Berliner Wirtschaft 3/2020

D ie Konjunkturbremse ist in Berlin im Januar schon warmgelaufen, aber sie glüht und qualmt nicht. Letzteres zu befürchten, hatten die pessimistischen Einschätzungen in der Konjunkturumfrage im vergangenen Herbst Anlass geboten. Denn vor vier Monaten hatten sich die Erwartungen der Unternehmen abrupt vomHöhenflug verabschie- det und knapp über Bodenniveau wiedergefun- den – innerhalb weniger Wochen war die Eupho- rie der Skepsis gewichen. Ein kleiner Schock, dem nun erfreulich klar nicht der große nachgefolgt ist. Das Geschäftsklima wird wieder etwas milder, der Index steigt um sieben Zähler auf 125 Punkte. Ein recht guter Wert, angesichts dessen man sich umdieWachstumsraten Berlins nicht mehr allzu sehr sorgen muss – doch unbestreitbar vorbei ist die Phase der Hochkonjunktur, in welcher der Index bei 144 und mehr Punkten notierte. Aktuell liegen für die weitere Flugkurve der Konjunktur auch neue Turbulenzen voraus – die Corona-Epidemie stellt dieWeltwirtschaft auf die Probe. Ob das Jahr eine stabile, gar beschleuni- gende Konjunktur oder weiteren Sinkflug sehen wird, dürfte erheblich vom Verlauf der Coro- na-Epidemie abhängen. Zurzeit aber laufen die Geschäfte selbst wie- der besser als im Herbst, auch die Erwartungen sind zuversichtlicher. Doch verglichen mit dem Vorjahr, wirkt die Wirtschaft dennoch ernüch- tert. Zu deutlich haben sich die Wachstumsrisi- ken in den vergangenen sechs Monaten auch in den Blick der Berliner Unternehmen gedrängt. Mögen virulente Außenhandelsrisiken ver- gleichsweise wenige hauptstädtische Betriebe unmittelbar betreffen, indirekt sehen sich zahl- reiche Unternehmen getroffen, beispielsweise unternehmensnahe Dienstleister oder Zuliefe- rer von Exporteuren. Inwieweit die private Wirt- schaft die regulatorischen, teils staatswirtschaft- lichen Bestrebungen im Berliner Politikbetrieb mit schlechten Konjunkturbewertungen quittiert, kann nur vermutet werden. Aber die Freude dar- über dürfte sich in Grenzen halten. Doch es gibt auch eherne Stützen der Berliner Konjunktur: Bevölkerungswachstum, Beschäf- tigtenwachstum und das sich daraus ergebende Wachstum der Kaufkraft sind intakt. Die Stadt zieht weiterhin Fachkräfte an und solche, die es werden wollen. Und selbiges lässt sich über Grün- der sagen. Die Struktureffekte der bald 3,8-Milli- onen-Metropole machen Dampf, auch wenn die Konjunkturbremse etwas fester anzieht. ■ FOTOS: GETTY IMAGES/JEKATERINA NIKITINA, AMIN AKHTAR (2), FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG/IHK BERLIN 125 Punkte zählt der Geschäftsklimaindex, sieben Zähler mehr als im Herbst. Christian Nestler, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de Konjunkturklima in Berlin Auch wenn der Index vom Höchststand 2017 weit entfernt ist, so hat er doch im Vergleich zum Herbst etwas zugelegt Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin Aktuelle Einschätzung Berliner Unternehmen Bei aller Ernüchterung laufen die Geschäfte besser als im Herbst, auch die Erwartungen sind zuversichtlicher Bei der Vorstellung des aktuellen Konjunkturberichts: Jan Eder, Haupt- geschäftsführer der IHK Berlin (o.), und sein Amtskollege aus Potsdam, Dr. Mario Tobias 100 120 140 118 143 141 142 140 134 2016 2017 2018 2019 2020 2015 jeweils im Frühjahr 125 Geschäftslage 36,4 54,6 9,0 gut befriedigend schlecht Geschäftserwartung Personalpläne 57,7 25,0 17,3 60,7 28,4 10,9 Investitionspläne 48,9 4,7 46,4 besser gleich schlechter zunehmend gleichbleibend abnehmend zunehmend gleichbleibend abnehmend Investitionstätigkeit 67,5 32,5 ja nein % % % % % 11 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 03 | 2020 AGENDA | Konjunkturbericht

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