Berliner Wirtschaft 3/2020

Service-Konto ohne Service Der Beschluss des E-Government-Gesetzes der letzten Regierungskoalition war ein ordentlicher Schritt in die richtige Richtung. Doch beim Service-Konto zeigt sich besonders deutlich: Die Umsetzung lässt auf sich warten Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin. de/kompetenzteam V or fast genau zwei Jahren saß das Kom- petenzteam mit der IKT-Staatssekre- tärin, Sabine Smentek, zusammen, um über den Fortschritt des E-Governments und den Status des Service-Kontos zu sprechen. Damals war gerade der „leise Start“ des Ser- vice-Kontos mit den Fachverfahren – Gewer- bean- und ummeldung, Beantragung von Anwohnerparkausweisen und Kita-Gut- scheinen – vollzogen. Dem großen Auf- schlag wollte sich die Verwaltung dann sukzessive nähern. Das Kompetenzteam warb dafür, zügig die für die Wirtschaft relevanten Fachverfahren folgen zu lassen, und erarbeitete mit Sabine Smentek und dem ebenfalls anwesen- den Wirtschaftsstaatssekre- tär Christian Rickerts eine Prioritätenliste. Groß war meine Über- raschung, als ich kürz- lich nach dem aktuellen Stand des Service-Kon- tos auf der offiziellen Seite konto.service.ber- lin.de schaute. In den letzten zwei Jahren ist nicht viel passiert. Der Service für Unternehmen umfasst genau einen Punkt, obwohl sie im Schnitt rund 125 Verwaltungsvorgänge pro Jahr im Vergleich zu ein bis zwei von Privatpersonen zu absolvie- ren haben. Es handelt sich um den sogenannten Einheitlichen Ansprechpart- ner. Die dahinterstehenden Serviceleistungen beschränken sich im Wesentlichen auf Gewer- bean-, um- und abmeldungen sowie einige spe- zielle Tätigkeitsgenehmigungen. Der Zugang zum Service-Konto selbst ist in zwei Sicherheitsstu- fen unterteilt: Stufe eins – einfache Registrie- rung, Stufe zwei – mit freigeschaltetem Perso- nalausweis für die Online-Verfahren. Daneben gibt es einen Master-Account, der den Zugriff für mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens ermöglicht. Für Stufe zwei gibt es bislang noch gar kein Angebot. Beim Master-Account wurde ich nach Ein- gabe aller Informationen aufgefordert, mich mit einem Fax als Vertretungsberechtigter meines Unternehmens zu legitimieren. Davon abgesehen, dass nicht einmal gefragt wird, wer hier eigentlich unterschreibt, frage ich mich, welches der vom Senat so gern gesehenen Start-ups noch ein Fax- gerät besitzt. ZumGlück gibt es dafür inzwischen gute digitale Dienste, und es wurde ja keine Ori- ginalunterschrift plus Stempel gefordert. Ende März haben wir erneut Sabine Smentek zu Gast. Vielleicht überrascht sie uns mit einer „unsichtbaren“ Infrastruktur, die imHintergrund geschaffen wurde. Ansonsten habe ich Zweifel, dass wir in der aktuellen Legislatur überhaupt Umsetzungserfolge imE-Government vorweisen können. Das wäre fatal für Berlin. Umdeutlich zu machen, wie weit wir abgekoppelt sind: Das Vor- zeigeland Estland arbeitet gerade an der nächsten Entwicklungsstufe, der proaktiven Verwaltung – „Sie haben kürzlich ein Kind bekommen, dürfen wir Ihnen eine Geburtsurkunde ausstellen?“ ■ Sebastian Stietzel ist Vorsitzender des IHK-Kompetenzteams Mittelstand und Mitglied der Geschäftsleitung der The Social Chain AG FOTO: CHRISTIAN KIELMANN AGENDA | Mittelstandskolumne

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