Berliner Wirtschaft Juni 2022

ohne genug Fachkräfte werden wir unseren Wohl- stand nicht auf diesemLevel bewahren können. Wir bilden daher zur eigenen Fachkräftesicherung aus. Wir liefern hochwertige Komponenten, die mit sehr anspruchsvollen Schweißverfahren hergestellt wer- den. Bei einigen Produkten sind wir Weltmarktfüh- rer. Unsere Reputation bei Kunden ist in starkem Maße auf die Arbeit in unserer Fertigung, das heißt auf unserer Fachkräfte, zurückzuführen. Hier gilt noch „Made in Germany“ als absolutes Qualitäts- merkmal. Unsere Azubis werden so ausgebildet, dass sie diesen hohen Qualitätsansprüchen gerecht wer- den. Damit sorgen auch sie dafür, dass unser Unter- nehmen eine gesicherte Zukunft hat. Daher treffen uns die fehlenden Bewerberinnen und Bewerber besonders. Wie gehen Sie mit der Situation um? Wir müssen als Unternehmen reagieren und unsere eigenen Prozesse hinterfragen. Zugleich haben wir ein internes Programm gestartet, um unsere Marke als Arbeitgeber zu stärken. Wir müssen für Auszu- bildende und auch für zukünftige Mitarbeitende attraktiver werden. Worauf wollen Sie dabei den Fokus legen? Wir haben kein Schema F, das garantiert, dass Jahr für Jahr neue Auszubildende zu uns kommen. Gene- rell bemühen wir uns intensiv um jede einzelne Interessentin und jeden einzelnen Interessenten. Wir werden in Zukunft außerdem in unserer Kom- munikation die Fakten stärker in den Vordergrund stellen, die für potenzielle Azubis ausschlaggebend sind, um sich für uns zu entscheiden. Wir wollen dahin kommen, dass manmit Stolz sagen kann: Wir arbeiten für Borsig, und Borsig hat seit 185 Jahren die richtigen Lösungen zur richtigen Zeit. Wie können Ihrer Ansicht nach noch mehr Jugendliche für die duale Berufsausbildung begeistert werden? Wer Abitur macht, will in der Regel studieren und stellt sich gar nicht die Frage, ob eine duale Ausbil- dung infrage kommen könnte. Doch nicht jedem liegt ein Studium. Viele kommen mit der starken Fokus- sierung auf theoretisches Wissen nicht zurecht. Es fehlt ihnen der Praxisbezug. Das ist auch der Grund, warum wir immer mal wieder ehemalige Studie- rende einstellen, die dann bei uns zu sehr guten Anlagenmechanikern ausgebildet werden. Aber ich denke, es ist andersherum besser: erst eine duale Ausbildung, danach besteht immer noch die Mög- lichkeit, ein Studium anzuschließen. Viele unserer Auszubildenden machen das und bleiben bei uns. Könnten die Schulen mehr für die Berufs­ orientierung machen? Das wäre wünschenswert, schließlich muss man Maßnahmen ergreifen, wenn man sieht, dass der Fachkräftemangel immer weiter zunimmt. Das kann man nicht nur den Unternehmen überlassen. Ich würde es begrüßen, wenn ab der siebten Klasse ein Fach zur Berufsförderung eingerichtet wird. Schon in diesem Alter lassen sich Neigungen intensiv för- dern. Eine spätere Berufswahl wäre deutlich einfa- cher, wennman sich seiner Stärken und Schwächen bewusst wäre. Heute sind viele Jugendliche überfor- dert. Sie erhalten vomArbeitsamt wie vor 40 Jahren ein dickes Buchmit allen Ausbildungsberufen. Digi- tal können sie sich ein paar Videos zu den Ausbil- dungsberufen ansehen. Aber das reicht nicht. Es gibt so viele Berufe, die die Jugendlichen aus Unkenntnis einfach nicht auf dem Schirm haben. Da muss drin- gend etwas passieren. ■ Jürgen Stegger führt neben der Borsig GmbH in Berlin auch Tochtergesellschaf­ ten in Gladbeck Es gibt viele Berufe, die Jugendliche aus Unkennt­ nis nicht auf dem Schirm haben. Jürgen Stegger FOTO: AMIN AKHTAR SCHWERPUNKT | Interview

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