen. Der Großteil der Bewerbungen kommt aus demAusland. Oftmals ziehen Mitarbeiter frühere Kollegen nach, aber auch internationale Jobmessen oder Anzeigen in den sozialen Netzwerken bringen den gewünsch- ten Erfolg. Wenn hingegen Kai-Uwe Michels Anzeigen schaltet, sieht das Ergebnis eher mau haltsgenehmigung vorlag, jetzt sind es mindestens drei“, sagt Rathor, die als Grund vermutet, dass immer mehr ausländische Fachkräfte in Berlin auf Jobsuche gehen. Durch die teils langen War- tezeiten auf neue Entwickler, Autoren und Desig- ner kommt die Personalerin oftmals in Bedräng- nis. „Manche Stellen bleiben länger als erwartet unbesetzt. Das erschwert unsere Planung.“ Denn auf die Kollegen aus dem Ausland ist das 2009 gegründete Digitalunternehmen dringend ange- wiesen. „Unsere Zielgruppe ist sehr internatio- nal. Außerdem sitzen viele Gaming-Experten im angloamerikanischen Raum.“ Ohne ausländische Mitarbeiter geht es nicht Ohne ausländische Mitarbeiter würden Berliner Unternehmen den Fachkräftemangel jedoch nicht bewältigen, schon gar nicht in Zukunft. Das gilt für die anderen Bundesländer gleichermaßen. In der jüngsten Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) gaben 61 Prozent der Unternehmen an, der Fach- kräftemangel sei für sie das größte Geschäfts- risiko. Zum Vergleich: Zum Jahresbeginn 2017 waren es erst 48 Prozent, aber auch schon damals erreichte kein anderes Risiko, etwa Arbeitskosten oder wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, einen solchen Wert. In Berlin sieht es nicht bes- ser aus. Beklagten Anfang 2017 noch 55,9 Prozent der Befragten den Fachkräftemangel, waren es zu Beginn dieses Jahres schon 67,6 Prozent. 2018 lagen die Werte sogar noch höher. Besserung ist nicht in Sicht, wie Prognosen belegen. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung kommt zu dem Schluss: „Deutschland hat bis 2060 einen jähr- lichen Einwanderungsbedarf von mindestens 260.000 Menschen. Nur so lässt sich der demo- grafisch bedingte Rückgang des Arbeitskräftean- gebotes auf ein für die Wirtschaft verträgliches Maß begrenzen.“ Es sei zu erwarten, dass im Jah- resschnitt rund 114.000 Zuwanderer aus anderen EU-Staaten kommen. 146.000 Personen müssten demnach aus Nicht-EU-Ländern einwandern. Die Potenziale der einheimischen Bevölkerung haben die Forscher berücksichtigt. Sie unter- stellen eine künftig höhere Geburtenrate sowie, dass mehr Frauen und ältere Menschen arbeiten werden. Fazit: „Doch selbst wenn Männer und Frauen gleich viel arbeiteten und in Deutschland eine Rente mit 70 eingeführt würde, könnte der Fachkräftebedarf nicht mit inländischen Mitteln gedeckt werden.“ 67,6  Prozent der Unternehmen in Berlin haben laut einer aktuellen Umfrage des DIHK den Fachkräfte- mangel als ihr größtes Geschäfts- risiko bezeichnet. Der Betreiber von Kliniken, Seniorenresidenzen, Pflegeheimen und Hotels in Berlin und mehreren anderen Bundesländern wurde bereits 1932 gegründet. Kai-Uwe Michels führt das Familienunternehmen mit 2.400 Mitarbeitern heute gemeinsam mit seinem Bruder Kurt-Josef von Charlottenburg aus. Kai-Uwe Michels Geschäftsführer MICHELS KLINIKEN SCHWERPUNKT | Fachkräfte 20 BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2019

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