Berliner Wirtschaft Oktober 2021

FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Die Kultur muss sich ändern Landesrechnungshof trifft Wirtschaft: Der aufgenommene Austausch birgt Perspektiven für Themen, die den Mittelstand in der Stadt bewegen – zum Beispiel den dringenden Handlungsbedarf bei der öffentlichen Vergabe A m 1. September dieses Jahres gab es eine Premiere: Zum erstenMal war der Rechnungshof zu Gast in der Indus- trie- und Handelskammer. Wirt- schaftspolitikausschuss und Kompetenzteam Mittelstand nutzten die Gelegenheit, um mit der Präsidentin, Karin Klingen, über Aufbau, Aufgaben und das veränderte Selbstverständ- nis des Rechnungshofes zu diskutieren. Die von der Gewaltenteilung glücklicherweise unab- hängige Institution nutzt unter der Präsiden- tin Klingen die Gelegenheit, Vorgehensweisen zu ändern und so Vorbild für die von ihr geprüften Verwaltungen zu sein. Der direkte Austauschmit der Wirtschaft ist hier ein Aspekt. Die Ausrichtung des Rechnungshofes nach den Vor- gaben des E-Government-Geset- zes und die geplante Übergabe sei- nes IT-Betriebes an das ITDZ – als eine der ersten Behörden in Berlin – sind weitere Schritte. Die Kultur müsse sich ändern in den Köpfen und den Struktu- ren der Verwaltung, nur so sind die notwendigen Veränderun- gen der Stadt möglich. Einen Kulturwandel erwartet die Berliner Wirtschaft auch in Bezug auf die öffentliche Vergabe. Immer weni- ger Unternehmen sind bereit, denmühsa- men Prozess von öffentlichen Ausschrei- bungen zu durchlaufen, um dann doch an der vorherrschenden Orientierung am billigsten Angebot für ein und die- selbe seit Jahren ausgeschriebene Leis- tung zu scheitern. Am rahmengebenden Ver- gabegesetz liegt es nicht unbedingt: Hier gibt es durchaus Öffnungs- und Experimentier- klauseln, die jedoch viel zu selten durch die verantwortlichen Mitarbeiter der Verwaltung genutzt werden. Die Angst vor Fehlentschei- dungen, welche dann als Geldverschwendung in der Presse angeprangert werden und für die keine Rückendeckung von Vorgesetzten vor- handen ist, scheint allgegenwärtig. Das Kompetenzteam Mittelstand hat seit Langem die Orientierung an den Laufzeit- kosten einer Beschaffung eingefordert. Es sollte selbstverständlich sein, dass sich eine Vergabeentscheidung nicht an den reinen Anschaffungskosten, sondern vielmehr an den Gesamtkosten eines zu erwartenden Nut- zungszeitraums inklusive sämtlicher Folgekos- ten orientiert. Die anwesenden Ausschuss- und Kompetenzteam-Mitglieder sprechen sich dafür aus, dass der Landesrechnungshof sich imRahmen seiner Aufgabenhoheit auch bei der öffentlichen Beschaffung stärker in die Bera- tung der Verwaltung einbringt, Kompetenzen und damit mehr Sicherheit bei der Entschei- dung vermittelt. Ein weiterer Struktur- und Kulturwandel sowie eine Entbürokratisierung der öffentli- chen Vergabe sind aber weiterhin der Schlüs- sel zur Motivation vomAuftraggeber Land Ber- lin und potenziellen Auftragnehmern aus der Wirtschaft. Der Rechnungshof nahm die deutliche Darstellung des Problems interessiert auf. Wir regen an, den Kontakt zu verstetigen und den Gesprächsfaden bald weiterzuführen. ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel Vizepräsident der IHK Berlin, Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Geschäfts- führer der Marktflagge GmbH, Management & Investments AGENDA | Mittelstandskolumne

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