Berliner Wirtschaft 2/2020

„Wir haben Multiplikatoren ausgebildet, die die neuen Wege der Zusammenarbeit vorleben und ihre Kollegen coachen“, so Geschäftsführerin Kluge, „wir haben die Nachwuchskräfte auf die neue Arbeitskultur eingeschworen und bei den Führungskräften Mitstreiter angeworben – und immer wieder den CEO sowie die Arbeitnehmer- vertretung eingebunden, umklarzumachen, dass Transformation nur möglich ist, wenn möglichst viele mitmachen.“ Alle mitzunehmen, das könne allerdings nicht gelingen, es gebe eben auch Mit- arbeiter, die sich in partizipativen Systemen nicht wohlfühlen. „Dafür brauchenwir kreative Lösun- gen, wie wir diese so einbinden, dass sie konst- ruktiv fürs Unternehmen erhalten bleiben.“ Wie der Aufbruch gelingen kann, zeigt sich für Sabine Kluge am Beispiel eines früheren Staatsunternehmens: „Bei der Deutschen Bahn gibt es bereits 100 selbstorganisierte Teams, die auf Augenhöhe arbeiten, ihre Führungskräfte auf Zeit wählen und gemeinsam entscheiden.“ Bei der Bahn wird auch das New-Work-Instrument Wor- king Out Loud (WOL) genutzt, das weniger mit Lautstärke als mit Offenheit und Transparenz funktioniert. „Working Out Loud ist die Fähigkeit und Bereitschaft, Wissen zu teilen“, sagt Expertin Kluge. „Wann immer wir Mitarbeiter dazu befä- higen, im Rahmen des WOL-Programmes über ihren Tellerrand hinaus mit Kollegen aus anderen Funktionen zusammen zu lernen und zu arbei- ten, ergeben sich daraus gemeinsame Projekte auf Arbeitsebene, die aus Sicht des Unternehmens für Kreativität, Innovation und Produktivität sorgen und aus der Sicht der Mitarbeiter viel Spaß und viele Aha-Effekte mit sich bringen.“ Die Berliner Stadtreinigung habe bereits Beschäftigte aus allen Ebenen „WOLlen“ lassen. Mit dabei seien auch die Messe Berlin, die Berliner Sparkasse, Pfizer, Bayer sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Und auch Siemens habe kürzlich in Siemensstadt 100 Mitarbeiter so vernetzt. Auswirkungen auf die ganze Organisation Ein weiteres Großunternehmen, das New Work implementiert hat, ist die Deutsche Kreditbank AG (DKB) mit insgesamt rund 3.990 Mitarbeitern und Hauptsitz in Berlin. Sie spezialisierte sich frühzeitig als Partner von Unternehmen und Kommunen auf zukunftsträchtige Branchen wie erneuerbare Energien, Gesundheit oder Bildung. Die mehr als 4,1 Millionen Privatkunden können ihre Bankgeschäfte online erledigen. In der digi- talen Transformation geht die 1990 gegründete Bank mit Innovationen voran – und arbeitet mit jungen Fintechs und Non-Banks zusammen. Schon 2016 hatte die DKB das Fraunhofer IAO um Unterstützung gebeten, weil sie ihren Beschäftigten zeit- und ortsflexibles Arbeiten ermöglichen wollte. „Denn dass ein Banker jeden Tag in seinemBüro arbeitet und alle drei Wochen mal einen Kunden besucht, entspricht nicht der Realität“, sagt Christian Liedtke, der New-Work- Experte der DKB. „Die Kolleginnen und Kollegen an den verschiedenen Standorten sind regelmäßig und dauerhaft bei den Kunden, mit denen auch Verträge direkt abgestimmt werden.“ Die Flexibi- lisierung habe Auswirkungen auf die Mitarbeiten- den, die Führungskräfte, aber auch auf die Orga- nisation im Ganzen. Führung auf Distanz zum Beispiel ist Ergebnis dieser neuen Formder Arbeit. Im Projekt „FlexWork“ arbeitet Liedtke mit Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer IAO zusammen. „Wir konnten sehen“, sagt sie, „dass sich ,FlexWork‘ positiv auf die Mitarbeiterzu- friedenheit, die Arbeitgeberattraktivität und die Produktivität auswirkt.“ Josephine Hofmann und Christian Liedtke erarbeiteten eine Mei- lenstein-Planung und bezogen Betriebsrat und Geschäftsführung von Anfang an ein. „Wir hat- ten die Möglichkeit, ,FlexWork‘ und Vertrauens- arbeitszeit in eine nationale Initiative zu integ- rieren, nämlich in die Lern- und Experimentier- räume des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“, sagt Liedtke. 1984 wurde „New Work“ zum Markenzeichen. In diesem Jahr gründete der österreichisch- amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann sein erstes Zentrum für neue Arbeit im US-Bundes- staat Michigan. Sabine Kluge Geschäftsführende Gesellschafterin Kluge + Konsorten Die Management- Beratung hat in etlichen Berliner und überregional aufge- stellten Unternehmen neue, übergreifend vernetzte Mitarbei- terstrukturen einge- führt. Beim Prinzip „Working Out Loud“ geht es vor allem um Offenheit und Transparenz. » 25 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2020 SCHWERPUNKT | New Work

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