Berliner Wirtschaft Juni 2023

Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de Paul Heylandt (Foto l.) hatte schon Patente angemeldet, bevor er 18 Jahre alt war. Lagerung und Transport von Flüssiggas waren ungefährlich und kostengünstig E in Arbeiter getötet und zwei weitere schwer verletzt“, meldete der „Berliner Lokal-Anzeiger“ am 1. November 1927, als es in Lindes Eismaschinenfabrik in Borsigwalde zur Explosion der Sauerstoffflaschen gekommen war. Ein ähnlicher Unfall hatte sich im Vorjahr ereignet. Das große Risiko von unter Hochdruck gelagerten Gasen war eines der Argumente, das Paul Heylandts Unternehmungen ihren Erfolg verschaffte. Das andere Argument waren die Kosten. In allen Bereichen der technisierten Welt wurden um die Jahrhundertwende Industriegase eingesetzt – Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Acetylen, Methan und so weiter. Problematisch für den Transport waren die „ungünstigen Volumenverhältnisse“ der Gase, weshalb man sie unter Hochdruck komprimierte. Nun konnten sie in starkwandigen Stahlbehältern bewegt werden, die allerdings extrem schwer waren. Das belastete die Kosten für Lagerung und Transport erheblich, zumal man Sauerstoff für Sprengungen in Bergwerken oder Stickstoff für die chemische Industrie nicht immer unmittelbar neben dem Verwendungsstandort herstellen konnte. Eine Lösung der Probleme war die Verflüssigung der Gase, wodurch sie in deutlich leichtere Spezialbehälter abgefüllt werden konnten und Inhalt und Verpackung in weniger krassem Missverhältnis standen. Außerdem explodierten sie nicht. Am bekanntesten sind die 1895 patentierten Verfahren von Carl von Linde, dem die Welt den Kühlschrank verdankt. Von diesem angeregt, widmete sich Paul Heylandt (1884–1947) den flüssigen Gase und hatte schon Patente angemeldet, ehe er 18 Jahre alt wurde. 1912 siedelte er seine Heylandt-Gesellschaft für Apparatebau in Berlin-Mariendorf an und leistete ab 1913 Beiträge zur Methode des Sprengluftverfahrens im Bergbau. Im Ersten Weltkrieg lieferte er Apparate zur Sauerstoffversorgung für Motoren und Atmung in Flugzeugen und Luftschiffen. Ab 1919 arbeitete die Heylandt- und die Gesellschaft für Industriegasverwertung in Berlin-Britz. An der Gradestraße baute die eine bis 1930 mehr als 400 Anlagen zur Gasverflüssigung in der ganzen Welt, die andere verwertete die 560 international angemeldeten Industriegaspatente. Von 1923 an gab es enge vertragliche Bindungen an die Linde AG, in der die Heylandt-Gesellschaften 1941 aufgingen. Paul Heylandt wurde nach dem Krieg nach Moskau verschleppt, wo seine Fähigkeiten in Forschung und Industrie gefragt waren. ■ Die industrielle Welt brauchte Industriegase. Paul Heylandt setzte auf deren Verflüssigung und war damit weltweit erfolgreich von Björn Berghausen (BBWA) Patenter Gasmann FOTOS: BBWA Historie | 39

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