Berliner Wirtschaft Juni 2023

Hoffnung auf einen Frühjahrsaufschwung, wie sie der rasche Anstieg des Klimaindikators zwischen Herbst 2022 und Beginn des Jahres erzeugte, hat sich also nicht erfüllt. Wichtige Produktionsfaktoren – Kapital und qualifizierte Mitarbeiter – haben sich in den vergangenen zwölf Monaten erheblich verteuert oder werden dies noch tun. Angesichts der Zins- und Inflationserwartungen ist nicht damit zu rechnen, dass kurzfristig ein Entspannungsszenario eintritt. Die Wirtschaft steht nach der Corona- und der unmittelbaren Energiekrise weiter unter hohem Anpassungsdruck, der durch die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit noch erhöht wird. Viele Unternehmen konzentrieren sich vorerst darauf, diesem Druck standzuhalten. Angesichts dieser Situation besteht die Gefahr, dass Wachstums- und Innovationschancen nicht ergriffen werden. Zurückhaltende Planungen Zwar entlassen die Krisen der letzten Monate die Berliner Unternehmen nach und nach aus ihrem Griff. Dennoch bleiben die Planungen für die nächste Zukunft zurückhaltend. Über alle Branchen hinweg sorgt das wechselhafte Konjunkturklima für eine eher vorsichtige Personalpolitik. Zwar rechnen wie noch zu Jahresbeginn 28 Prozent der Befragten mit steigenden Beschäftigtenzahlen, doch nimmt gleichzeitig die Zahl der Skeptiker zu. Ähnlich lassen sich die Investitionspläne der Unternehmen einordnen. Der Indikator lässt wieder leicht nach, nachdem er sich zu Jahresbeginn etwas erholt hatte. Damit fällt die Investitionsdynamik vergleichsweise schwach aus. Auch die Risikolage der Unternehmen bleibt angespannt. Zwar lassen die Sorgen bezüglich der Rohstoff- und insbesondere der Energiepreise zum Teil deutlich nach, aber ohne auf ihr Vorkrisen-Niveau zu sinken. Gleichzeitig steigen andere Risikoeinschätzungen wieder an. Sowohl die Entwicklung der Arbeitskosten wird häufiger als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung genannt als auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Doch am häufigsten und mit großem Abstand wird der Fachkräftemangel als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung genannt. Die Unternehmen sehen sich hier mit einem anhaltenden und wachsenden Problem konfrontiert und werden den Folgen der herrschenden Fachkräfteengpässe infolge des demografischen Wandels auch vorerst nicht entgehen können. ■ Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin 25 Punkte zählt der Saldo bei der Bewertung der Geschäftslage, zehn Punkte weniger als vor einem Jahr. 112 Punkte beträgt der Konjunkturklimaindex und entspricht damit dem derzeitigen Schwebezustand. 28 % der Befragten rechnen mit steigenden Beschäftigtenzahlen, doch die Zahl der Skeptiker wächst. Patrick Schulze, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@ berlin.ihk.de Geschäftserwartungen bescheiden Inflation, Fachkräfteengpass und die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit sind limitierende Faktoren Zurückhaltung prägt die Planungen Sowohl bei Investitionen als auch bei Beschäftigung zeigt sich eine eher abnehmende Tendenz Konjunkturklima stagniert Der erhoffte Frühjahrsaufschwung ist ausgeblieben, und mit Entspannung ist kurzfristig nicht zu rechnen 50 75 125 150 100 JBJMH JB JMH JBJMH JBJM Jahresbeginn Jahresmitte Herbst 112 60 86 140 2022 2021 2020 2019 2023 Beschäftigungspläne Investitionspläne 0 50 25 -25 -17 40 20 11 JBJMH JB H JB H JBFS FS Jahresbeginn Jahresmitte Frühsommer Herbst 2022 2021 2020 2019 2023 -40 0 80 40 -80 Geschäftserwartungen Geschäftslage JB JMH JB JMH JBJMH JBJM Jahresbeginn Jahresmitte Herbst -55 -35 59 24 46 25 1 2022 2021 2020 2019 2023 FOTOS: GETTY IMAGES/ANDRIY ONUFRIYENKO, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Konjunktur | 11 Berliner Wirtschaft 06 | 2023

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