Berliner Wirtschaft Juni 2023

Hand-Mode. Symbolischer Ausdruck dessen war der Pop-up-Store des Berliner Händlers Humana in der Friedrichstraße. Der Gedanke hinter dem Geschäftsmodell von Humana und ähnlichen Anbietern gibt dem Megathema Nachhaltigkeit eine praktische Dimension: Wiederverwendung bringt viel größere CO2-Einsparungen als Recycling. Was bisher eine Nische für Überzeugte war, wird immer mehr vom Mainstream eingemeindet. Viele Marken, inklusive einiger Fast-Fashion-Anbieter, widmen sich verstärkt dem Thema Kreislaufwirtschaft. Sie sammeln in ihren Geschäften gebrauchte Kleidung ein, etablieren eigene Upcycling-Stores und führen Informationskampagnen zu nachhaltiger Mode. Mit „Zalando Pre-Owned“ launchte der Berliner E-Commerce-Riese 2020 einen eigenen Second-Hand-Marktplatz, der mittlerweile in 13 Ländern angeboten wird. Besonders während der Corona-Lockdowns erfuhr der Onlinehandel mit gebrauchter Kleidung einen Boom, die Marktzuwächse werden auf 15–20 Prozent jährlich beziffert. „Die weltweite Nachfrage nach neuwertiger gebrauchter Mode befindet sich auf einem gewaltigen Aufwärtstrend. Da ist noch viel Luft nach oben für uns“, lässt sich Torben Hansen, Vice President Recommerce bei Zalando, zitieren. ■ „Wir haben eine Verantwortung“ BW: Zehn Jahre sind seit dem Unglück in der Textilfabrik in Rana Plaza (Bangladesch) vergangen – wie nehmen Sie den Wandel in der Branche wahr? Christina wille: Es hat die Branche tatsächlich aufgerüttelt. Viele Marken versuchen, besser zu werden, nicht nur was die Arbeitsbedingungen angeht. Sie richten sich etwa nach dem GOTS-Standard (GOTS = Global Organic Textile Standard). Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass, je länger das Ereignis zurückliegt, desto mehr verschwindet das Thema Nachhaltigkeit aus dem Blickfeld. Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Lieferanten aus? Wir achten sehr auf Siegel, wie etwa GOTS und Fair Wear Foundation. Uns ist bewusst, dass so ein Siegel teuer ist, deshalb pflegen wir engen Kontakt zu unseren Marken, und wir wissen, dass sie ihre Produktionsstätten vor Ort besuchen. Sie produzieren vor allem in Europa, wobei wir Lieferanten aus Asien nicht grundsätzlich ausschließen. Wir haben auch eine Verantwortung für die Länder, die jahrelang für uns produziert haben. Wie wichtig ist der Standort Berlin für Ihr Unternehmen? Aktuell bieten wir zwei Berliner Marken an, Givn und Jyoti. Einige weitere sind leider weggebrochen. Wichtig ist uns auch die Nähe zu den Initiativen. Wir merken aber auch, dass in Berlin die Preissensibilität größer ist als in anderen Städten. Zum Glück gibt es hier insgesamt viele Konsumentinnen und Konsumenten, die ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit haben. ■ Christina Wille CEO und Gründerin Loveco Saskia Lössl, IHK-Nachhaltigkeitsmanagerin Tel.: 030 / 315 10-253 saskia.loessl@berlin. ihk.de Zur Person Christina Wille gründete 2014 das Unternehmen Loveco, das in vier Läden in Berlin und einem Onlineshop ökologische, faire und vegane Mode vertreibt. 2020 wurde sie als Berliner Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt Loveco den Green Buddy Award in der Kategorie Einzelhandel. In den Loveco-Filialen wird nur nachhaltig produzierte Kleidung verkauft FOTOS: LOVECO/HELGE MUNDT, SARAH FITZBAUER BRANCHEN | Einzelhandel | 32 Berliner Wirtschaft 06 | 2023

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