Berliner Wirtschaft November 2023

Jan Lukas Rüsing, Rechtsreferent Allgemeine Rechtsberatung Tel.: 030 / 315 10-577 jan.ruesing@ berlin.ihk.de IHK-Antwort von Jan Lukas Rüsing E s klingelt, ich hebe ab. Noch in meine Begrüßung hinein unterbricht mich die Anruferin: „Sie müssen mich retten.“ Ungewöhnlicher Gesprächs- einstieg, denke ich und lasse die Frau erzählen: Sie sei Heilpraktikerin und habe eine Klientin, mit der sie seit Anfang August 2022 sehr viele intensive psychologische Beratungen per Telefon durchgeführt habe. Der Erstkontakt und die Terminvergabe erfolgten ausschließlich über WhatsApp. Nun habe es ein persönliches Zerwürfnis gegeben, woraufhin die Kundin Anfang Juni dieses Jahres alle Verträge widerrufen und das gesamte Beratungsentgelt in Höhe von 12.669 Euro zurückgefordert habe. Wir überlegen gemeinsam: „Hmm, ist ja kein Vertrag über die Lieferung körperlicher Gegenstände, die Beratungsleistung wurde ja schon erbracht – wie soll nun die Kundin ihre Erkenntnisse zurückgewähren, zumal diese mit der Beratungsleistung nachweislich hochzufrieden war, und überhaupt: Es ist schon ganz schön lange her.“ Wir können uns – sie ihrer Intuition und ich meinem „Judiz“ folgend – beide nicht vorstellen, dass an dieser Forderung etwas dran ist. Bis ich anfange, juristisch zu prüfen: Auch bei Dienstleistungsverträgen besteht, sofern sie über Fernkommunikationsmittel geschlossen wurden, grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Mangels Belehrung durch die Unternehmerin beträgt die Widerrufsfrist nicht 14 Tage, sondern ein Jahr und 14 Tage. Die Unternehmerin kann den Entgeltrückzahlungsanspruch der Kundin nicht mit einem Unternehmerfrage Muss eine Heilpraktikerin das Beratungsentgelt nach Widerruf des Vertrags im Nachhinein zurückzahlen? Chris Marc Phung, Rechtsreferent Allgemeine Rechtsberatung Tel.: 030 / 315 10-763 chris.marc.phung@ berlin.ihk.de Georgi Georgiev, Rechtsreferent Allgemeine Rechtsberatung Tel.: 030 / 315 10-470 georgi.georgiev@ berlin.ihk.de Anspruch auf Wertersatz für die gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten, sofern überhaupt irgendein Richter diese Erkenntnisse als werthaltig einstufen sollte, verrechnen, weil sie auch über einen etwaigen Wertersatzanspruch bei Vertragsschluss nicht belehrt hat und dieser deshalb nicht besteht. Allenfalls kann die Unternehmerin sich vielleicht darauf berufen, dass die Kundin mit der Leistung zufrieden war, der Widerruf aus sachfremden Erwägungen erfolgte und deshalb unbillig ist. Die Verbraucher-Widerrufsrechte gehen eben doch immer ein kleines bisschen weiter, als man es für möglich gehalten hätte. Am Folgetag melde ich mich also umgehend bei der Anruferin zurück und empfehle ihr dringend, sich einen Anwalt zu nehmen. ■ Experten bieten Rat und Tat Beim IHK-Geschäftsfeld Service und Beratung erhalten Unternehmen wichtige Informationen. Dafür stehen kompetente Ansprechpartner zur Verfügung: Serie Die alltäglichen Fälle der IHK Folge 40 Verbraucher-Widerruf ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ENIS AKSOY; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG SERVICE | Beratung | 62

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